9* Ingberler Anzeiger. Der St. Jugberter Anzeiger und das (Z mal wöchentlich) mit dem Hauptblaite verbundene Unterhallungsblatt, (Sonntags mit illustrirter Bei⸗ lage) erscheint wöchentlich viermal: Dienstag, Donuerstag, Samstag und Sonntag. Der Aboune mentsprets betragt vierteljahrlich Mark 20 R.⸗Pfg. Anzeigen werden mit 10 Pfg., von Auswärts mit 15 Pfa. für die viergespaltene Zeile Blattschrift oder deren NRaum, Reclamen mit 30 Pfg. pro Zeile berechnet. 98 1. Dienstag, den J. Januar 1878. — — — Deutsches Reich. Berlin, 28. Dez. Der Reichßkanzler hat dem Bundesrath eine im Reichseiserbahnamt ausgearbeitete Denkschrift, betreffend die Fiuführung eines neuen Eisenbahn-Frachtbrief⸗-Formulars und die damit zusammenhängende Adänderung des 8 50 Ziff. 7 des Be—⸗ riebsreglements für die Eisenbahnen Deutschlands vom 11. Mai 1874, zur Beschlußnahme vorgelegt. (Reichsanz.) Zur inneren Krisis in der Leitung des Reichzund Preußens schreibt die freikonservative ,Post“, welcher der Minister Friedenthal sehr nahe steht: „Wir bedürfen keines Systemwechsels, wohl aber neuer Leute, nicht als Träger aeuer Ideen, sondern als arbeitsfähige Kapazitäten, die mit den Ideen der seit 12 Jahren befolgten Politik einderstanden, den wich⸗ tigen gesezgeberischen Abschluß erstreben. Wir bedürfen neuer Maßregeln, um Organisationen zu schaffen, welche auch dann wirk— sam fein müssen, wenn Bismarck vom Schauplatz abgetreten sein wird. In unserer schnelllebigen Zeit ist es nicht möglich, auch noch so verdienstvolle Persönlichkeilen in wichtigen Staats⸗ und Reichs— uͤmtern länger zu halten, als ihre Leiftungsfähigkeit reicht. Eine peränderte Organisation der Reichsbehörden ist ein unabweisbates Bedürfniß, wenn nicht eine vollstandige und höchst verderbliche Stagnation eintreten soll. Es erscheint undurchführbar, im preu⸗ bischen Staat eine Steuerreform durchzuführen, ohne im Reich den Anfang zu machen mit einer entsprechenden Zoll⸗ und Handelspoli⸗ uik. Eine Reichseisenbahnpolitik hat sich als ohnmächtig erwiesen, so lange als nicht ihr Träger der Chef des preußischen Eisenbahn⸗ vesens ist. Auf dem Gebiete der Just'zorganisation macht sich der trasseste Partikunarismus breit, so lange das Reichsjustzamt für den preußischen Staat eben so wenig Bedeutung hat wie füc das önigreich Sachsen oder für das Fürstenthum Reuß. Wenn die Minister der Einzelstaaten ihre Stellung im Bundesrath auf die Dauer als etwas Gleichgiltiges, Untergeordnetes ansehen, so wird mit Naturnothwendigkeit dieses Inftitut mit der Zeit zur Bedeutung des seligen Bundestages herabsinken. Schon jetzt zeigt diest Be— hörde Symplome eines vorzeitigen marasmus senilis. Die wichtig— den Reichzämter münen bekleidet werden von den einflußreichsten Prinistern der Einzelstaaten Id. h. natürlich Preußens. Anmd. Fr. Z.]. wenn sich nicht ein schädlicher Angtagonismus oder eine chronische Atrophie dis Rechs und seiner Instttullonen entwickeln soll. Wir erwarten vom neuen Jahr ueue Männer und neue Maßregeln. Beide kann uns Fürst Bismarck bringen, wenn er, von der Noth⸗ vendigkeit durchdrungen, sie ernstlich will mit der ganzen Kraft seiner gewaltigen Persönlichleit.“ RKusland. Wiemn, 28. Dez. Der „Polit. Korresp.‘ wird aus Bukarest jemeldet: Der rumänische Minister der auswärtigen Angelegenheiten tichtete am 26. d. telegraphisch eine Cirkulardepesche an die rumä— nischen Agenten im Ruslande, in welcher als ein neuer Bewes für die Art der Kriegführung der türkischen Armee und ihrer Achtung por der Genfer Konvention die Uebergabe Plewnas angeführt wird, vo im Augenblicke der Kapitulation Osman Paschas nicht ein ein— jiger ver oundeter oder gefangener tmänischer Soldat vorgefunden vorden sei, trotz der Versicherung Osman Paschas gegenüber der Pfotte, daß sich mehr als 300 rumänische Soldalen in seinen händen befänden. — Einer weiteren Meldung der genaunten Korre— pondenz aus Bularest zufolge dehrt Fürst Katl demnächst zu den zegen Widdin oprerirenden rumänischen Truppen zurück. Das Haupt juartter soll nach Pojana dei Lompalanka gelegt werden. Widdin ioll gut verproviantirt, dagegen die Besatzung verhältnißmäßig