Unterhaltungsblatt M St. Ingberter Anzeiger. Xr. 21. Sonntag, den 12. 5 1834. Eord Xyle. Nach dem amerikanischen Originale des Charles T. Manners. Frei bearbeitet von Lina Freifrau v. Berlepsch. Ombs. Fortsehung) Graf Lubin war ruhelots und ergrimmt, weil es ihm nicht gelang, Genevra's Aufent- haltsort zu erfahren. Zephyr hatte er inzwischen nicht wieder besucht. Er haßte die leidenschaftliche Jtalienerin nun eben so maßlos, als sie ihn liebte. Zudem vetrieth fie in letzter Zeit bestän⸗ dige Neugierde, forschte nach qllen seinen Handlungen und drängte immer heftiger auf Rückkehr nach Sicilien. All das erbitterte ihn um so mehr, als er wußte, daß er sich nicht von ihr losmachen könnte; daß fie über kurz oder lang sein Thun und Lassen erfahren werde — und er beschloß eine furchtbare That. Die Tanzerin sollte aus dem Wege ge⸗ caͤumt werden, damit sie ihn nicht gelegentüch bloß stelle. Am gleichen Tage, da Lawrence Lloyd sich von unsäglichem Kummer befreit sah, schlug Graf Lubin wieder einmal den Weg nach Zephyns Wohnung ein. Im Westentäsch chen barg er ein kleines Schaͤchtelchen, das feines, weißes Pulver enthielt. Auf demselben desand sich noch die Etiquette des Apothekers und Zephyrs Name. Ein teuflisches Lächeln überflog des Grafen Züge, als er die Tirag⸗ weite dieses Umstandes erwog. Kleine Ursachen bedingen oft große Wirkungen, befonders, wenn es fich um die Beweiskette begangener Berbrechen handelt. Allerdings hatte das Schächtelchen erst ein unschuldiges Pulder ent⸗ halten, wer aber konnte behaupten, daß die leidenschaftliche Italienerin dessen Inhalt nicht vertauscht? Ferner enthielten seine Taschen orgfältig gewählte Kritiken aus öffeutlichen Blättern, voll des Lobes und Beifalls der inzwischen eingetroffenen btereichischen Tänzerin, die nun des Publikums schnell weqfelude Bunst dehertfchte. Hie und da fanden sich ein— zelne Worte durchstochen, wie von der Nadel einer zürnenden Frau. Derlei Umstände schienen eine Beweiskette zu liefern, über die Graf Lubin grimmig lächelte. Zephyr war zju Hause, fie war eben beschaftigt, einen großen Koffer zu packen. „Run, was soll das heißen 7 lachte er. „Erinnerst Du Dich endlich doch, daß ich —— heißen, daß Du morgen nur leere Wande gefunden hättest·· „Du wärest also gegangen, ohne ein Wort des Abschiedes 8 fragte er mit dem alten falschen Tone. Sie zucte verächtlich die Achseln. Nein, Herr Graf, nicht gerade ohne Abschied.“ Was willst Du damit fagen, Zephyr ? „Jon hat eine Karte bereit, um fie beim Tonsul abzugeben, und eine andere jür Ge⸗ nevra Lloyd, die Tochter des groken Banquier. Graf Lubins Karte in's Jialienische Uber- seßt.“ Und sie lachte laut und lagg. Sein Herz klopfte, aber er wußte, daß er seine ganze Verstellungskunst aufbieten mässe