St. Ingberler Anzeiger. — —— ⸗⸗— — Der St. Jugberter Auzeiger und das (2 mal wöchentlich) mit dem Haupiblatte verbundene Unterhaltungsblatt, Sonntags mit illustrirter Vei⸗ lage), erscheint woͤchentlich viermal: Dieustag, Donxerstag, Samstag und Sonntag. Der Abounementépreis beträgt vierteljahrlich 1 Mark 20 R.⸗Pfg. Auzeigen werden mit 10 Pfg. pon Auswärts mit 15 Pfg. fur die viergespaltene Zeile Blattschrift oder deren Raum, Neclainen mit 80 Pfa. pro Zeile berechnet. M IAiꝑ. Eonntag, den 8. Augusi 1877. ᷣα —— — Arbeiter und Proletarier. 8. O. Die Führer der Socialdemokratie lassen es sich ange⸗ legen sein, die Begriffe „Arbeiter“ und „Proletarier“ mit einander zu verquicken. Und doch, welch' himmelweiter Unterschied besteht wischen diesen ! Wer arbeitet, der ist ebenso wenig ein Proletarier, wie sich Derjenige, welcher faullenzt, zum Arbeiterstande rechnen darf. Spricht man vom Proletarier, so oenlt man an korperlich und wirthschaftlich heruntergekommene Leute, welche einst der Ar— deiterklasse oder irgend einem andern Stande angehoͤrt haben mögen, jetzt aber der Gesellschaft zur Last fallen und daher von dieser als Bürde hetrachtet und behandelt werden. Man spricht nicht nur pon einem Arbeiter⸗·, sondern auch von einem Handwerker⸗ und Fabrikanten⸗, sowie von einem Gelehrten⸗ und Adelsproletariat. Belkennt also Farbe, ihr Führer der Socialdemoktatie! Ver⸗ sündet laut, daß ihr euch auf solche Existenzen stützt, welche nichts zu verlieren haben und daher erst beim Umsturz gesellschaftlicher Ordnung zu gewinnen — hoöoffen! Schreit hinaus in's Voll, daß Alle, welche auf anderen Lebensbahnen gescheitert sind, hinter euch dehen! Der Ruf „Neder mit den Palästen,“ welcher letzthin vieder in einer socialdemokratischen Zeitung ertönte (der Chemnitzer Freien Presse“) wird dann verständlicher sein. 7 Habt ihr aber das Visir eurer Mannen gelüftet, dann wird zuch die Gesellschaft nicht zögern, Stellung zu nehmen. Ihre Boll⸗ werle sind zwar stark genug, um euch eine Zeit lang gewähren zu lassen; da fich aber doch dieser oder jener Stein lockern möchle, wenn ihr nicht unterlaßt, gegen den Bau anzuflin men, den die Hesellschaft auf tausendjahrigem festem Untergrunde aufgefübrt hat, so fönnte sie sich — wie sauer es ihr auch auch ankommen dürfte — doch vielleicht entschließen, einst aus der Defensive herauszu⸗ reten! Uns wäre dies entschieden zuwider. Wir sind der Ansicht, doß ein offensibes Vorgehen des Staates gegen die Socialdemokralie einerjeits die Gegner wichtiger, als sie sind, erscheinen lassen, an⸗ dererseits aber denselben Ursache zur Aufretgzung und zum Widerstande gegen die staatliche Ordnung geber würde. Eines aber unterlaßt, ihr Nebenbuhler des Catilina! Bleibt eurer Farbe treu und hoͤrt auf, die Manner der Bluse mit dem blutigen Roth zu beflecken! Wer die Gelegenheit, die Kraft und die Tugend besitzt, sich oder auch eine ganze Fam'lie mit den Früchten seiner Atrbeit zu ernähren, wird zwar die Schäden der besteteuden Gesellschaftsordnung nicht übersehen und gern mit Hand anlegen, um die Wunden des Staates zu verbinden oder die Quellen zu verstopfen, aus denen neucs Unheil entspringen könnte. Boll Dank für das, was er hat, verachtel er aber die Pläne Derer, welche die Gesellsyaft, als deren rüstiger Mitarbeiter er berufen wurde, in ihren Grundfesten zu erschüttern streben. Daher klinge laut in alle Lande: „Arbeiter und Proleiarier sind nicht Eins die Arbeiter, hie Proletarier!“ Deutsches Reich. Mun ven, 1. August. We von beflunterrichter Seite aitgetheilt wird, wird der deuische Kronprinz wie im vorigen Jahre o auch heuer wieder die kombinirte Kadallerie: Division der Sirau⸗ bing inspiziren und zu diesem Behufe in Regensburg Quartier nehmen. In letzterer Stadt wird der hohe Inspelteut voraussicht lich am 30. Auzust Abends 8 Uhe 19 Minufen eintreffen, am 31. August und 1. September die Besichtigung der Division vornehmen und am 2. September Morgens 5 Udr 15 Minulen Regensburg wirder verlassen. Köln, 29. Juli. Im Saale des VaudevilleTheaters fand heute eine von der socialdemokratischen Partei einberufene, zahlceich desuchte Versammlung mit solgender Tagesordnung flatt: „Die be⸗ dorstehende Steuerreform im deutschen Reiche“ und im Anschluß daran: „Die Uebernahme des Feuer Verficherungsswdesens durch dat Keich als Steuererleichteruig und zur Berme dimg biner Tabat and Biersteuer oder ähnlicher indirtclen Steuern.Der Rferent, steichstags-Abg ordneter Rittinghausen, wies auf einen Ausspruch des Fürsten Reichtkanzlers hin, wonach die gegenwärlig bestebenden Neichssteuern unzureicheud seien und daher eine Steuerreform noth⸗ wendig erscheine und empfahl die Uebernahme des gesammten Ver— sicherungs·Wesens durch das Reich, um durch die hieraus zu er⸗ zielende Einnahme die Matricular⸗Beiträge entbehrlich zu machen und zugleich der Einflihruag verschiedener projeclirten Steuern zu entgehen. Das Ergebniß der Debatte war die einstimmige Annahme des nachstehenden Entwurfs zu einer Petition an den deuischen Reichsstag: „Die unlerzeichneten Bürger von Köln und Umgegend prechen vor dem deutschen Reichsstag den dringendsten Wunsch aue, daß bei der bevorstehenden Reform der Reichssieuern vor allem die Uebernahme des Feuer⸗Verficherungs⸗Wesens durch das Reich, und die Beschaffung einer Einnahme bon 20 bis 25 Millionen M. durch eine zweckmäßige Einrichtung dieses Zweiges des öffentlichen Dienfteß in Erwägung gezogen und durqggeführt werde.“ Ausland. Nach rufsfischen Blättern ist der von Moßkauer Einwohnern ausgegangene Vorschlag freudig begrüßl worden, an den Deuischen daiser eine Dankadresse zu richten für die Haltung desselben in der orientalischen Frage. Mostauer Fabrikanten beabsichtigen, dem aiser Wilhelm ein prächtiges Album mit Ansichten von Moskau zu übexreichen, und Damen sind mit der Anfertigung eines Musters uu einempraͤchtigen Teppich besgäftigt, den sie dem Fürsten Bis⸗ narck zu verehren gedenken. Die Sympathie Moslaus für die deutsche Nation kommt täglich zum Ausdruck. Rew⸗York, 2. August. Die hiesigen Bürgee haben ein Sicherheits: Comite gebildet. Die Hoffnung, daß es mit den Unruhen ju Ende sein werde, hat sich nicht erfüllt. In Leranton wurden zestern Kechestöret gewaltsam zerstreut. Bei Wilkesbarre wurden yon steikenden Arbeitern Eisenbahnzuge angehalten; auch an mehreren inderen Orten fanden aufständische Zusammenroitungen statt. Naqh der Grafschaft Lujerne sind 2000 Milizen zut Wiederherstellung der Ordnung abgesendet worden. Vermisqchtes. Si. Ingbert, 3. Aug. In der Sitzung des hie— igen Polizeigerichts vom 25. Juli kamen u. A. fsolgende Faͤlle zur Abursheilung: 1. Jakob Coulorier, Händler von Bliesdalheim, wegen groben Unfugs zu 6 Mark Geldstrafe. 2. Johann Kropp, Tagner von 54. nappbach, wegen Ruhestörung zu 1 Tag Haft. 3. Peter Dill⸗ offer, Tagner von Erbach, wegen Bettels zu 10 Tagen Hast. 4. darl Ruffing und Jalob Schutt, beide von Seugscheid uünd Jos. Schmitt, Schmelzarbeiter von hier, ersterer det Mißhandiung und Unfugt ind die beiden lezteren wegen Unfug zu 5 und 10 Tagen Haft. 5. dudwig Kihm, Jakob Schmitt, Christian Kopp und Johann Joseph Schmitt von hier, wegen Entwendung von Kirschen zu je 8 Mart Beldstrafe und 1 Tac Haft. 6. Johann Albrecht, Tagaer von dassel, wegen Diebstahls zu 2 Tage Gefängniß. 7. Jakob Kropp jon Hermersberg, Johann Kipper von Queidersbach, Johann Breit hvon Ersheim, sämmttich z. Z. in Schnappbach, wegen groben Un⸗ ugs zu 3 und 1 Tag Haft. 8. Johann Georg Wagner von hier vegen Beleidigung des Rangirers Franz Kempf von St. Ing⸗ zert zu 4 M. Geldstrafe. 9. Maria Eckeert, Tochter des Mich. kückert von hier, wegen Beleidigung zu 4 M. Geldstrafe. 16. klisabethe Koch und deren Dienstmagd Maria Haus von Neuhäusel vegen Feilhaltens gefälschter Milch zu 8 M. Geldstrafe. 11. Mar⸗ zarethe Schafer, Wittwe von Johann Kraut, wegen Nichtanhaltent sum Schulbesuch zu 1 Tag Haft. 12. Jakob Welsch, Dienstlnech! on Ball weiler, wegen Schlafens auf seinem Fuhrwerk zu 8 M. Veldstrafe. 18. Friedrich Schwarz von Neuhäufel wegen desselben Reates zu 3 M. Geldstrafe. Herrnsheim bei Worms wurde von einem schweren Brandunglück betroffen. Am 31. Juli Abends brannte das Haut s Boͤders Bardon vollständig nieder; am Vormittag des 1. Jugust waren die Leute noch auf der Brandstätte beschäftigt, die Trümmer wegzuräumen und das immer noch nicht ganz ersticktte