Full text: St. Ingberter Anzeiger

Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
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natanst eriheit, 162, Reklamen 80 B. Bei 4maliger Cinttickung wird nur dreimalige berechnet. 
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Deutsches Reich. 
Darmstadt, 24. März. Eine Masse⸗ 
roresse an den Fürsten Bismarcd ohne 
estimmtes Parteigepräge ist hier in Vorbereitung. 
Munchen, 28. März. Der Prinz⸗Re— 
ent Luitpold von Bayern hat unmittbar nach 
er offiziellen Bekanntgabe von dem Rücktritt des 
Fursbeen Bismarck aus dem aktiven Staats⸗ 
enst an Fürst Bismarck ein in sehr herzlichen 
Horten gehaltenes Handschreiben gerichtet. Se. kgl. 
‚oheit spricht in demselben dem Fursten Bismarck 
ein Bedauern über das Ausscheiden aus dem 
tiven Staatsdienst, seine hohe Anerkennung über 
essen große Verdienste um Deutschland und gleich⸗ 
eilig auch seine Glückwünsche zu den ihm von dem 
deuischen Kaiser noch zu Theil gewordenen großen 
—X— 
oher Achtung fich Fürst Bismarck wie schon von 
Zeiten des verstorbenen Königs Ludwig I., so 
uuch von Seiten Sr. kgl. Hoheit des Prinz 
degenten erfreut. 
Das der Kammer der Abgeordneten hinüberge⸗ 
egebene Nachtragspostulat zum Etat des k. Staats- 
ninisteriums des Innern für die 20. Finanzperiode 
890 und 1891, welches die Mehrausgabe infolge 
es Ueberganges des Landgestüts der Pfalz an den 
ztaat in Gemäßheit des Gesetzes vom 10. März 
1890, behufs Uebernahme der pfälzischen Gestüts⸗ 
mstalt durch den Staat, betrifft, ist begründet wie 
olgt: „Nach dem Gesetze vom 10. März 1890, 
ie Uebernahme der pfälzischen Gestütsanstalt durch 
en Staat betreffend, geht vom 1. Juli 1890 an 
as Gestüt in Zweibrücken an den Staat über und 
s wird von diesem Zeitpunkte an die Wirksamkeit 
es bayerischen Landgestüts, welche sich bisher nur 
uuf die Landesteile rechts des Rheins erstreckte, auf 
en Regierungsbezirk der Pfalz ausgedehnt. In⸗ 
olgedessen entstehen für die Staatskasse Mehraus⸗ 
saben. Das Gestüt in Zweibrücken wurde seither 
om Kreise unterhalten. Außerdem leistete der 
5ztaat Zuschüsse für dasselbe. Der jährliche Staats⸗ 
uschuß betrug 40 000 Mk. Dieser Betrag ist im 
zudget für die 20. Finanzperiode (1890 und 
801) vorgesehen und hat bereits die Genehmigung 
»es Landtages erhalten. Der vom Kreise gemachte 
ahtliche Aufwand für das Gestüt betrug seither 
und 80 000 Mk. Von letzterem Betrage wird bei 
derechnung des Mehraufwandes, welchen der Staat 
ach dem obenangeführten Gesetze künftig für das 
falzische Gestüt zu üͤbernehmen hat, auszugehen 
ein. Hienach ergiebt sich für die Staatskasse ein 
Nehraufwand von 15 000 Mi. für die Zeit vom 
.Juli bis 31. Dezember 1890, dann von 830 000 
l für das Jahr 1891, sohin im Ganzen 45 000 
Ddt. fur die 20. Finanzperiode. Bei Verteilung 
ieses Betrages auf die beiden Jahre der 20. 
jinanzberiode ergibt sich eine jährliche Mehrung 
es bisherigen Staatsaufwandes von 40 000 Mk. 
m 22500 Mk.“ 
Zöln, 28. März. Wie der „Koln. Ztg.“ 
uus Berlin geschrieben wird, soll die Niederhaltung 
on Unruhen bei Arbeiterausständen. 
ei Ausschreitungen der Sozialdemokraten fortan 
vesentlich Aufgabe des Malitärs sein, die 
heneräle sollen fortan auf eigne Hand handeln 
ind nicht mehr die Requisilionen der Zivilbebörden 
ihwarten. 
Berlin, 28. Marz. Das politische Interesse, 
velches sich in den lezten Tagen bereiis dem „ge⸗ 
zwmenen Manne“, dem neuen Reichskanzler v. 
