Vielleicht var es auch eine Beruhiguug für Mary, daß sie auf diese Weise dem Herzog einen großen Schmerz ersparte, ob auch ihr Herz sich nicht gestehen wollte, daß er noch ihr einziger Gedanke war Tag und Nacht, troßz der Sündhaftigkeit, die sie darin erblickte. Der Zustand des Königs, der sich in den ersten Wochen nach der Aukunft der jungen Nönigin bedeutend gebessert hatte — denn wenn er auch fortwährend das Bett hüten mußte, priniglen ihn doch unaufhörlich die furchtbarsten Schmerzen — verschlimmerte sich plötzlich in solchen Maaße, daß die Aerzte jede Hoffuung auf eine baldige Genesung aufgaben. Es war für Mary ein entsetzlicher An— blich, diesen dem Tode geweihten Mann so gebrochen und vernichtet daliegen zu sehen, aber troßzdem wuchs nur ihr Mitleid und zum großen Amusement und Spott der Pariser drachte sie lunge Stunden im Krankenzimmer zu und erhei:erte so dem König die letzten Tage seines Lebens. Es waren wenige in des Königs nächster Umgebung, die den Tod des Monarchen als ein Unglück betrachteten, und nur einer, dem er sein höchstes, einziges Gut geraubt, fürchtete diesen Tod wie ein drohendes Gespenst, das ihm die letzte Hoffnung rauben würden — der Herzog von Suffolk. Ihm war es nicht entgangen, welch' zabllose Verehrer und Be wuaderer' die junge Königin am französischen Hofe gejunden, wie Alle sich bemühten, ihr hre Liebe und Nerehrung an den Tag zu legen und Suffolk war nicht eitel genug, einen Wettkampf zwischen sich und den ge— wandten Cavalieren des französischen Hofes aufzunehmen. Er hatte bereits bei dem Könige von England um seine Zurückberufung nachgesucht, aber derselbe schien ein besonderes Vergnügen darin zu finden, den jungen Mann in der gefährlichsten Lage zu lassen und verweigerte ihm sein Gesuch. Kaum zwölf Wochen nach der Hochzeit starb der König und Mary war Wittwe — eine siebenzehnjährige Wittwe. Sie erheuchelte keinen künstlichen Schmerz, der Verstorbene hatte ihr so fern gestanden in jeder Beziehung, daß sie erleichtert aufathmete, als sein Tod ihr die Freiheit zurück gab. Aber sie einpfand auch keire Freude; sKönig Lu wig hatte sie mit aller Achtung behandelt, mit Güte und Wohlthoten über⸗ schüttet, wer wußte, ob nicht ahbermals eine unberufene Hand sich zum Herrn ihres Schick⸗ ijals aufwarf und sie dadurch noch unglücklicher machte, als je zuvor. Mary war immer schwach gewesen, aber die letzten Er.igmisse hatten sie nur noch schwächer gemacht und ihr jede Energie geraubt, fie fühlte nicht den leisesten Muth in sich, einen Kampf mit dem Leben aufzunehmen, der für sie, als eine kö— nigliche Prinzessin, ohne ferneren Nutzen blieb. Als der König begraben war, bezog die Königin die ihr, als der Wittwe zugehörigen Bemächer, und Franz L., der Nachfolger und Schwiegersohn des Verstorbenen, bot ihr mit der ihm eigenen Ritterlichkeit seinen Schutz an, den sie dankbar annahm. Marhy war jetzt ihre eigene Herrin und sie sehnte sich nicht nach der Heimath zurück, wo ein despotischer Bruder abermals die Gewalt über sie ergrei⸗ fen konnte. Sie fühlte keine Spur mehr von Liebe in der Brust für einen Bruder, der, wie sie im Laufe der Zeit erfahren, das ganze Lebensglück seiner Schwester für eine Million Goldkronen und die Stadt Tournay hiugegeben. Jetzt war sie sich selbst überlassen, sie war einsam; keine Menschenseele, die sie liebte, in ihrer Nähe, aber sie war zufrieden. Und doch gab es ein Herz, das, als es die Geliebte frei und nicht unerreichbar sah, wieder von neuem alle Liebe in seiner Brust zu einem verzehrenden Feuer erwachen fühlte. Als der Herzog von Suffolk die Königin- Wittwe zum ersten Mal in den schwarzen Trauerkleidern wiedersah, dieses holde junge Wesen in einer Tracht, die ihre natürliche Schönheit nur noch mehr heben und an's Licht ziehen mußte, da stand es auch wieder bei ihm fest, noch einmal den Aampf um ihre Liebe zu beginnen, um zu siegen oder zu sterben. Denn ein Leben ohne Mary war für den Herzog eine Unmöglichkeit geworden, er fühlte, daß die stete Verzweiflung ihm ein frühes Grab bereiten mußte, weun sie thm nicht vergab und abermals ihr Herz schenkte. Zwar hielt es jetzt unendlich schwer, mit