ichwach sein. Wien, 29. Dez. Das „Fremdenblait“ dementirt ebenfallßz zdie Meldungen über eine Wiederaufnahme der handels⸗ politischen Berbindungen mit Deutschland und betont, daß der ungarische Ministerpräsident v. Tisza lediglich in Familsenangelezenheiten nach derlin gereist ist. London, 29. Dez. Wie das „Reutet'sche Burcau“ erfährt, hatte der Sultan die englische Regierung ersucht, bei dem Kaiser non Rußland Schritte zu thun, um Friedensverhandlungen herbei⸗ uführen. Die englische Regierung habe sich bereit ernart. dem Besuche zu willfahren. London, 29. Dez. Die Nachricht, daß die englische Re⸗ ierung das Mediationsgesuch der Pforte acceptirt habe, wird offiziell estätigt. --Die Morgenblätter sprechen sich durchweg anerkennend iber den Schritt des Sultans aus, den sie als weise und würdevoll »ezeichnen. Sie betonen, die Pforte hätte nichts Besseres thun Aumen, als ihre Sabbe absolut in die Hände Englands zu legen. Ddie „Times“ meint, der Entschluß des englischen Kabinets, die Nediation zu acceptiren, sei die beste Erwiderung auf die Gerüchte on Kriegsgelüsten Englands. Die Morningpost“ hebt hervor, ie Aufgabe, welche England übernommen sei durch keine Bafis ür die Regelung der Frage behinderi, sie inbolvire nichts weiter, ils die Bereitwilligkeit Rußlandz, Unterhandlungen anzuknüpfen, zuf die Probe zu stellen Die Fesistellung der Friedensbedingungen vürde späterer Erwägung vorbehallen bleiben. Belgrad, 28. Dez. Offiziell. Die serbische Armet hat nach zweitätgiger Kämpfen die starke und gut vertheid'gte Stellung »on Pirot genommen. Heute Morgen 11 Uhr hielt die Armee hren feierlichen Einzug in die Stadt, wo dieselbe von der Bevölke⸗ ung mit dem Bischof an der Spitze enthusiastisch empfangen wurde. Die serbischen Verluste sind noch unbekaum, Erbeutet wurden danonen, Gewehre und viele Munition. Weilere Delagiis fehlen noch. Konstantinopel, 28. De,. Die Anordnung betreffend die Einreihung der Christen in die Bürgergarde soll mit den vom zriechischen Patriarchen beantragten Ausnahmen demnächst zur Aus— ührung gelangen. Der Sultan hot fünf chrstliche Angehörige der Zürgergarde zu Adjutanten gewählt. — Mehemed Ali Pascha ist suni Magliede des Kriegsrathes ernannt worden. Petersburg', 28. Dez. Das von London und Wien aus telegraphisch hierher gemeldete Börsengerücht von Verhandlungen iber einen Waffenstillstand zwischen Rußland und der Pforte erscheint janz unbegründet. An maßgebender Stelle ist durchaug nichts von Schritten, die dem Gerüchte Anhalt geben könnten, bekannt. Die Situationin Rußland. Ziemlich outhentischen Nachrichten aus Petersburg zufolge hat der Czar angeordnet, daß veitere acht Divisionen sofori nach Bulgarien dirigirt werden sollen. Die russische Diplomatie gibt geginwärtig das Schlagwort aus, »aß der Krieg mit der größten Energie fortgesetzt werden solle; die inglische Demonstrationen haben die kriegerische Stimmung sowohl n den Volks- als auch in den offiziesllen Kreisen Rußlands bedeulend jesteigert. Fürst Gorischakow soll sih einem fremden Diplomaten jegenüber geäußert haben: „Da wir nicht mehr wissen, wo Eng⸗ and anfängt und d'e Türkei endet, so werden wir unseren Weg jeradcaus weiter gehen.“ In Petersburg glaubt man, daß, wenn sngland Konstantinopel besetzen sollie, die russischen Armeen aus Zulgarien sich nicht zucückziehen werden. Es wird behanptet, daß ꝛon Berlin aus dos Londoner Kabinet auf diese Eventualität auf— nertsam gemacht worden sei. Wie die „Agence Russe“ erklärt, ist die Meldung von der Abberufung Leflo's erfunden. Der General wied fortfahren, Frank— eich in Petersburg zu vertreten. Vermischtes. Rotterdam, 24. Dez. Ein entsetzliches Unglüdc, das n viele Familien des Landes unsaglichen Jammer bringie nimmt m Augenblick die oͤffentliche Aufmertjamkeit vollstandig in Anspruch. das Dampifchiff ,Friesland', von Bitaba kommende, mit einer ostbaren, für 8 Mill. Gulden versi herten Ladung, mit 30 Mann nd'scher Truppen, die nach vollbrachter Dienstzeit nach Enropa zu⸗ ückkehrlen und eiwa 200 Passagieren, lauler Familien indischer Afficiere und Beanten, worunter twa 70 Franuen und 85 NQino—