Rabrivi zugewend⸗t halte kehrt noch einmal zu 
Dienstag, 28. März 18900. 25. Jahrg 
dessen Vorgünger, dem Fürsten Bissmardzurück, 
e mehr die Ueberzeugung sich Bahn bricht, daß 
em Rucktritt doch eine auf bestimmie Vorgänge 
ezügliche Meinungsverschiedenheit mit dem Kaiser 
oxausgegangen isit. Auch das Abschiedsgesuch des 
Zrafen Herbert tritt dadurch in eine neue, schärfere 
Zeleuchtung. Es ist nicht unmöglich, daß die nächsten 
Tage nach weitere Aufklärungen nach dieser Richtung 
in bringen. — Anlknüpfend an die Ausführungen der 
Nordd. Allg. Z.“ über die Gründe des Rücktritts 
es Fürsten Bismarck schreibt die „Vossische Zeit⸗ 
ing“: „Nachdem einmal die Bemerkung verdffent⸗ 
icht ist, sehen wir keinen Grund, die Darstellung 
es Sachvberhalts, wie sie uns bekannt geworden ist, 
urückzuhalten. Der Kaiser war über die Verhand⸗ 
ungen Bismarcks mit Windthorst sehr erregt und 
uhr nach dem Kanzlerpalaste, um den Fürfsten 
u fragen, was diese Unterredungen zu bedeuten 
jaben. Fürst Bismarck, der sich eben im Bette 
efand, erhob sich sofort und beantwortete, nachdem 
rebei dem Kaiser eingetreten war, die Frage dahin, 
zaß etß sich um Privalangelegenheiten handle. Der 
daiser betonte, daß er von Verhandlungen seines 
danzlers mit einem Parteiführer wie Windthorst, 
echtzeitig zu erfahren ein Recht habe, was Fürst 
gismard ungefähr mit dem Satze zurrückwies, daß 
r seinen Verkehr mit Abgeordneten keiner Kontrolle 
interwerfe. Er fügte hinzu, nur infolge eines 
Zersprechens an Kaiser Wilhelm J., einst seinem 
enkel zu dienen, sei er in seiner Stellung ver⸗ 
lieben, er werde aber gern bereit sein, sich in den 
Kuhestand zurückzuziehen, wenn er dem Kaiser un⸗ 
equem werde. Daß nach diesen Vorgängen ein 
Verbleiben Bismarcks im Amte unmöglich war, 
edarf keines weiteren Nachweises.“ 
Berlin, 24. März. Bis heute Abend war 
»em Staatsminister GrafenHerbert Bismarck 
ie Entlassungsurkunde auf sein Abschiedsgesuch noch 
nicht zugestell. — Der Prinz von Wales 
peiste gestern mit seinem Sohne beim Grafen 
derbert Bismarck. 
Berlin, 24. Maärz. Der „Nationalzeitung“ 
ufolge liegt der Arbeiterschutzkonferenz 
ine große Anzahl von einstimmig gefaßten Be— 
chlüssen vor, die freilich nach keiner Seite bindend 
ind. Immerhin nimmt man an, daß sie in der 
Zesetzgebung der Indufstriestaaten mit der Zeit 
Aufnahme finden werden. Jedenfalls würden die⸗ 
elben, wie aus Regierungskreisen verlautet, als⸗ 
ald und ohne die Entschließung anderer Staaten 
bzuwarten, dem Arbeiterschutzgesetz zugrunde gelegt 
verden, welches demnächst dem Reichstag vorgelegt 
pvird. Die Rachahmung anderer Regierungen wird 
rbofft. 
sozialdemokratische Arbeiter könnten 
keine Anstellung in Staatswerkstätten erhalten, da 
ie einem fremden Willen unterworfen seien. 
Paris, 24. Maͤrz. Die Gräfin von 
Paris ist gestern hier eingetroffen und hat fich 
in Begleitung ihrer Tochter, der Prinzessin Helene, 
owie des Prinzen Joinville, des Herzogs von 
Thartres und des Marquis v. Henricourt nach 
Tlairvaur begeben, um ihren Sohn, den Herzog 
von Orleans, zu besuchen. 
