Unterhaltungsblatt ‚Am St. Ingberter Anzeiger. NMr. 66. SDienstag, den 6. Juni 18 1. DZDie Brüder. Driginal-Novelle von Ewald August König. konnte ihr den Eintritt nicht wehren. In dem Grade, wie die Liebe in meinem Herzen wuchs, in dem Grade welkte der Haß hier; entweder das Unkraut überwuchert die Blume, oder die Blume erstickt das Unkraut. In meinem Her— zen hatten beide Fälle stattgefunden. Der Haß datte die Liebe getödtet, jetzt erstickte die Liebe vieder den Haß. Deshalb betrat ich diese Schwelle mit dem festen Vorsatz, Ihnen das Glück zurückzugeben, welches ich Ihnen geraubt hatte.“. Helene war verwirrt, sie konnte diesen Charakter nicht ergründen. Er lag vor ihr, ein dunkles Räthsel, vergebens bemühte fie sich, dieses Räthsel zu lösen. „Ich habe eine Braut,“ nahm nach einer turzen Pause Georg wieder das Wort, „sie veiß, wer ich bin, sie weiß, daß jede Minute nich in's Gefängniß zurückführen kann, aber sie schreckt vor dem Dunkel, welches vor mir liegt, nicht zurück. Ihr frommes, reines Herz weifelt nicht an mir, ihre Liebe wird mir hleiben. Sie weiß, weshalb ich ein Verbre— her ward, sie weiß, daß ihre Liebe mir mein Selbstvertrauen zurückgeben, mich auf die Bahn des Guten zurücksühren wird. — Eine Bitte habe ich an Sie, nehmen Sie sich dieses Mädchens an, wenn ich in den Kerker zurück⸗ kehren muß.“ Das will ich,“ entgegnete Helene rasch, ,sie soll in mir eine Freundin finden. Aber nun flüchten Sie, Niemand kennt sie — Georg machte eine abwehrende Bewegung. „Des Menschen Geschick hävgt nicht von seinem eigenen Willen ab,“ versetzte ex düster, „ich muß der innern Stimme folgen, welche (GFortsetzung.) Er nahm sein Portefeuille aus der Tasche und legte den Schuldschein auf das Tischchen, welches vor dem Fauteuil staud. „Sie haben Recht, nichts berechtigt mich zu einer Rache,“ fuhr er fort, „ich sehe mein Unrecht ein, und es betrübt mich tief, daß ich, meiner Leiden⸗ schaft folgend, zu einer so niedrigen Handlung mich hinreißen ließ. Geben Sie jenen Scheia Ihrem Gatten zurück, sagen Sie ihm, daß ich ihn um Verzeihung bäte.“ Ueberrascht sah Helene dem jurgen Mann ins Antlitz. „Wenige Worte werden Ihnen meine Sinnesänderung klar machen,“ fuhr Georg fort. „Ich war erbittert, ich haßte die Mensch⸗ heit, als ich wegen Fälschungen, die ich nicht begangen hatte, zu entehrender Zuchthausstrafe verurtheilt wurde. Mein Haß wuchs, als ich erfuhr, daß die, welche ich von ganzer Seele liebte, welche mein ganzer Trost in dieser finstern Nacht blieb, den Schwur der Treue gebrochen hatte. Ich glaubte nicht mehr an Liebe. Ich entsprang, um mich an der bür— gerlichen Gesellschaft zu rächen, welche mich um mein Glück betrogen hatte. Ich sagte mir, diese Menschen haben Dich ausgestoßen, sie find alle nicht besser wie Du, Du hast ein Recht, Dich an Ihnen zu rächen. Die Rache gelang mir, aber ich freute mich ihrer nicht mehr. Ich suchte die Liebe nicht, denn ich häßte sie, aber sie suchte mich, und mein Herz