Full text: St. Ingberter Anzeiger

hatten die Angeklagten rechtzeitig Einspruch 
vunden Einspruch damit begründend, daß fie 
—*— Dieh führten und infolge des flörrigen 
ß geradezu in Lebensgefahr schwebten. Durch 
ueen wurde jedoch, wie die „W. 8.“ aus 
ve sHoͤfengerichtssihung vom 273. Juni berichtet. 
der 3 pöllig erbracht, daß die Angeklagten in 
offentliches Aegerniß erregenden empdrenden 
v s fragliche Rind mißhandelt hatten. Auf 
*. dessen wurde der Einspruch für unbegründet 
—* uünd abgewießen. Der Angeklagte Bickel 
era außecdem wegen ungebührlichen Benehmens 
r Gerscht trotz aller Bitten zu 12 Stunden Arreft 
nhein und sofort abgeführt. 
'utm, 29. Juni. Munster fest. An dem 
zeute im Rathssaale stattgehabten Galadiner 
ve * Theil: Prinz Friedrich Lropold von Preußen, 
— und Prinzessin Wilhelm von Würitemberg, 
Arnulf von Bayern, Prinz Bernhard von 
hemar, der Furst von Hohenzollern Staatsmini⸗ 
* Irhr. bd. Mittnacht, der preußische Kultusmi⸗ 
net v. Goßler, die Generalität, die Staatsmini⸗ 
ar ec. Die Zahl der Gedecke betrug 82. Ober⸗ 
agermeister Heam brachte den ersten Toost auf 
in Kaiset, den Koöonig und die Königin von Würt⸗ 
nberg und den Prinz Regenten von Bahyern aus. 
Az Vertreter des Kaisers erwiderte Prinz Friedrich 
ohold auf, den Toast des Oberbüurgermeisters, 
indem er versicherle, der Kaiser nehme mit seinem 
phen Verbundeten, dem Könige von Württemberg, 
n lebhaftes Intesse an dem herrlichen Münsterbau. 
Zeine Königliche Hoheit toastete auf die Stadt Ulm 
in das wuͤrttembergische Land. 
rMunchen. Se. Kgl. Hoh. der Preinz⸗ 
tegent widmet der Turnkunst seine be—⸗ 
sondere Aufmerksamkrit. So hat. Hochderselbe, 
achdem er am Samstag die Heimstätte des „Turn⸗ 
ztein München“ besucht hatte, heute Vormittag 
(0 Uhr die kal. Zentral-Turnlehrerbildungsanstalt 
n der Ludwigsstraße mit seinem Allerhöchsten Be— 
zuche beehtt Und mit besonderem Interesse eine 
ungere eingehende Besichtigung der Anstalt vorge⸗ 
nommen und seine Allerhöchste Anerkennung 
üͤber die Leitung, Einrichtung ⁊c. derselben aus- 
esprochen. 
Köoln, 29. Juni. Einen guten Fang 
nachten gelltern Poller Fischer, indem sie einen 
ztör im Gewichte von 400 Pfund aus dem 
kheine hoben. Der Riesenfisch tummelt sich gegen⸗ 
vaͤrtig in einem Bassin in der Nahe von Voll. 9 
Stunde von Deutz. 
fBern, 1. Juli. Heute wurde die Tou⸗ 
tistenbahnInterlakenauterbrunnen⸗ 
Brindelwald dem Betrieb üdergeben. 
FParis, 1. Juli. Der Mörder Todable 
vurde heute Morgen in Larochette hingerichtet. 
f Rom, 1. Juli. Der Azige⸗Fluß ist in 
den Probinzen Sondrio und Bergamo au“ge- 
treten. Das Wasser hat im Verein mit Sturm⸗ 
wind großen Schaden angerichtet. 
fWien. Die Dummen werdennichtalle. 
