Full text: St. Ingberter Anzeiger

Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
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Austunft eribeilt, I3 , Neklamen 80 A. Bei 4maliger Cinruckung wird nur dreimalige berechnet. 
—A —— — Freitag, 6. Juni 1890. 
Deutsches Reich. 
München, 4. Juni. Der Magistrat be⸗ 
gloß, dem scheidenden Ministierpräsidenten Dr. 
—— 
dt. dv. Mül ler Adressen zu widmen. — Die 
Wünchener Neuesten Nachrichten“ verzeichnen das 
zerücht, Lieutenant pv. Gravenreuth sei zum 
zouverneur von Kamerun ausersehen worden. 
Berlin, 3. Juni. Furstbischof Kopp gab 
ie Erklärung ab, die Sperrgelder⸗Vor— 
age sei annehmbar, wenn eine gewisse Aenderung 
mweinem mehr nebensächlichen Punlte eintrete. 
Berlin, 4. Juni. In der gefstrigen ersten 
zitzung der Reichstagskommission zur Vorde- 
altung der Novelle zur Gewerbeord⸗ 
rung wurde zurächst beschlossen, auf eine allge⸗ 
neine Eroͤrterung zu verzichten und vielmehr gleich 
n die Beratung des 8 108 einzutreten. Eine lange 
heschüfsordnungs⸗Eroͤrterung ergab sich über die ge⸗ 
daftliche Behandlung der mit der Regierungsvor⸗ 
age nicht in direltem Zusammenhange stehenden 
vzialdemokratischen Anträge; schließlich erklärte fich 
er Abg. Grillenberger bereit, an der Hand der 
degierungsvorlage die Anträge seiner Partei zu 
ormulieren. Bei 8 105 a Abs. 1 wurden besonders 
on Abg. Hitze Bedenken geltend gemacht, daß durch 
ꝛasselbe eine Verschlechterung des bisherigen Zustandes 
rzielt werde, waͤhrend dagegen sogleich eingewandt 
durde, daß die Fassung des Entwurfes nur die 
othwendige Folgerung der weiteren Bestimmungen 
es Entwurfs sei. Trotzdem wurde Absatzz 1 mit 
2 gegen 12 Stimmen aͤbgelehnt, Absatz 2dagegen 
hne vhne Widerspeuch angenommen. Ueber den 
106 b fand getrennte Beratung über den 1. und 
Absatß ftatt; dieselbe bewegte sich vorwiegend um 
ie don dem Adg. Hitze und den Sozialdemokraten 
leicherweise geforderie Ausdehnung der Ruhezeit 
en Sonntag auf 36 Stunden und an zwei 
ufeinanderfolgenden Feiertagen auf 60 Siunden; 
in Unterschied zwischen beiden Ausführungen be— 
eht nur insoweit, als Hitze den außersten Beginn 
et Sonntagsruhe auf Samstag 8 Uhr verlegen 
vill während Abg. Bebel 6 Uhr verlongt. Nach 
mer langen Beralung ward unter Annahme eines 
XC Schmidt⸗Elberfeld (fortschriitlich) und 
ͤnle (Volkspartei) der Anitag Hitze in folgender 
assung mit 13 Stimmen angenommen: „Die den 
sebeitern zu gewaͤhrende Rute hat für jeden Sonn⸗ 
der Feftiag mindestens 80 Stunden, für das Weih⸗ 
ahts⸗ Neujahrs Oster⸗ oder Pfingsfest 60 
wunden, in sonstigen Fullen fur zwei aufeinander⸗ 
hende Sonn- und RFestlage AsSiunden u 
auern. Die Ruhezeit hat am vorhergehenden Werk⸗ 
r tübeftens um 6 ühr abends,spatestens vm 
Uhr zu beginnen.“ 
rLerlin, Juni. Die Arbeiterschunh- 
unmnis szon des Reichstages sehte ihre gestern 
V Berathung über die Feiertageruhe im 
n elsfiande (F 105 Ab. 2 der Voriage) fori. 
