Full text: St. Ingberter Anzeiger

Ereignissen reicher Zeitabschnitt liegt hinter ihm; 
eine Zeit franzssischer Hegemonie und deutscher 
Zerrissenheit, in der der Name Deutscher im 
Ausland fast vergessen schien und in der es dort 
aur einen Oestereicher, Preußen, Bahern ꝛc. gab. 
dafsen Sie mich hinweggehen über eine spätere 
Periode, in der Bismarck vielleicht der am meisten 
Jehaßte Mann in Süddeutschland war. Die glor⸗ 
reichen Ereignisse der Jahre 187071 haben ihn 
zanz zu dem unsrigen gemacht. Die Hoffnung 
unserer Gtoßväter auf eine Wiederaufrichtung des 
„eutschen Reiches nach dem Sturze des großen 
Zerfen sollte sich nicht ccfüllen; unserer Väter 
jehnsüchtiges Verlangen nach einem einigen deut⸗ 
schen Reich in den 40er Jahren sollte nicht gestillt 
werden. Uns erst war es beschieden, einen Ritter 
mus dem deutschen Norden Deuischlands Hertklich⸗ 
teit, Deutschlands Ruhm und Große schaffen, die deutsche 
eaiserkrone, von Kaiser Rotbart in den Kyffhäusser 
nitgenommen und dort viele Jahrhunderte getreu⸗ 
lich bewacht, wieder aus dem Berg hervorholen zu 
sehen. Groß und mächtig wie nie steht jetzt der 
solze Bau des deutschen Reiches da. Der Name 
Deutscher hat einen guten Klang und ist geebrt 
und gefürchtet allüberall, nicht blos in Europa, 
sondern in den fernsten Kontinenten. Daß that⸗ 
sächlich jetzt im Orchester der Großmächte Deutsch- 
Jands die erste Violine spielt, hat das Jahr 1878 
ezeigt, in dem alle Mächte auf der Berliner Kon⸗ 
—* fich willig der Führerschaft Deutschlands 
unterordneten. Bismarcks Scharfblick und Bis⸗ 
marcks Geschick verbunden mit Deutschlands An⸗ 
sehen und gefürchteter Stärke hat uns 20 Jahre 
jang die Segnungen des Friedens erhalten und 
deule gilt alleroris der Dreibund — einer der 
großartigsten Erfolge in Bismards äußerer Politik 
— als der starke Hort des Friedens. Nicht das 
Srauen vor den Schredtnissen des Krieges hat 
unsern Erbfeind im Westen ruhig gehalten, son⸗ 
zern die Furcht vor dem deutschen Schwert. Denn 
Kan weiß an der Seine ganz genau, daß uns 
allen vollständig aus dem Herzen gesprochen ist 
jenes schöne Wort Bismaicks: „Wir Deutsche 
fürchten Gott, sonst nichts auf der Welt.“ Wenn 
eine einstimmige Anerkennung der Verdienste Bis⸗ 
marcdts auf dem Gebiete der inneren Politik jetzi 
nicht vorhanden ist, so wissen wir, ein weiser 
Boit hat, was im Erdenleben noch kommen wird, 
in dunkle Nacht gehüllt und wollen deshalb später 
eiamal die Geschichte reden lassen, gewiß erfüllt 
sich hier Göthes Ausspruch: Was dem Mann 
das Leben nur halb gewährt, wird ganz die Nach⸗ 
welt geben. Uns alle jedoch beseelt rüchhaltlose 
Bewunderung und tiefe Ehrfurcht vor dem großen 
Baumeister des herrlichen deutschen Reiches und den 
zegen uns gerichteten Vorwurf, daß wir, die wir 
ruͤhet Bismarck förmlich vergötterten, uns gegen 
den abtretenden Kanzler kühl bis an Herz hinan 
derhielten, weisen wir mit Entrüstung von uns. 
Fin Denkmal dauerhafter als von Erz und höh'r 
als der Pyramiden stolzer Bau hat under großer 
Zanzler sich errichtet; es ist die Liebe und Ver⸗ 
ehrung eines jeden wahrhaft deutschen Mannes. 