Wenn man die Schwindeleien der Lehrerstochter 
kosa Weiser aus Winklern hört, die ste unter dem 
hamen einer „Baronin Trentinaglia“ ausführte, so 
»eiß man nicht, ob man mehr die Kühnheit dieser 
Baronin“ oder die Dummheit ihrer Opfer be⸗ 
undern soll. Trotzdem diese Person ganz mittellos 
Mt, hatte sie in Ro. 10 der Grünethorgasse eine 
Bohnung, deren Einrichtung einer Prinzessin von 
debdlüt würdig gew sen wäre, inne, waren ja doch 
elbst gewisse unentbehrliche Gegensiände, die sonst 
uus Porzellan gemacht werden, aus massivem Sil⸗ 
et. Eigenen Haushalt hielt sie nicht, ließ viel- 
nehr alle Speisen für sich und ihre „Dienerschaft“ 
uuf Pump bei einem Restaurateur deziehen, das 
loubert mit Wein fur sich seldst zu 8 Guiden, für 
Aie Dienerschaft zu ) Guiden. Ihr Leidfiaker, der 
ie täglich mehrere Stunden im Prater spazieren 
ebenso ihr „Leibarzt“, der sie in der Stadt 
glich zweimal und waährend ihres Sommerauf— 
ieans in ihrer „eigenen“ Villa zu Baden täg- 
gy Mal besuchen mußte, warten noch auf ihre 
do ung. — Die „Frau Baronin“ sah auch 
moe fre udigen Familien- Ereignißz entgegen, welches 
zzt allerdings im Gefängnis erleben wird, zu 
den die Wäscheausstattung für 1800 Gulden 
* gest ppie Seidendamastdece mit dem Wap⸗ 
9— er Trentinaglia zu Montfactor für 800 
en noch zu bezahlen sind. Die Villa in Baden 
nden einer Frau Schaade, natürlich ohne einen 
4 nig Anzahlung, gekauft worden und sollte zur 
nahme eines Hypolhekaranleihens benützt werden, 
bei dessen Unterhandlung die „Frau Baronin“ als 
XLVV 
aßt wurde. Das in ihrer Villa beschlagnahmte 
Nobiliar und Silbergeräthe pon dem schon der 
zrößte Theil wegen Mangels an Kleingeld in's 
ßfandhaus gewandert war, reptäsentirt noch immer 
zie hübsche Summe von 10,000 Gulden. — Wenn 
zies nicht alles amtlich konstatirt wäre, würde man 
s wohl als Erfindung ansehen. 
Musß das sein? Herr Georg Bischof, 
eines Zeichens Vagant, eine bekannte Wiener 
Zztraßenfigur, stand dieser Tage zum so und so 
pielteu Male vor Gericht. Zwischen ihm und dem 
stichter entspann sich folgender Dialog: Richter: 
Ja, Sie sind ja schon wieder da?“ — Angekl.: 
„Ja, seg'n S'! Muß das sein?“ — ‚„Gewiß 
nuß es sein; Sie scheuen jede Arbeit.“ — „Ja, 
nuß das sein, frag' ich? Ich hab' nie betrogen, 
nie gestohlen, i thu' keiner Katz' was!“ — „Sie 
vollen den polizeilichen Verfügungen nicht ge— 
jorchen und arbeiten nicht!“ — „Aber ich thu' 
a Keinem nix, ich thu net amal betteln, ich ver⸗ 
— 
istẽ Wovon leben Sie?“ — „Ja, das wissen 
zie Herren net? Von der Lotterie leb' ich, von 
)er Lotterie. Das ist ja bekannt!“ — ‚Wie 
neinen Sie das?“ — Nu, ich thu' immer 
'winnen!“ — „Immer?“ — Zerde zweite, 
jöchstens dritte Ziehung, da ist meine rechte Hand, 
sch wet“ mit Ihnen, Herr Richter, daß ich ge⸗ 
vinne, Sie können mit mir in Kompagnie setzen!“ 
— Ich dank' schön! ... aber ich wundere mich 
aur, daß Sie bisher kein reicher Mann geworden 
sind.“ — „Ich verzehr' Alles, daß' 8 Geld unter 
die Leut' kommt, ich hab' mir gestern erst was 
hzergunnt, hab' an' Rausch 'kriegt und richtig ham 
mich gleich wieder eing'spertt ... aber zu 
was, frag' ich? Immer einsperren! Muß das 
sein? — Ich verzehr' ja mein eigen Geld! Ich 
tiehl nix, ich thu' nix, also zu was das Ein— 
perren?“ Das Urtheil lautete auf zwei Monate 
trengen Arrest; gleichzeitig wurde die Eignung 
für die Zwangsarbeitsanstalt ausgesprochen. — 
Angekle: „Muß das sein?“ — „Richter: „Siel⸗ 
len Sie keine Fragen, sondern erklären Sie, ob 
Sie die Strafe annehmen!“ — „In Gottes 
NPamen! Aber auf vierundzwanzig Stund' lassen 
5 mi aussi, Herr Richter, daß i wenigstens in 
»ie Lotterie setzen kann!“ — Diesem Wunsche 
purde nicht entsprochen und so ist das Lottodrar 
wei Monate hindurch vor einer Sprengung ge⸗ 
hützt. 
