Unterhaltungshlatt zum St. Ingberter An zeiger.— Nr. 63. Dienstag, den 80. Wrai Die Brüder. Original⸗Nodelle von Ewald August König. Am nächsten Morgen fuhren die beiden Berbündeten mit dem ersten Eisendahnzuge ‚on Havre ab und schon am Abend des weiten Tages trafen fie in der Heimath des Foörsters ein. Nichts ist geeigneter, den Geisft u schärfen, die Gedanken auf einen Punkt zu encentriren, als der Durst nach Rache. Kraus jatte wührend der beiden Tage der Reise an uichts Anderes gedacht; die Gelegenheit, den daß, den er seit frühester Kindheit im Herzen rug, zu befriedigen, war gekommen, er wollte ie benutzen. Als der Bruder geboren wurde, Jubie er ihm die Liebe der Eltern, jener sieb der Liebling, et der Sündenbock. Der iusgelassene Uebermuth der Jugend zeigte sich veiden Söhnen, der ältere wurde für eden tollen, unschuldigen Streich, den er be⸗ zing, gezüchtigt, und man nannte das dem üngeren ein warnendes Beispiel geben; Georg dagegen durfte sich Alles erlauben, seine Un⸗ zezogenheit fand man reizend, die Mutter ent⸗ schuldigte sie, und der Vater dachte nicht daran, den Liebling zu bestrafen. Der Haß ichlug seine Wurzeln tiefer und tiefer, er xiumphirte, als Georg Ehre und Freiheit oerlor. Jetzt hatte Hugo Grund, der Mutter zu sagen: „Sieh, ich bin doch besser als ener, den Ihr mir stets. vorgezogen habt, setzt kommt die Reue zu spät, meine Liebe hast Du von dir gestoßen, weil sie in Deinem Herzen nicht mehr Raum fand.“ Vielleicht dürde der Haß sich befriedigt haben, Georg dar ein Ensehrter, ein Paria, konnte er noch iefer sinken 7 Aber die Flucht, die gluctichẽ Ankunft in Amerika stachelten den Haß wiedet f Druden tannte man den Vekbͤrecher nicht, (Fortsetzung.) Der Matrose strich das Geldstüch, welches Zraus auf den Tisch warf, ein, und las ziemlich geläufig dieselben Worte, welche der— Förster schon einmal gehort hatte. Dhne ein Wort zu sprechen, stand Kraus auf, er nahm dem Matrosen den Brief aus der Hand, steckte ihn in die Tasche und ging hinaus. Als er nach Ablauf einer halben Stunde zurückkehrte, lag noch immer dieselbe Ruhe auf seinem Antlitz, aber das Zittern —E Blick seiner Augen und der heisere Ton seiner Stimme bewiesen deutlich, daß diese Ruhe eine erkünstelte war. „Ich habe mich mit dem Schiffsmakler oerständigt,“ sagte er, „morgen früh reise ich zurück. Liegt Euch daran, meinen Bruder zu inden, so rathe ich Euch, mich zu begleiten; ch begreife nicht, wo ich meine Sinne halte, daß ich ihn nicht erkannte n.. „Ihr glaubt? IIch weiß,- daß der Baron von Westen und der enllaufene Zuchthäusler ein und die⸗ selbe Person sind, besser wäre es gewesen, ich hätte das schon früher entdeckt.“ „Was wollt Ihr beginnen ?* ftagte der Ameritaner, dem die Ruhe und der funkelnde Buck des Forsters Entsetzen einflötzten. — Der Verbrecher gehört ins Zuchthaus,“ entgegnete Kraus gelassen, „es ift Pflicht eines Jeden, darauf zu achten, daß die Wölfe von den Schafen abgesondert werden!“ *8