Nie wird ir der Vergessenheit anheimfallen. Wenn 
unserm Bismarck, um den uns die ganze Welt be⸗ 
neidet, nun seinen Lieblingswunsch, auf väterlicher 
Scholle seinen eigenen Kohl bauen zu koͤnnen, er⸗ 
füllt ist, so wissen wir doch, daß wir im Augen- 
blicke der Gefahr auf ihn zählen können. Anderer- 
seits find dem 75jährigen Fuͤrsten ruhige Tage 
wohl zu goͤnnen. Keiner hat so viel gearbeitet 
wie er, keiner die Ruhe so verdient. Moͤge es 
ihm beschieden sein, sie noch recht lange in steter 
Besundheit zu genießen. Um unseren Wuünschen 
abet auch einen äußeren Ausdruck zu verleihen, 
fordere ich Sie auf, mit mir zu trinken auf das 
das Wohl des deuischesten Mannes: Seine Durch⸗ 
taucht, Furst Bismarck, des wiederstandenen deut⸗ 
schen Reiches erster Kanzler, er lebe hoch! 
Stürmisch brauste das Hoch auf den ver⸗ 
ijrten Kanzler und die ganze Versammlung 
sang das Lied: Deutschland über Alles. So⸗ 
zann teilte Herr Oberamisrichter Bühler folgen⸗ 
zes Telegramm mit, welches an den Fürsten Bis— 
marck abgesandt wurde: Zur Feier des 75. Ge⸗ 
hurtstages Ew. Durchlaucht vereinigt, bringen 
deutsch gesinnte Maͤnner der Stadt St. Ingbert 
Fw. Durchlaucht in dankbarer Anerkennung der 
imerreichten Verdienste um die Wiederherstellung 
der Einheit und Größe des deutschen Reiches die 
innigsten Glückwünsche dar. Im Auftrage des 
Zomites.“ Musik und Gesanqsvorträge gestalteten 
zie folgenden Stunden zu den angenehmsten. Zur 
xᷣchaltung der guten Stimmung trug auch nicht 
venig die treffliche Bewirtung durch Herrn Schilling 
zei, welcher sich damit bei seinen Gaͤsten in em⸗ 
ifehlendster Weise einführte. 
*St. Ingbert, 2. April. Einen uns eiwas 
pãt zugegangenen Bericht über die letzte General⸗ 
ersammlung des Obstbauvereins müssen 
vir wegen Raummangels für die morgige Nummer 
zurücklegen. 
* Unter den Heizern, welche vom pfälz. Dampf⸗ 
lesselrevifionsverein eine Geld⸗Prämie erhalten, be⸗ 
findet sich auch der Maschinenwärter und Heizer 
Richard Ruppe, bei A. Wagner in Schnap⸗ 
pach. Die von genanntem Verein eingerichteten 
deizerschulen sollen demnächst ihren Wirkungkreis 
jer Reihe nach, jeweils auf die Dauer eines Vier⸗ 
leljahres auf St. Inabert mit 108 Kesseln, 
Ftankenthal mit 73 und Pirmasens mit 48 er⸗ 
trecken. 
— In verschiedenen Städten der Pfalz, so 
in Zweibrücken, Dürkheim, Frankenthal beschloß man 
uüldigungs⸗Adressen an den Fürsten 
zzismardk abzusenden. In ersterer Stadt haben es 
ich auch die Verehrerinnen des zurückgetreten Reichs 
anzlers nicht nehmen lassen, eine solche Adresse zu 
interzeichnen. 
— Kaiserslauteren, 1. April. Auf das 
Telegramm der Versammlung zur pfaälzischen Bis⸗ 
narckfeter hier an den Prinzregenten 
st gestern an Herrn Reichsrat Dr. Buhl folgende 
elegraphische Antwort ergangen: 
Herrn Dr. Buhl! Seine Königliche Hoheit der 
Brinzregent, durch die patriotischen Gesinnungen, 
vpelchen das Huldigungstelegramm der gestrigen 
Bersammlung in Kaiserslautern Ausdruck gab, 
vohlthuend berührt, lassen allen Beteiligten Aller⸗ 
höchst Ihren freundlichsten Dank aussprechen. Im 
Allerhöchsten Auftrag: Freiherr Freyschlag von 
Freyenstein, Generallieutenant, Generaladjutant. 