F Neue Erfindunng. Kürzlich wurden mit 
inem sogenannten Telegoniometer von Marzi sehr 
nteressante Versuche auf der Jasel Caprera ausgi- 
ührt. Eine schwere 28 Centimeter Haubitzen-Batterie, 
velche sich in der Thalsohle durch einen vorliegenden 
Zerg vom Meere getrennt befindet, schoß auf zwei 
Schiffe. Zwei Offiziere, der eine rechts, der andere 
inks von der Batterie, beobachteten von der Kuppe 
us mit Fernrohr die Bewegungen der Schiffe. 
Mit jedem der Fernrohre war der Telegoniometer 
elektrische Leitung) verbunden und zu der feuernden 
Zatterie geleitet, wo dann ohne weiteres der Stand- 
zunkt der Schiffe und gleichzeitig damit die Rich⸗ 
ung des Rohres sowie die Erhöhung (bezw. Ent⸗ 
ernung) bestimmt werden konnte. Es können auf 
iese Weise feindliche Schiffe aufs Genaueste be⸗ 
chossen werden, ohne daß die Batterie, von welcher 
naa nicht genau weiß, woher die Schüsse kommen, 
inter Feuer genommen werden kann. Bei den Ver; 
uchen, die unter Admiral Labrano stattfanden, ver⸗ 
ehlte nicht ein einziger Schuß sein Ziel. 
FNew⸗-PYork, 1. Juli. Ein furchtibarer 
A 
S„taates Kentucky. In Demesses wurde eine 
Negerkirche vollständig zerstört; das Dach brach 
waͤhrend des Gottesdienstes zusammen. Bis jetzt 
wurden 6 schwer Verwundete und 3 Todte aus 
den Trümmern gezogen. — In Santa Rosa, Ka⸗ 
ifornien. wurden 3 Erdstöße verspürt. 
Gemeinnüutziges. 
Kalte Waschungen. Viele Menschen befinden 
ich nicht in der glücklichen Lage, ein besonderes 
Badezimmer in der Wohnung zu haben, oder ein 
olches sich einrichten zu können. Ganz braucht man 
indessen bei einigem guten Willen die Wohlthat des 
Badens im Hause nicht zu entbehren. Man läßt 
ich von einem Klempner eine kreisrunde Scheibe 
nus Zinkblech, mit einem 3 em breiten hochstehenden 
stand machen, welche 1Im im Durchschnitt breit 
ist. Diese riesige, jedoch leichte Waschschüssel stellt 
man auf den Fußboden hart an den Waschlasten, 
chützt denselben vor dem Naßwerden durch ein 
herabhängendes Handtuch, stellt auf dasselbe die 
Porzellanwaschschüssel mit kaltem Wasser, und sich 
selbst auf die Zinkplatte, worauf man sich nun 
mit einem großen Badeschwamme tüchtig mit Wasser 
aus der Porzllanschüssel überschütiet, wel ves sich 
anten in der Zinkplatte sammelt. Hierauf tritt man 
auf eine daneden liegende Strohmatte und hüllt 
ich in einen Bademantel von Kräuselstoff, mit dem 
nan sich nun füchtig abreibt. Es ist anfangs nicht 
nanz leicht, die Zinkschüssel zu entleeren ohne den 
Fußboden zu begießen. Man hebt sie mit ausge⸗ 
reiteten Armen mit einem schnellen Ruck auf den 
Toiletteneimer und leert sie langsam aus, worauf 
ie unter die Beftstelle geschoben wird. Vor allem 
st jedem, der sih den ganzen Korper wäscht, die 
iachherige Benutzung eines Bademantels aus Kräusel⸗ 
toff anzuraten. Es ist unglaublich, wie rasch man 
abei warm wird. 
