St. Ingberler Anzeiger. — — — — — — —— —— — — der St. Ingberter Anzeiger und das (2 mal wöoͤchentlich) mit dem Hauptblatte verbundene Unterhaltungsblätt. (Sonnlags mit illustrirter Bei⸗ age), erscheint woͤchentlich viermal: Dieustag, Donnerstag, Samstag aud Sonntag. Der Abounementepreis betraͤgt vierieljahrlich Aarl 20 R.⸗Pfg. Wazeigen werden mit 10 Pfa., von Auswärts nit 15 Pfg. für die vierzgespaltene Zeile Blattschrift oder deren Raum. Neclamen mit 30 Pfg. pro Zeile berechnet. 4 144 C a mn 8 ta a⸗ d en 15 .S ep te m b er 187. — — Friede ernährt, Unfriede verzehrt! 8.-0. Dieser alte deutsche Kernspruch sollte mit goldenen zelkern Uber allen Werkstätten und Fabriken angebracht und dadurch dem Arbeiter mit dem Beginn eines jeden Tagewerks in Erinnerung ebracht werden. Wer socialdemokratische Blätter obne Kritik liest, znnte auf den Gedanken kommen, daß nur Unfriede Rahrung gebe ind die sociale Wohlfahrt erhöhe. In Wahrheit ernährt der sociale zrieg aber nur die socialist'schen Agitationskassen. Tausende von orern und Lesern müssen jährlich zur Unterhaltung von agitato⸗ ischen Rednern und Schriftstellerr beisteuern. Dieser modernste z7Üwerbszweig kann allerdings nur bei der Fortdauer des socialen Unftiedens gedeihen, aber die Massen als solche koͤnnen sich m't ieser Steuer für die socialistische Agitation und mit der Unzufrieden⸗ eit über alles Bestehende noch kein Brod und keine bessere Zukunft chaffen. Der Aberglaube an das Heilmittel eines socialen Krieges ind an eine neue Gesellschafisorzanisation kann einen Theil der golksmassen wohl kurze Zeit hindurch bethören und zur Bildung von Secien in socialistijichem Sinne verleiten, weil an die Sielle zner religiösen und politischen Begeisterung zeitweise auch eine so⸗ jalist sche treten kann; aber schließlich wird der gesunde Menschen⸗ zersand doch zurückkehren und der Wahlspruch „Friede ernährt, Unfriede verzehrt“?, der als eine Erfahrung von Jahrtausenden im hollsmunde fortlebt, auch in den Herzen des Volkes wieder Wurzel assen. Die Arbeiterbewegung hat jedenfalls das Gute, daß sie die Frörterung aller auf das Wohl der Arbeiter bezüglichen Fragen nachtig anregt und ein besseres Veiständniß der Rechte und Pflichten on Arbeitgebern und Arbeitnehmern anbahnt. Die Arbeiter müssen cdoch in dem berechtigten Streben nach Verbesserung ihrer Lage pie andere Klassen auch Lehrgeld zahlen und auf dem Wege von em Jerthum zur Wahrheit, von der Unbildang jzur Bildung durch ie Stufe der Halbwahrheiten und der Halbbildung hindurchgehen, ais fie zum Selbstdenken und Selbsthandeln kommen und sich daran ewöhnen, auch andere als socaldemokratische Zeitungen und Schriften u lesen. Das Verluingen nach wirklicher Belehrung wird ihnen chon kommen. Wenn nur wirkliche Vollsfreunde n'cht versäumen, vurch Wort und Schrift ihre Pflicht zu thun und insbesondere ssvch uuch in der Localpresse an der Prüfung der Arbeiserinteressen un⸗ Jarteiisch zu betheiligen. Dabei werden allerdings Thatsachen immer Uagender wirken, als Grunde. In einer sehr nachahmenswerihen Weise beleuchtet in dem uns ugegangenen „Schweidtaitzer Stadtblatt“ vom 2. September in Jolksfreund dea unheilvollen Einfluß des socialen Uafriedens wuf die Entwicklung der Gewerbe mit folgenden Bemerkungen: „Wir rinnern nur an das Eingehen der blühenden Pflug'schen Waggon⸗ fabrit in Berlin nach einem monatelangen Streilk. ee at durchschnittlich 2000 Arbeiter beschäftigt und jährlich AMis 22 Rillionen Mark Löhne ausgezahlt. Als ihr aber durch die maß—⸗ osen Forderungen ihrer Ardeiter die Concurrenzfähigkeit benommen purde, zog sie es vor, die Fabrik zu schließen, die Arbeiter zu ent⸗ assen und Grundstücke, Maschinen, mit Allem was drum und dran änzt unter den Hammer zu bringen. Es sind dadurch 2000 itbeiter brodloz geworden odet mußten sih minder lohnenden Be⸗ tieben zuwenden, und ich zweifele sehr, ob auch Einer von ihnen ei den socialistischen Agitatoren neues Brod gefunden hat. Ein weiter Fall hat sich vor nur wenigen Monaten in unserem Nach⸗ athreise ereignet, wo ein bedentender Fabrikant sich in Folge -socia⸗ istischer Drohbtiefe veranlaßt sah, sein Geschäst aufzulasen und da⸗ urch in einer ohnehin arbeitslosen Zeit Hauderte von Arbeitern eschäftigungslos zu machen. Als drittes ganz besonders lehr⸗ iches Beispiel der Folgen sccialistischer Hetzereien führe ich die hließung der Deter'jchen Cgarrenfabrik in O,lau an. Auch reses dislang friedliche, gewerbfleißige Städtchen hatten die Herren vcialissen als neues Bersuchsfeld zur Ausfaat ihret Unfriedens⸗ ehre erloren, sind aber bei Herrn Deier an den unrechten Mann —XD — Fabrik schloß. Nun wird für 200 brodlos gewordene Arbeiter in ocialistischen Blättern nach Almosen gebettelt, das andere beschäf⸗ sigte Arbeiter ihrem Verdienste abdarbea sollen. Das also sind die ersten Etappen auf dem Wege zum —XVXX demolratischen Zukunftsstaat! ?