— Kaiserslautern, 1. April. Se. Excel⸗ 
enz der kgl. Regierungspräsident Staatscat von 
8raun besuchte gestern in Begleitung des Herrn 
Oberrechnungsrates Farnb ach er und des Herrn 
stegierungsrats Späth die Ausstellung der Lehr⸗ 
ingsardeiten der Baugewerlschule und besichtigte 
ann in eingehender Weise den nun vollständig 
ertiggestellten Postneubau. Sowahl die Schüler⸗ 
Arbeiten, wie die Anlage und die Ausführung des 
PBostgebäudes mit der Postschalter⸗Halle fanden den 
ingeteilten Beifall der Herren. (Pf. Pr.) 
— Kaiserslaautern, 1. April. Sein 
Wjahriges Amts⸗Jubiläum begeht heute 
zier Herr Stations⸗Einnehmer August Hänchen. 
den Löwenantheil seiner ganzen Dienstzeit, wohl 
jezählte 20 Jahre, wovon 18 Jahre ununterbrochen. 
peilt derselbe in den Mauera der alten Kaiserstadt. 
MRögen dem Jubilar noch biele Jahre in Gesund⸗ 
reitsfülle bescheert sein, bis ihm endlich Petrus, den 
»immelsschalter dffaend, die letzte Fahrkarte nach 
5wigheim aushändigt. (Pf. Vatg.) 
— Pirmasens, 1. April. Besitz- 
vechsel. Herr Heinrich Hartmann verkaufte 7 
gauplätze (zu einem Ganzen vereinigt), zwischen der 
dorebstraße und dem grünen Weg, an der sogen. 
„artmannsstraße gelegen, von 78 Meter Front und 
34 Meter Tiefe, um den Preis von 9.000 Mk. 
imn Herrn Martin Roth. 
— Gleishorbach. Der Frau Wittwe 
Beiß sind 300 Wellen, im Mittelbühl lagernd, 
ingezündet worden. Hoffentlich gelingt es. den 
Zrandstifter festzunehmen. 
— Bergzabern. Ein Monteur ist jetzt hier 
ind beginnt in dieser Woche mit dem Anlegen 
zer Leitungsdrähte zur elektrischen Beleuchtung. Zur 
Bollendung der Anlage sind noch zirka 8 Monate 
n Aussicht zu nehmen. 
— Bergzabern. In der Nacht vom 29. 
nuf 30. März brannte die zwischen Bergzabern 
ind Birkenhoördt gelegene Gehlmühle vollständig 
ib. Der Besitzer derselben wurde, nach dem „Pf. 
T.“, da Brandstiftung vermuthet wird, noch an 
demselben Tage verhaftet. Obwohl die Feuerwehr 
von Borkenhördt rasch zur Stelle war, konnte von 
dem großen Anwesen fast gar nichts gerettet wer⸗ 
den. Versichert hat der Besitzer Alles. 
— Kandel. Am Sonniag Morgen entwich 
nus dem hiefigen Amtsgerichtsgefängniß der schon 
zyfters bestrafte Maurer Thibaut aus Hagen⸗ 
dach. Derselbe wurde vor einigen Tagen wegen 
chweren Diebstahls verhaftet. Schon bei der Ver⸗ 
aftung zeigte er, wie gefährlrch er ist. Er wehrte 
ich mit aller Kraft, biß dem Gendarm m 
Finger, so daß dieser von seiner Waffe Gebraug 
nachen mußte und ihm die Hand durchstieß. gy 
nit Hilfe von drei Mannern konnte er den Mensche 
zezwingen. Sonntag Morgen nun, als der Gefangen 
einen Strohsack aus der Zelle trug, ging der 6. 
Andnißwärter in dieselbe, um zu sehen, ob Allg 
n Ordnung sei. Th. warf die Thüuͤre zu um 
perrte den Aufseher ein, ging dann rasch in 
dof, ergriff das Bord des Holzwagens, schwan— 
ich auf einen Holzstoß, legte das Bord auf 
Anj Meter entferute Mauer und kam so in's Fret 
Bis der Aufseher befreit war, war jener längsid 
zon: Obwohl einige Manner der Nachbarsqhe 
ofort nacheilten, konnten sie desselben doch ris 
Jabhaft werden. Hoffentlich gelingt es der Gap 
darmerie, ihn bald wieder hinter Schloß und Riest 
zu bringen, da er ja ohne Hut, Schuhe und Co 
davon ist. C. Ah) 
— 6denkoben. Die Wittwe des im Feh 
abhin zu Annweiler durch Zerspringen eines Sqhleh 
deins verunglückten Feilenhauers Schenke 
wurde auf Grund des Unfallversicherungsgesetzes don 
hetr. Seklionsvorstande ein Bescheid zugesandt, we 
nach sie mit ihren 4 Kindern eine jährliche Reur 
bon 577 Mk. erhält, die in monatlichen Rate 
zahlbar ist; außerdem werden 4 die Beerdigung 
fosten zurückerstattet. Wieder Beweis, wel 
großen Vortheil das Unfallversicherungsgescetz geae 
das frühere Hafipflichtgesetz hat. 
