St. Ingberler Anzeiger. der St. Ingberter A nzaiger (und das mit dem Hauptblatte verbundene Unterhaltungsblatt, mit der Dienstags-, Donnerstags und Sonntags⸗ Vummer) erscheint wöchentlich v iermal: Diensta g. Donner stag, Samstag und Sonntag. Abonnementspreis vierteliährig 42 Krzr. oder 12 Silbergr. Anzeigen werden mit 8 Arzr. die dreispaltige Zeile Blatischrift oder deren Raum berechnet. ————— ——— — —t — — — — — — — G — — Rr. —157. Don nerstag, den 7. Oetober 1869 Deut schlaud Mänchen, 1. Oct. Eine eigenthümliche Erscheinung, die —XX Verhältnisse sind, ist die That⸗ ache, daß an der Spitze der ultramontanen Partei, die mit aller Macht an dem Sturze des Ministeriums arbeitet, drei Minifsterial⸗ Ahe: die HH. Dr. Weis, Diepolder und Meirner, stehen. Be⸗ sanntlich ist bei uns in Vayern ein Ministerialrath trotz seiner sehen Stellung doch nur Hilfsarbeiter seines betrefsenden Ministers, at desseu. Befehlen er sich bei seinen Referaten zu richten hat. Man sollte nun meinen, die Herren müßten selbst fühlen, welche nwürdige Rolle sie spielen, wenn ste heute die Prinzipien und die handlungen bekämpfen, zu deren Durchführung sie gestern selbst ihre geistige Kraft aufbieten mußten. Wir wolln nicht untersuchen, wer an diesen ungesunden Zuständen Schuld trägt, aber das müs⸗ sen wir aussprechen. daß sie mit wortreicher Energie auf dem Papiere nicht gebessert werden. Bayern steht vor einer Qrife, die aut dann zum Guten gewendet werden lann, wenn die Regierung den. Muth gewinnen und den Ekel überwinden kann, die Eiter⸗ beulen auszuschneiden, die das Gift des Ultramontanismus am Staatslörper hervorgerufen hat. — Wir verlangen nicht Gewalt⸗ naßregeln, aber wir erwarten, daß die Regierung Gegnern, denen lein Mittel zu schlecht und perfid ist, wenigstens mit. den gesetz ichen Miiteln entgegentrtie. Münqen, 3. Oct. Das zwischen Zollbundraths und dem Zollparlament vereinbarte Vereinszollgesetz, das mit dem I. Jan. 1870 in Kraft tritt, wird in den nächsten Tagen durch das Gesetzblatt publiciri werden. —sw Das Justizministerium hat angeorduet, daß bei jedem Bezirks zericht ein Regifter der Aktiengesellschaften, bei welchen der Gegen⸗ dand des Unternehmens nicht in Hardelsgeschäften besteht, und dei jedem Handelsgerichte gesondert je ein Register der eingetragenen Zenossenschaften und ein Register der registrirten Gesellschaften mit jeschraͤnlter Haftpflicht geführt werde. München 3. Oct. Der k. Staatsminister der Justiz, . Lutz, erhielt von dem König von Italien das Großkreuz des Ordens der italienischen Krone. — Herzog Maxrimilian in Bayern hat laut allerh. Entschließung vom 26. v. M. im Einverständniß nit seinen drei Söhnen ein Fideicommiß gegründet, wornach nach Berzichtleistung des Herzogs Ludwig Wilhelm, der zweitgeborne den, Herzog Carl Theodor, zum alleinigen Nachfolger be— inimt ist. München, 6. Oct. Soeben vor Beginn des achten Scrutiniums verlas der Alterspräsident der Kammer der Abge⸗ xxdneten ein königliches Decret, datirt aus Berg vom 6. October velches die Auflösung der Kammer verfügt. Die Auf dösung erfolgte unter Berufung auf Titel VII, g 23 der Verfas⸗ ungsurkunde, Die Neuwahl soll dem Vernehmen nach in kürzester Frist stattfinden. Dienstesnachrichten. Der Communal⸗Oberförster Arnold Martin in Rülzheim ist uuf Ansuchen in gleicher Eigenschaft auf das Aerarialrevier Stifts⸗ vald, Forstamts Kaiserslautern, versetzt worden. Berlin. Prof. Dr. theol. Holzmann in Heidelberg wird em am 6. October (gestern) zu Berlin tagenden Protestanten Berein folgende Thesen bezügiich der Schulfrage vorlegen: 1) Die vderste Leilung der oͤffentlichen Schule gehört dem Staat allein. Anzulässig ist daher jedes Eingreifen der kirchlichen Behörde als olcher in das Leben der Schule. 2) Dagegen sind bei der Zu— ammensetzung der Schulbehörden die Interessen der lirchlichen hemeinde so qut zu vertreten, wie diejenigen der bürgerlichen, oder die der Familien und die der Pädagogik. 