“ Deutsches Reich. Muünchen, 9. Sept. Die Allerhöchste Enischließung, wodurch der im Juli vertagte Landiag auf den 27 d. M einberufen wird, iegt jetzt vor. In so fera ist der g wählte Termin prattisch, als er vor dem in der zweiten Woche des Ollober abzuhaltenden soge⸗ iannten Oktoberfest, das immer einige Störung der Geschäfle zerursacht, der Abgeordnetenkammer mehr als eine volle Woche Zeit äßt, um die Arbeiten in Gang zu bringen. Zu den unerquicklich⸗ ten Aufgaben der Session gehören die ultramontanen Wablbe⸗ chwerden, in denen einfach die alten, mehr als genug wiederlegten rrigen Grundsätze und Behauptungen aufgestellt werden und woͤmit zie Herren auf der Rechlen füglich ihre Gegner diesmal hätten ver⸗ chonen können, da die Erneuerang der Wahljurispruden; und Be⸗ veisführung vom vorigen Jahre nur boöses Blut machen wird, ohne der Kammermehrheit das Geringsie zu nutzen. Berlin, 10. Sept. Für die in den ersten November⸗ agen hier in Berlin zusammentretende Kommission zum Zweck der Beatbeitung eines Gefetzes gegen die Verfaͤlschung der Nahrungs⸗ nittel sind, wie der Koln. Zig.“ geschrieben wud folgende tech⸗ nische Mitglieder berufen wocden: Geh. Regierungsrath Professor hofmann (Berlin), Geh. Hofrath Professor Fresenius (Wiesbaden), Beh. Sanitätsrath Dr. Varrentrapp (Frankfurt a. M.), Professor Dr. Knapy (vom Polytechnikum in Braunschweigh. Im Reichsge⸗ undheitsamt wird ein erster Entwurf ausgearkeitet, an dessen Hand iese Kommission berathen soll. Sobald diefelbe zu einem Resultate zelangt ist, werden, durch das Reichsfustizamt berufen, Justiz⸗ und Berwaltungsbeamte hinzutreten, um den Entwurf für den Bundesß— nath fertigzustellen. Der öffentlich ausgesprochene Wunsch des Direltors des Reich-Gesundheitsamis um Zusendung von Waterial ider die bezüglich der Nahrungsmittel ⸗Verfaischung odemachten Wahr⸗ nehmungen, beziehungeweise Vorschlage zur Äbhulfe hat anfänglich 'n erweitertem Umfang Erfüllung versprochen. Einsenduneen von Behörden und Instituten aus allen Theilen des Reiches lassen noch mmer auf sich warten. Es ist dies um so mehr ausffällig, als die Klage uͤber verfälschte Nahrungsmittel allgemein derhreilet und aberall gleich lebhaft isi. Berlinn, 12. Sept. Der „Provinz.⸗Corresp. zufolge er⸗ rolgt die Rückkehr des Kaisers nach Berlin nicht vor Mitie Ockober. Welch' betrübende Folgen d'e traurige Lage der preuß i⸗ chen Lehrer in immer weilerem Umfange nach sich zieht, rgibt sich aus der Mittheilung der Magdeburger. Zig.“, daß in degierungsbezirk Merseburg im vorigen Jahre und im ersien Vierlel ieses Jabres troß mancherlei Schwierigkeilen, welche die Regierung n den Weg legt, nicht weniger als 103 Lehret den Bezuͤk ver⸗ afsen haben, um nach Sachsen (6), Anhalt (19) oder überhaupt n's „Ausland“ jit gehen. In andere preußische Bezitke gingen twa 60, davon 24 nach Wesifalen und der Rheinprovinz, waͤhrend 26 ihr Lehramt gärzlich niederleaten. Am 1. Januar d. J. waren 179 Stellen unbefeßzt. NAusland. Man schreibt dem „Berl. Tagebl.“ aus Wien: Die russische Kriegsführung wird auch jetzt, wo fie die „politischen Gesichs— punlte“ fallen gelassen hat, in den mil jarischen Kreisen Oesterreichs ucht beifällig beurtheil. Man nennt dieselbe, wie früher cine „politischen, so jett eine „moralische“, indem es den Russen nut )a rum zu thun scheint, den Eindruck der erlillegen Niederlagen an Itt und Stelle zu verwischen, nicht aber nach rein militärischen Regeln vorzugehen. Nur dadurch erklärt man sich, daß die Russen egen Osman Pascha und Plewna eine große Uebermacht entfolim, vaͤhrend sie Mehemed Ali gegenüber, der doch die türkische Hauvre