Iee verschiedenen Ausstellungen erliätt der 
sd Handelsminister, vom Reiche koͤnne der 
— an Sonn⸗ und Feiertagen nicht be⸗ 
* werden, das müfse der Landesregierung 
* ssen bleiben. Die Kommission nahm die Be⸗ 
duger der Vorlage über die Sonntagsruhe 
— mit einem Zusatze an, wonach 
en Ofstertag, ersten Pfingsttag, ersten Weih— 
aag jedwede Thätigkeit im Handelsgewerde 
c— 8 
derlin, 4. Juni. Der baherische Minister 
nnern Fror. d. Feilißsch lanat bier vut 
zweiten Lesung der Gewerbeno velle an, um 
die Autorität seiner Regierung gegen etwaige über 
zie Regierungsborlage hinausgehende Beschlüsse des 
Reichstages in die Wagschale zu legen. 
Berlin, 4. Juni. Die Erboͤhung der Ge⸗ 
hälhter der Reichsbeamten erfordert nach 
der Vorlage der Reichsregierung eine Mehrausgsbe 
»on 20 Millionen Mark. 
Berlin, 4. Juni. Das Abgeordneten— 
haus beendete heute die zweite Lesung des Sperr⸗ 
zese tzes. Nachdem alle Anträge abgelehnt waren 
vurden Artikel 1A und 3 der Regierungsvorlagt 
mgenommen. Artikel 8 wucde in einer vom Abg. 
hobrecht vorgeschlagenen Fassung angenommen 
der Rest der Vorlage gemäß der Regierungsfassung. 
Die eingelaufenen Bittschriften wurden durch Be— 
chlußfassung für erledigt erklärt. — Die heutige 
ßeneralversammlung der deutsch⸗ostafrika— 
nischen Gesellschaft beschloß einstimmig die Ausgabe 
„on 3 Millionen Vorzugs⸗-Anteilen zu je 1000 
Mt. mit der Maßgabe, daß den bisherigen Anteils⸗ 
Inhabern ein Bezugsrecht auch auf die Neu-⸗Ausgabe 
ustehen soll. 
Hamburg, 83. Juni. Um 6 Uhr fand in 
der Villa des Bürgermeisters Petersen in Othmar⸗ 
schen ein Diner zu Ehren des Fürsten Bis marid 
und seiner Familie statt. Um 101, Uhr erfolgte 
zie Rückfahrt nach Friedrichssruh. Der Fürß 
rug die Kürassieruniform und sah sehr wohl aus 
Bismard's Besuch is nach der Frkf. Zitg.“, die 
Folge einer Einladung des Bürgermeisters Petersen. 
Der Fürst, der in Begleitung seiner Soöͤhne Herbert 
und Wilhelm, sowie Lothar Buchers und Dr. 
Chrysanders erschien, trug Kurassieruniform mit 
dem Orden pour le mörite. 
Posen, 4. Juni. Zum Verwalter der Did⸗ 
zese Gnesen bis zur Ernennung eines neuen 
Frzbischofs wurde heute in der Gnesener Kathedrale 
ver Domherr Kraus gewählt. 
Auslanud. 
Bern, 4. Juni. Der Nationalrat ge— 
aehmigte, Volksabstimmung vorbehalten, die Ein⸗ 
ührung der Kranken⸗ und Unfallver—⸗ 
jich erung auf dem Wege der Gesetzgebung. — 
Der neue deutsch⸗schweizerische Nieder⸗ 
lassungsvertrag tritt am 20. Juli 1890 
in Wirksamkeit und bleibt bis 31. Dezember 1900 
in Kraft. Die Auswechselung der Ratifikations⸗ 
urkunde soll bis spätestens 10. Juli in Bern statt⸗ 
inden. Artikel 2 lautet wörtlich: „Um die im 
Artikel 1 bezeichneten Rechte beanspruchen zu können, 
nussen die Deutschen mit einem Zeugnis ihrer Ge⸗ 
sandtschaft versehen sein, daß der Inhaber die 
deutsche Reichsangehoörigkeit befitzt und einen unbe⸗ 
scholtenen Leumund genießi.“ 
Paris, 4. Juni. Der Herzog von Or⸗ 
weans erhielt gestein Abend 10 Uhr durch den 
Befängnisdirektor in Clairvaux Nachricht von seiner 
Begnadigung. Er dankte diesem für seine Liebens⸗ 
vurdigkeit und drückte im Anschluß daran sein 
Bedauern darüber aus, daß es keine Berufung 
jegen die Begnadigung gäbe. In Begleitung der 
derzogin von Luynes reiste der Herzog dann nach 
Zasel ab, von wo er dann heute Abend nach 
Zruͤssel reist und den König Leopold besucht. Er 
jeht dann nach Antwerpen, wo er den Grafen 
jon Paris erwartet und wird sich hierauf nach 
e ngland begeben. Die Freilassung hat hier nur ge⸗ 
inges Aufsehen erreat. In den Wapdelgängen der 
25. Jahrg 
stammer sprach man diel davon, fast alle Repu⸗ 
blikaner billigten die Maßregel. 
