Der Münzsfammler. Staaisbztg.) Eine Novelle. (Fortsetzung. Aber da Felixs Herz zu voll war und er die eingetretene Pause mit keinem Laute un— terbrach, hielt Leonie sein Schweigen für eine Aufforderung, weiter zu sprechen. Auch lag in seinen Zügen für sie jenes Etwas, das ihr fagte: Dieser Mann hat Gefühl; er versteht mit Dir zu empfinden. J Sie fuchte sich daher zu sammeln und fuhr fort: „Denken Sie nun, daß wenn diese Schwe⸗ ster dem Leben erhalten bleibt, sie eine dop⸗ pelte Qual zu tragen hat. Ihr trauriges Ge⸗ schick und den Vorwurf des Gewissens? auch dem Manne, den Du liebst, hast Du das zlende Schicksal bereitet. Weiß sie aber, daß sie dem Tode geweiht ist, dann sind alle weltlichen Bande für sie gelös't. — Vor dem Tode kann sie noch den Geliebten sehen, kann ihm sagen, was Sie gelitten, wie sehr Sie ihn geliebt, kann ihn beschwören, von seinen düstern Entschlüssen abzustehen. —“ Felix hielt es auf seinem Stuhl nicht länger aus; denn es trieb ihn unwiderstehlich an, vor Leonie seine Knie zu beugen. Ein solch edles Weib hatte er nie gekannt. Und solch ein Edelstein sollte im Sande unbeachtet liegen bleiben ? Nimmermehr! Spielte er auch augenblicklich mit den heiligsten Ge—⸗ fühlen, der Zweck war ja doch diesen Edelstein in Gold zu fassen. Etr stand auf und trat ans Fenfter, um Beherrschung für das Kommende zu ge— winnen. Als er sich dann wieder nach Leonie um⸗ wandte, sah er, daß sie ihn erwartung svoll heobachtete. Er frat dicht an sie heran und nahm ihre Hand, um wieder ihren Puls zu fühlen. „Gnädige Frau, soll jetzt der Arzt spre— chen, oder der Mann; den Ihre Mittheilung aufs tiefste erschüttert hat, und der Sie dem Leben und dem Frieden so gern zurückge⸗ ben möchte ?“ „Ich will den Arzt hören!“ rief sie; „der Mann kann mir nicht helfen!“ — „Wohlan, Sie wollen es. Wenn Sie in diesem traurigen Zustande fortleben, wenn nichts kommt, das ihre Seele weckt und mit Wonne erfüllt — dann —“ „Dann?“ fragte Leonie, fast die Worte von seinen Lippen siehlend. e „Daun, gnädige Frau, ist es Zeit, wenn sie moch eine Rechnung auf Erden haben, diese bald abzuschließen; die Tage sind Ihnen dazu schon gezählt.“ — Das war freilich das größte Verbrechen, das ein Mensch nur begehen konnte, Einem jo ohne weiteres das Leben abzusprechen; aber dieses Vergehen war die heilsamste Me⸗ dicin für die lebensmüde junge Frau, Der Assessor fühlte fich mit einem Male in die wirkliche Würde eines Arztes hinein; denn koßnte es einen gescheitern Arzt, als er einer war, noch auf der Welt geben? Leonie var bei seinem Ausspruch mit anstrengender Zraft von ihrem Sessel aufgestanden und rief ndem sie dem Assessor ihre kleine, jetzt schon jehr durchsichtige Hand entgegenstreckte: „Dank für Ihre Offenheit, mein Herr, A gerettet.“ Sie sank in ihren Sessel zurück. „Ich bin sehr erschöpft. Für heute kann ich Ihnen nichts mehr fagen; ich bedarf noch ein wenig Ruhe zu der Rechnung, die ich auf Erden abzuschließen habe. Nicht wahr, Sie verzeihea mir diese Bitte ? Auf morgen, Herr — Doe⸗ tor. Grüßen Sie mir Maud i — „Auf morgen!“ wiederholte der Assessor und küßte tief bewegt die magere, kleine Hand, die ex noch nicht losgelassen hatte. „Auf morgen,“ slüfierte sie, als er fort war. Und als der Morgen kam, saß sie schon in früher Stunde auf ihrem Sessel und war— kete mit Herzklopfen auf ein altbekantes Klopfen an ihrer Thür. Mit welcher Eile hatte sie noch gestern jolgende Worte an den Baron geschrieben: „Leonie will noch einmal Abschied nehmen.“ Aber wie war die Erwartung nach Ab⸗ sendung dieser Zeilen? Wie rajch pulfirte das Blut in den Adern, Die Erwartung derscheuchte Hinfälligkeit und Schmerzen