mustern und zu berechnen, wie viel der Erlbs aus diesen ihr jetzt entbehrlichen Gegenständen betragen werde. Sie glaubte, der Betrag werde hinreichen, die Pacht für das erste Jahr zu zahlen, Bölling war ein tküchtiger Landwirth, sie wollte eine fleißige, sorgsame Hausfrau sein, es mußte mit besonderen Dinge zugehen, wenn sie es nicht mit der Zeit dazu brachten, das kleine Gütchen kaufen zu föhnen — Armes Kind! Sie bedachte nicht, daß nin der Reiz: der Neuheit sie Gefallen“ an der Arbeit finden ließ, daß die Zukunft ihr nur als ein Joyll mit Glacéhandschuhen, als ein Schäferspiel aus dem Zeitalter Ludwig des Vierzehnten vor Augen schwebte, daß, wenn jener Reiz geschwunden war, die nackte Wirk ⸗ lichkeit mit ihren strengen, ernsten Forderungen sie in die Vergangenheit zurückblicken lassen würde! Der Gedanke an den unverantwort⸗ lichen Leichtsinn des Gatten, der in einer Racht sein ganzes Vermögen den Launen des Glücks oder der Verwegenheit eines raffinirten Spielers preisgab, kam ihr jetzt nicht in den Sinn; wäre er in ihrer Seele aufgetaucht, sie würde ihn zurückgedrängt, den Gatten ent⸗ ichuldigt und die ganze Schuld dem Baron zugeschoben haben. Wie aber dann, wenn in späteren Tagen sie unmuthig und unzufrieden auf die Katastrophe zurückschaute, welche sie so plötzlich in den Strudel des Alltagslebens gestürzt hatte ? Ob sie wohl auch dann noch den Gatten entschuldigte? War es nicht wahrscheinlich, daß dann bittere Vorwürfe den leichtfinnigen Verschwender trafen? An die Möglichkeit einer solchen Sinnesänderung dachte Helene nicht, sie war ja noch ein Kind, ein heitres sorgloses Kind. — Sie hatte eben die Schränke und Schatullen wieder geschlossen, als Steffens eintrat und ihr meldete, der Baron von Westen wünsche ihr seine Auf—⸗ wartung zu machen. — Helene erschrack. Hattte Bölling ihr nicht gesagt, der Baron, der ihr in tiefster Seele verhaßt war, werde das Gut verlassen und erst nach acht Tagen zurück⸗ kehren? Ras wollte er noch hier? Weshalb verlangte er diese Unterredung? Hatte er vielleicht ihre Abneigung gegen ihn bemerkt und er kam jetzt, sich an ihrer Verlegenheit, an ihrem Gram zu weiden? Dezr letzte Ge— danke bewog sie, seinen Besuch anzunehmen. Er sollte sehen, daß fie gefaßt war, daßk sie dem Schicksalsschlage eine feste heitre Stirne bot. — Als Geoeg eintrat, mußte er die Ruhe, die wenn auch erzwungene Heiterkeit der jungen Frau bewundern. Sie lud ihn ein, Platz zu nehmen und setzte sich dann in ihren Fauteuil. „Sie haben eine Unterredung gewünscht,“ sagte fie ruhig, „reden Sie, ich höre, nur möchte ich Sie bitten, sich kurz zu fassen.“ Ich weiß nicht, ob Ihnen beklannt ist, welchen Verlust Ihr Herr Gemahl im Spiele gehabt hat,“ hob Georg zögernd an. .Allerdings,“ entgegnete Helene rasch. „Wenn dieser Verlust das Thema unserer Unterredung bilden soll, so bedauere ich, darauf nicht eingehen zu können, mein Gatte wird —* „Entschuldigen Sie,“ fiel der junge Mann ihr ins Wort, „dieser Verlust, oder viel— mnehr die Ursache dieses Verlustes geht Sie nehr an, als Sie vielleicht ahnen. Erlauben Sie, daß ich um einige Jahre zurückgreife und Ihnen jene Zeit in's Gedächtniß rufe, in der Sie noch nicht die Gutsbesitzerin Bölling waren. Sie hießen damals Helene Weber, und ein junger Mann, Georg Kraus, pries sich glück— lich im Besiß ihrer Liebe. Hören Sie mich cuhig an,“ fuhr er fort, als er bemerlte, daß Helene entrüstet aufspringen wollte, „ich werde mich kurz fassen. Georg Kraus liebte sie mit leidenschaftlicher Gluth, vielleicht war es nur ein Reflex dieser Gluth, was ihm aus Ihren Augen widerstrahlte. Dann täuschte er sich felbst, vordem glaubte ich, daß Sie ihn räuschen ““ „Mein Herr!“ .. «Verzeihen Sie, wenn ich fcharf und bitter bin, die Sonde des Wundarzies schmerzt, aber sie hat auch ihr Gutes. Eines Tages wurde Georg verhaftet, er hatte die Bücher gefälscht. Man fand nur eine Fälschung und — der Wahrheit die Ehre — Kraus war schuldig. Kurz vorher hatte er bei ihrem Vater um Ihre Hand angehalten, er glaubte, Sie erwiderten seine Liebe, Sie hatten es ihm ja zugeschworen. Kraus beging den Be— trug, um seiner Mutter aqus der Noth zu helfen. Man sagt, der Zweck heilige die Mit-⸗ sel, fern sei es von mir, diesen Lehrsatz der