Unterhaltungsblatt St. Ingberter Anzeiger. Nr. 98. Sonntag, den 20. Augu — J 1871. —„—ZEXD—D— Ein böses Gewissen.* Novelle von Ewald August König. hesuchte, um seine kleine Bibliothek zu be— vundern und in dem Gärtchen sich zu erge⸗ hen, so wird der geneigte Leser bald erra⸗ hen, daß die Bekanntschaft Mathildens mit dem Sohne der Wittwe nicht aus einer flüch⸗ igen Begegnung in der Vorhalle des Theaters herrührte, vielmehr eine Jugendfreundschaft var, von der der Vater des Mädchens frei— lich nichts ahnte. Krämer kümmerte sich nicht datum, wo sein Buchhalter wohnte, oder wer 'eine Miethlinge waren, verrichtete Helldau pünktlich und gewissenhaft seinen Dienst, so tonnte er in seinem Privatleben schalten und walten, ohne eine Einmischung seines Herrn hefürchten zu müssen. Er wurde von seinen Hausleuten vom ersten Tage an als Familienglied betrachtet, ihr freundschaftliches Entgegenkommen war ür ihn der Sonnenstrahl, der die Eisrinde chmolz, welche der Spott und die verletzende älte der übrigen Menschheit um sein Herz gezogen hatten, und sein Dank für' dieses Wohlwollen äußerte sich in unbegrenzter Hiu— zjebung an Ernst, den er gleichsam ale seinen Sohn betrachtete. Zwischen ihm und Mathilde war seine Liebe getheilt und deßhalb auch empfand er kein größeres Vergnügen, als venn am Sonntag Nachmittag die beiden dinder unter seiner Aufsicht in dem Garken »der in seiner Stube jpielten und er ihnen Sagen und Märchen erzählen konnte, denen jene mit ungetheilter Aufmerksamkeit lauschten. Mathude verschwieg das ihrem Vater, sie tannte seine auffahrende Heftigkeit wie seinen Stolz zu gut, um nicht zu wissen, daß er diese Besuche streng verboten haben würde. (Fortsetzung.) „Also stille Association?“ entgegnete der Rentner, der für die Aussicht auf hohe Pro- sente nicht unzugänglich war. „Baust Du wirklich so fest auf die Ehrlichkeit dieses Mannes? Glaubst Du in der That, daß ein Vorschuß von fünftausend Thalern sein Ge— schäft so bedeutend heben könne? Nun wohl,“ fuhr er fort, als Mathilde dieses bejaht hatte, ich will sehen, was sich thun läßt, der junge Mann mag mich einmal besuchen.“ Mathilde dankte dem Vater mit mehr Wärme und Herzlichkeit, als in Anbetracht des geringen Dienstes nöthig gewesen wäre und eilte in ihr Zimmer, wo sie rasch einige Zeilen niederschrieb, welche der Diener sofort an ihre Adresse befördern mußte. 3. Kapitel. In einer der entlegensten Straßen der Stadt wohnte in einem kleinen einstöckigen Häuschen, welches durch seinen Blumengarten und den frischen saubern Anstrich der, mit Schiefer bekleideten Wände einen gar freund⸗ lichen Eindruck machte, die Wittwe Heller mit ihren⸗ Sohne, welch letzterer ein kleines Agentur⸗Geschäft betrieb. Fügen wir hinzu, daß der Buchhalter Helldau in diesem Häus— hen ein kleines Zimmer bewohnte, daß ferner Mathilde nicht nur als Kind, sondern auch noch in späteren Jahren oft den Buchhalter