Unterhaltungsblatt St. Ingberter Anzeiger. VDonerstag, den 19. Oetober V 18871. zum NXr. I A Von Emilie Heinrichs. (der Frankf. Vresse entnommen.) sie ist todt, die Mutter, welche niemals ein Herz für ihren Jüngstgeborenen besaß, alle Rebe dem Aeltesten reichte. — Run, gleich- viel, so komme ich doch noch zeitig genug, mit dem Erben abzurechnen.“ Schweigend faßte der Andere seinen Arm ind zog ihn eilig mit sich fort. In dem Landhause vor dem Aegidienthore, velches dem Maschinenfabrikanten Edmund Zteinhöfer gihörte, trug sich mittler zeile eine erschütternde Scene zu. Während der Schneesturm die Wetter- 'ahre aufj dem Dache knarrend herumdrehte ind mit höhnender Gewalt an den dicht verschlossenen Läden rüttelte, lag in einem Zimmer des ersten Stockes eine sterbende Frau. Es war die Mutter des Fabrikanten. Mit geschlossenen Augen lag sie unbe- veglich auf ihrem Lager, man konnte sie chon für eine Todte halten, wenn nicht das zeitweilige Zucken der blassen Lippen das Ge⸗ gentheil bewiesen hätte. Ein Mann von ungefähr vierzig Jahren tand zu Häuptien des Bettes. Sein Gesicht rug den Stempel der kaltesten Berechnung. n jeder Falte ein Rechen-Exempel, vermischt nit dem cynischen Ausdrud finnlicher Be⸗ zierde. Das Doppelkinn, sowie die ganze vohlbeleibte Gestalt, welche in tadellos ele⸗ janter Kleidung sich präsentirte, machten der Sindruck der Behäbigkeit, welche in egoistische Vornehmheil sich und Ihresgleichen vor allen Dingen ganz allein für die Verechtigten des Besitzes hält. Dieser Mann war der reiche Commer⸗ Erste Abtheilung: Franz Moor. 1. Kapitel. Ein eisiger Nord durchbrauste die Fluͤren und fegte den Schnee in großen Haufen zu⸗ sammen, daß selbst die feuerschnaubende Loco⸗ motive immer mühsamer gegen die Hindernisse ankämpfte und um eine Stunde spätet den Bahzuhof der Hauptistadt erreichte. J „Endlich, endlich.“ murmelte ein Mann, indem er tief aufathmend den Waggon ver⸗ ließ und nach kurzem Umherspähen mit raschen Schritten der Stadt zueilte. „Ferdinand!“ fönte es hinter ihm. Der Reisende wandte sich um. Theodor! — Gott sei Dank, da bist Du ja, wie stehts mit der Mutter, und komme ich früh genug?“ „Ich fürchte, es ist zu spät, mein armer Junge! — Wann kamst Du auch jemals früh genug, Dein Recht zu wahren? Nun muß der Herrgott selber Dir den schlimmsten Streich mit diesem Hundewetnter spielen. — Doch halt, wohin rennen wir, links hinüber nach dem Aegidienthore, — Deine Mutter vohnt draußen auf dem Landhause des Erben 1 Der Reisende stand still und starrte einen Augenblick zu dem dunkeln, nachtgrauen Him⸗ mel empor. — „Zu spät, wie immer,“ knirschte er, „alse