Paris, 24. Marz. In der Kammer wird 
ein Abkommen zwischen Frankreich, England und 
Belgien, betreffs Auswechslung von Telegrammen 
'm Falle der teilweisen oder gänzlichen Stoͤrungen 
der Telegraphenverbindung der detreffenden Länder, 
genehmigt. — Es folgen die Interpellationen 
Turrels über den Handelsvertrag mit der Türkei, 
Deloncles über die diplomatische Lage Frankreichs, 
nit Rücksicht auf die früheren Verträge mit der 
Türkei. Zur Begründung seiner Interpellation erklärt 
Turrel, es handle sich darum, zu erfahren, welche 
Zollmaßregein die Türkei nach Ablauf des Handels⸗ 
vertrages ergreifen werde. Die Regierung müsse 
ich darüber erklären, wie sie die Frage zu regeln 
Jedenke. Deloncle will Kapitulationen außer Acht 
'afsen. Seit unendlich langer Zeit habe die Pforte 
Frankreich als meistbegünstigte Nation behandelt, es 
ei Ehrenpflicht der Regierung, diese Ueberlieferung 
zu achten. Der Minisier des Aeußern, Ribot, er⸗ 
videri den Interpellanten: nach Ablauf des Handels⸗ 
vertrages habe das vorige Ministerium gestützt auf 
»inen Artikel des Vertrages von 1802, der Türkei 
die Behandlung als der meistbegünstigten Nation 
zugestanden und nicht für nothwendig erachtet, da- 
tüber das Parlament zu befragen. Das Land be— 
ürchte nun, es solle bis über das Jahr 1892 
hinaus die Neuregelung der Handelsverhälinisse mit 
»en übrigen Staaten vollzogen sein. Er, der 
Minister, sei der Ansicht, daß ein schroffes Auf- 
reten der Türlei gegenüber mit Gefahren verbunden 
ein könnte, weil Frankreich in der Türkei und in 
legypten Interessen habe, die man nicht aus dem 
luge verlieren dürfe, und weil die übrigen Staaten 
twanige Fehler von Seiten Frankreichs sich zunutze 
nachen würden. Die Regierung ersuche das Haus, die 
rundsätzlichen Fragen von der Erorterung auszu⸗ 
chließen im Inieresse des Handels und der Politik 
Frankreichs im Orient. Mit 506 gegen 28 Stimmen 
vird die von der Regierung genehmigte Tagesord- 
nung: „Die Kammer billigt die Erklärungen der 
Regierung“, angenommen. 
Basel, 24. März. Das Volk von Basel⸗ 
S tad tderwarf das Gesetz über die staatliche Kranken⸗ 
versicher ung mit zwei Drittel gegen ein Drittel der 
Stimmen. 
Nom, 24. März. Minifterpraͤsident Cris pi 
hat an den Fürsten Bismarkein Telegramm 
jesandt, in welchem er ausspricht: daß der Fürst, 
ndem er von seiner Stellung zurücktrete, zu der 
er durch das Vertraueu dreier Kaiser be rufen ge- 
vesen, Deuischland ein kostbares Erbtheil in der 
Politik des Friedens hinlerlasse, der er sich voll 
zingegeben habe. Mit dem Bedauern über den 
sKüdtritt verbindet Crispi den Ausdruck seiner 
Freundschaft und des unbegrenzten Vertrauens für 
den Fürsten. In seiner Antwort dankt Fürst 
Bismarck fur die herzlich geneigten Worte, 
Rie ihn als ein neuer Beweis der Gefühle des 
VBertrauens und der Zuneigung erfreuten. Er er⸗ 
videre diese Gefühle von ganzem; Herzen. Er 
vahe sich albelich gefüblt. sich einem Sfaatsmanne 
Ausland. 
London, 24. März. Die „Morningpost“ be⸗ 
pricht den Besuch des Prinzen von Wales 
u Berlin und sagt, derselbe sei gleichbedeutend 
nit dem Wiedereintritt Großbritanniens in das eu⸗ 
opdische Staatenkonzert und das äußere Zeichen 
iner Politik, welche das gebieterische Interesse Eng- 
ands an den Problemen Europas anerkenne, ohne 
zie aus seiner insularen Lage resultierende Unab⸗ 
Jängigkeit aufzugeben. Die Rede des Kaisers zeige 
lar, daß er die wahre Grundlage der jetzt zwischen 
England und Deutschland bestehenden glücklichen Be⸗ 
ziehungen verste he und würdige. 
Kopenhagen, 24. Marz. Im Folhke⸗ 
hing erklärten, in Beantwortung einer Interpel⸗ 
ien der Ori⸗ensminister und der Marineminister