— Ludwigshafen, 1. April. Ein ber 
ienstvoller Beamier der Psälzischen Eisenbahnu 
derr Adolf Frenztzel, Vorstand der Wage— 
—XXEDDDDDD——— 
jährigen Dienstjubiläums. 
— Frantenthal. Der früher schon — 
wähnte, nahezu fünf Jahre anhängige Kuhpre 
zeß, welcher von einem Bürger von Lambsbe 
us Käufer der Kuh mit einem Handelsmann au 
Zembach vor den Gerichten in Winnweiler und 
daiserslautern geführt worden ist, wurde dieß⸗ 
Tage vor der letzten Sitzung in der Sache bop 
den Parteien in der Weise verglichen, daß du 
dläger sich herabließ, obschon er nach dem Obn 
jutachten des k. Direktors und Professors Hetn 
dahn von München seinen Prozeß faktisch p 
donnen hatte, von den ca. zweitausend Mark be 
ragenden Kosten achtzig Mark zu übernehmen. 
— Weisenheim a. S. Infolge der leß 
ägigen außerordentlich guten Witterung blühen bi 
chon die Aprikosen. 
Dermisctes. 
PSaargemünd, 80. März. Im Lau 
»es gestrigen Tuges sind bei hiesiger Stadt zu 
deichen aus der Saar gezogen worden. Die em 
var die eines unbekannten, dem Arbeiterstande 
Jehorigen Mannes. Dieselbe war schon vollständ 
v Verwesung übergegangen, wodurch die Fesistl 
ing der Perfsonlichkeit sehr erschwert ift. Bei d 
deiche wurden 90 Ml. bares Geld vorgefunden 
In der zweiten gegen Abend gelandeten Lei 
purde diejenige des seit einigen Wochen verschwun— 
zenen Arbeiters Mosser aus Neunkirchen erlann 
derselbe verließ seine Behausung in einem geift 
Jestörten Zustande und so ist anzunehmen, daß 
elbst den Tod in den Wellen gesucht hat. — 9 
on dem Mühlenbesitzer and Gerreidegroßhändl 
deymann hierselbst gegen seine vor einiger 3 
vom hiefigen Landgerichte ausgesprochene Bestrafu— 
vegen Zolldefraudation beim Reichsgericht in Leib 
aingelegle Rechtsmittel ist vom Reichsgericht er 
zegtündet anerkannt und Heymann demgemäß 
der Strafe freigesprochen worden. Auch ist de 
Bernehmen nach die in derselben Angelegenheit ve 
der Generaldirektion der Zölle und indireln 
Steuern wegen Hinterziehung von Enregistremen 
Jebühren anhängig gemachte Klage durch einen Vet 
leich zwischen den Hatteien erledigt worden. 9 
nann verpflichtete sich darnach, die ihm aufetleh 
hebuhr im Bettage von 82000 Mt. an* 
Enregistrementskasse einzuzahlen. 
FDen „Munch. N. Nachr.“ schreibt mun⸗ 
„traß burg, 28. Miatze: Den deuhsch 
Brauern droht ein Rückgang der Bierausfuhr u 
Fisaß⸗Lothringen insolge einer neuen Steuerbelagr 
)es Bieres. Im Landesausschusse für Elsaß o 
ringen haben sieben Herren den Antrag gefe 
vom 1. April ab alles nach Elsaß⸗Lothringen 
Jeführte „starke“ Bier mit einer Vebergangest 
zon 8 Mk. 50 Pfg. für den Hektoliter zu —— 
An der Spitze der Antragsteller steht Hett 
Juͤrgermeiller in Straßburg, früher üÜnterstan 
ij