8) Eine heilsame Ver⸗ zindung von Kirche und Schule bleibt aber so lange unmöglich, atz die kirchliche Gemeinde mit ihrem Rechtsanspruche auf eine elbstständige Veitung ihrer eigenen Interessen nicht durchgedrungen st. 4) Bärgerliche Gleichberechtigung der Staatsgenossen ohne Rücksicht auf die verschiedenen Belenninisse ist oberster Grundsatz miseres staailichen Sesellschaftslebens also auch Norm für die lusgestaltung des Schulwesens. 5) Die öffentliche Schule steht haher allen Bekenntnissen offen. Mit anschließend confessionellem Tharacter ist sie ein Widerspruch in sich selbst. Kirchenschulen, wo ie noch bestehen, können nur als Privatschulen gelten. 6) Der Hedante, die Religion aus der öffent lichen Schule auszuschließen, vürde sich nur als Mittel der Nothwehr gegenüber einer cultur⸗ eindlichen Macht der Kirche empfehlen. Wohl aber gehört die seligion als eine Bildungsmacht erster Größe durchaus zum hganzen der Volkserziehung und sollte namentlich verpflicht ender Interrichtsgegenstand der Vollsschule bleiben. 7) Politische, wie ädagogische Gründe wirken zusammen, einem solchen Untetricht den Eharacter confessioneller Vestimmtheit zu lassen. Deshalb nüssen bei confessionell gemischter Bevölkerung Schulen mit mehr⸗ jeitigem Religionsunterricht gesetzlich ermoͤglicht sein. 8) Der steligionsunterricht in der öffentlichen Schule soll das Wissen und »as Verständniß von der Religion, ihren Urkunden in der Geschichte bermitteln. Die Heranbildung der Jugend zur lebendigen Mitglied⸗ schaft bei einer besonderen Religionsgemeinde ist Sache des Con⸗ itmationsunterrichtes. 9) In Betreff der Lehrerbildung verwerfen vir jede Art von theologischer Vereinseitigung und kirchlicher Dres⸗ sur. Wir verlangen statt systematischer Hetabdrückung derselben, baß unsere Volksfchullehrer religiössiitliche Charackere und durchge⸗ hbildete Padagogen seien, welche die volksthümlichen —A essen der Zeit zu. wardigen und in ihrem Theile zu förd ern vissen. — 1* Frankreich. Paris, 2. Oct. Einflußreine Persoͤnlichteiten, sogar aus zonapartiftischen Kreisen, sind bemüht, den Kaiser zur Vorlage eines Gesetzes zu bestimmen, wodurch das frühere Gesetz, welches die Familie Orleans aus Frankreich verbannt, aufgehoben verden soll. Der: ,„Gazette de France“ zufolge führt die Kaiserin auf ihrer Reise einen ganzen Koffer vo Hecorationen mit sich. Es befinden ich darunter die für die Seeleute des Geschwaders der Levante hestimmten Orden; die für die hohen Würdenträger in Konstan⸗ inopel; für die egyptischen Würdenträger in Caito; die für die Tanalatbeiter und endlich das Großband der Eyrenlegion für derrn v. Lesseps. Italien. Florenz, 4. Oct. „Nazione“ glaubt, die lonigliche Famiue werde die spanische Krone für den Herzog von Genua ur annehmen, wenn die Wahl der Cortes durch ein Plebiscit der Nation bekätigt werde. Rep m, 24. Sept. Prinz Otto von Bahern, des Koniss Bruder, ist, wie man der „streuzztg.“ schreibt, hier von Seiten des römischen Hofes mit ganz besonderen Ehren empfangen worden. Nicht allein, daß sich sofort nach der Ankunft der papstliche Kam⸗ mermeister, Monsignore Ricci, bei ihm einfand und ihn im Namen des Papstes willtommen hieß, sondern auch der Cardi nal⸗ Etaats⸗ ecretär Antonelli machte ihm sofort seinen Besuch, was hier sonst sur bei Kaisern, Konigen und deren Gemahlinnen geschieht. Am Tage nach feiner Ankunft wurde der Prinz vom Papft selbst empfangen; die Unterredung soll sehr herzlich gewesen sein, die Poli⸗ ik aber gar nicht berührt haben; der Papsft betonte es aber zwei Mal, daß die Mutter des Prinzen eine Prinzefsin aus dem glorreichen dause Brandenburg sei. Nach der Unierhaltung stellte der Prinʒ zem Papste die Herren seines Gefolges vor. Als der Prinz sich veim Paͤpfte rerabschiedet hatte, stieg er sofort zum dritten Stod⸗ verck hinauf und machte dem Cardinal Antonelli seinen Gegenbesuch; dier aber soll die Unterredung sofort einen scharf politischen Charak⸗ er angenommen haben. In sehr artiger Weise, aber mit großer Zchärfe tadelte der Prinz die Sprache der Röoömischen Correspondenz gegen den dayerischen Minister Fürjten Hohenlohe. Der Cardinal · S‘natssekretär beklagte aufs Tieffte diese Sprache uud erklärte in