Gebt Kindern keine Spirituosen. In einer 
der litzten klinischen Vorlesungen des Professors 
stothnagel zu Wien wurde ein zehnjähriger Knabe 
nus Pest vorgestellt, welcher ein im Kindesalter 
elten vorkommendes Krankheitsbild, eine Leberverhärt- 
ing mit hochgradiger Gelbsucht aufwies. Der Vater 
des Kindes, welcher bei der Vorlesung gegenwärtig 
var, erstaunte nicht wenig als Hofrath Nothnagel 
ziese Krankheit, wie die „N. Fr. Pr.“ mittheilt, als 
Folge des übermäßigen Altoholgenusses darstellte. 
Der Knabe hatte zugestanden, daß er schon im 
zierten Lehensjahre mit seinem älteren Bruder 
seimlich einen Schrank zu öffnen und rglich ziem⸗ 
iche Mengen verschiedener Liköre und Cognacs zu 
ich zu nehmen pfligte, außerdem auch noch wegen 
eines schwachen Körpers Rothwein zu trinken be⸗ 
am. Hofrath Nothnagel hob gelegentlich dieses 
Falles hervoc, wie schädlich für den kindlichen Or⸗ 
janismus Alkohol sei und wie irrig die Ansicht mancher 
Aerzte und Laien über den Werth geistiger Getränke 
ei, welche sich nicht scheuen, zur Kräftigung der 
Zinder Wein und Bier oder Cognac zu brauchen. 
Die Erfahrung lehre, daß man bei der Ernährung 
)es Kindes am besten die geistigen Getränke, sowie 
Taffee, Thee und Chokolade bis zum 14. Lebens⸗ 
'ahre vermeide und fich auf Milch, Wasser, sonstige 
träftige Ernährung und gute frische Luft beschränke. 
Dieses Verfahren müsse umsomehr strenge befolgt 
verden, als heutzutage schon frühzeitig durch die 
moderne Erziehung auf die Gehira⸗ und Nerven⸗ 
hätigkeit der Kinder so heftig eingestürmt werde, 
»aß eine jede weitere Reizung dieser Organe zu 
rankbaften Zuständen führen müsse. 
Familiennachrichten. 
Gestorben: In Kaiserslautern Anna Maria 
Adelmann geb. Eislein, 87 J. a.; in Neustadt 
dudwig Langenbacher, 51 J. a.; in Nußdorf 
datharina Uebel geb. Siübinger, 82 J. a.; in 
Ludwigshafen a. Rh. Gg. Mich. Röhrig, pens. 
Zugführer, 73 J. a.; in Weisenhem a. Sd. Eduard 
Zeiffenstein; in Oggersheim Karolina Kappelmann 
neb. Müller, 59 J. a. 
SchiffsNachricht. 
Mitgetheilt von J. Jost in St. Ingbert.) 
Das Hamburg⸗-New-NYorker-Post⸗Dampfschiff 
„Susebia“, Kapitän Ludwing, von der Ham— 
zurg⸗Amerikanischen⸗Packetfahrt⸗Aktien-Gesellschaft in 
damburg, ist am 29. Juni 12 Uhr Mittags wohl⸗ 
debalten in Pew⸗-NMNark ondekommen. 
Neueste Nachrichten 
Haag, 1. Juli. Der Kammer ist ein Gesetz- 
entwurf zugegangen über die Ableistung 
der persönlichen Militärdbflicht. Nur 
Brüder können einander vertreten; die Dienstdauer 
st sechsjährig für die Marine, achtjährig für das 
Zeer, fünfjährig für die Landwehr; Geistliche find 
ienstfrei. Auf Kriegsfuß umfaßt das Heer 116,000 
Mann. Das Heeresbudget erhöht sich jährlich um 
1,322,000 Gulden. 
Christiania, 1. Juli. Ein Dampfer mit 
dem Festausschuß der städtischen Behörden ging um 
111/ Uhr ab, um den deutschen Kaiser auf 
offener See zu begrüßen. In den Straßen herrscht 
dereits reges Leben. Die Häuser sind reich beflaggt 
und mit Laubgewinden geschmückt. Der Fremden⸗ 
ufluß ist seht bedeutend. 
Fuür die Redaktion verantwortlich: F. X. Demeßs. 
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