Paris, 4. Juni. Heute kam der Prozeß 
zegen den Marquis Morès und seinen Genossen 
Vallse zur Verhandlung, die unter der Anklage 
slanden, einen nicht bewaffneten Auflauf verursacht 
zu haben. Der Marquis hatte zu diesem Zwecke 
eine Million Anschlagzettel drucken lassen. Der Ge— 
richtshof verurteilte den Marquis zu 3 Monaten, 
Valloͤe zu 1 Monat Gefängnis. — Immer sicherer 
yerlautet, daß die russischen Terroristen 
anicht Apparate für einen sogleich auszuführenden 
Mordanfall vorbereiteten, sondern verschiedene Arten 
rprobten, um für künftige Unternehmungen den 
virksamsten Sprengstoff in möglichst geringer Größe 
herzustellen. Ein Beamter des Kriegsministeriums 
ibersetzt die Papiere der Nihilisten, er ist in einem 
Zimmer des Justizpalastes eingeschlossen und darl 
mit niemand verlehren. 
Pest, 4. Juni. Der den Delegationen 
unterbreitete gFemeinsame Voranschlag be— 
ziffert als ordentliches Erfordernis 116523 548 
als außerordentliches 16402 339, als Gesamter—⸗ 
fordernis 132 955 887 Gulden. Von dem außer⸗ 
ordentlichen entfallen 14450 439 Gulden auf das 
Heer, 1860 500 auf die Marine. Nach Abrechnung 
der Zollgefällseinnahmen, präliminirt mit 40669 500 
Bulden, verbleibt ein Netto⸗Erfordernis von 
92 256 387 Gulden. Die bosnische Zivilderwaltung 
hat einen Ueberschuß von 51501 Gulden. 
Belgrad, 4. Juni. Gestern fand ein blutiger 
Zusammenstoß an der serbischen Grenze 
zwischen Arnauten und Ser ben statt. So—⸗ 
wohl türkischer⸗ als serbischerseits griffen Truppen 
in den Kampf ein. Beide Regierungen ordneten 
elegraphisch Untersuchungen über den Thatbe⸗ 
Jand an. 
Lorle und pfälzische Nachrichten. 
* St. Inabert, 6. Juni. Der gestrige 
Frohnleichnamstag, welchen ein wunder— 
choͤnes Wetter auszeichnete, wurde in unserer 
Stadt wie alljährlich, nach dem Vormittagsgottes⸗ 
dienst in der kath. Kirche, durch eine Prozesfion 
gefeiert, an der die Betheiligung eine außerordent⸗ 
iche war. Der Zug stellte in seinen verschiedenen 
Zruppen ein prachtvolles Bild dar. Die Schul- 
ugend eroöͤffnete denselben, und schlossen fich dann 
in langen Reihen einige Vereine mit Fahnen an, 
erner die Bergleute und Feuerwehrleute in Uni⸗ 
orm, sowie der Hüttenverein und eine große Zahl 
onstiger Theilnehmer, waͤhrend das Ganze durch 
mehrete Gruppen weißgekleideter Mädchen unter⸗ 
zrochen ward. Außer der Bergkapelle erhöhie auch 
die Kapelle des Hüuttenvereins die Feier. welche 
außerdem das Geläute der Glocken und Böller⸗ 
chüsse begleiteten.. Im schoͤnsten Schmuck von 
Fahnen, Kranzen und Blumen zeigten fich die 
Steaßen, und besonders die Altäre waren auf das 
drächtigste ausgestattet. 
* St. Ingbert, 6. Juni. Gestern hatten 
wir infolge der überaus günstigen Witterung eine 
zroße Menge auswärtiger Besucher in unseren 
Mauern und war ein lebhafter Verkehr auf den 
Straßen. Nur Nachmittags 2 Uhr ging infolgt 
»ines Gewitters ein kurzer Regenschauer nieder. 
velcher die Temperatur zu einer sehr angenehmen 
nachte. So konnten denn auch in den Wirth—⸗ 
chaftsgärten die angekündigten Konzerte stattfinden, 
von denen eines, im Café Becker, zum Besten det 
neuen katholischen Kirche gegeben wurde. Der