St. Ingberler Anzeiger. der St. Ingberter Anzeiger und das (Z mal wöhentlich) mit dem Hauptblatte verhundene Unterhaltungsblatt, Sonntags mit illustrirter Bei— age) erscheint woöͤchentlich viermal: Dieustaz, Donnerstag, Sanstaz und Sonntag. Der Abonnementspreis beträgt vierteljährlich Mark 40 R.⸗Pfg. Anzeigen werden mit 10 Pfg., von Aaswärts mit 15 Pfg. für die viergespaltene Zeile Blattschrift oder deren Raum. Neciamen mit 30 Pfg.pro Zeile berechnet. A 129. 3 I Samstag, den 17. Augusft I 1878. Deutsches Reich. J München, 183. Aug. Der kgl. Kriegsminister General d. Maillinger hat heute einen mehrwöchentlichen Urlaub an⸗ jelreten; für die Dauer desselben ist das Portefeuille des Kriegs⸗ ministeriums dem Generallieutenant Karl Graf zu Pappenheim, generaladjulauten S. M. des Königs übertragen worden. (A. Z3.) Kisfingen, 14. Aug. Fürst Bismarck wird spätestens im künftigen Montag Kissingen verlassen; ob er sich direkt nach hastein begibt, oder zuvor nach Teplitz, oder nach Homburg zum Zonprinzen reist. steht im Augenblicke noch nicht fest. Aus Berl in, 12. August, schreibt man der „Allg. 3.*: Bei den Kissinger Verhandkangen stand es lediglich in Fragy, eb die Curie sich entschließen wird, dahin zu wirken, wie es ex dem Schreiben des Kaisers vom 24. März d. J. heißt:: „daß auch diejenigen unter den Dienern der Kirche, welche es bisher unter⸗ ließen, nunmehr, dem Beispiel der ihrer geistlichen Pflege empfohlenen Bevöllerung folgend, den Gesetzen des Landes, in dem sie wohnen, ich fügen werde'. In Beantwortung dieses Schreibens hatte der Papst, wie aus dem Schreiben des Kronprinzen vom 10. Juni jervorgeht, jenes Verlangen principiell abgelehnt. „Unter der Vor⸗ nussetzung“, schließt dieses Schreiben, „mich mit Ew. Heiligleit in olcher Geneigtheit zu begegnen, werde ich die Hoffnung nicht auf⸗ zeben, daß da, wo eine grundsätzliche Verständigung nicht erreichbar st, doch versöhnliche Gesinnung beider Theile auch für Preußen den Weg zum Frieden eröffnen werde, der anderen Staaten niemals zerschlossen war.“ In Anknüpfung dieses Passus hat nun der Papst den officiellen Antrag auf Einleitungen von Verhandlungen nicht üker eine „grundfätzliche Verständigung“, sondern über eine hatsächliche Regelung der Verhältnisse beantragt. Das preußische Staatsministerium beschloß, auf diesen Antrag einzugehen, und der Papst beauftragte in Folge dessen den Nuntius in München, sich nach Kissingen zu begeben. Das ist der wirkliche Verlauf der Dinge, der allerdings mit dem Märchen, daß Fürst Bismatk, um der Regierung eine feste Mehrheit im Reichstiag zu verschaffen, eine Berständigung mit Rom suche, in eclatantem Widerspruch steht. Aeber den thatsächlichen Inhalt der in Kissingen gepflogenen Ver⸗ hzandlungen läßt sich zur Zeit noch keine Mitiheilung machen. Berlimn, 13. August. Bis heute waren erst von drei Regierungen theils zustimmende, theils erläuternde Erklärungen zu dem preußischen Entwurf eines Sozialistengesetzes eingegangen. Wahrscheinlich zogen die meisten Regierungen vor, ihre Bevollmäch⸗ rigten zum Bundesrath direkt mit Informationen zu versehen, so daßß der Bundesrath in der Lage sein wird, die Berathung der vom preußischen Justizministerium entworfenen und vom Reichs⸗ ustizamt rebidirten Vorlage ungesäumt zu beginnen. Vermuthlich vird der preußische Entwurf des Sozialistengesetzes überhaupt nicht zelannt, fondern der Bundesrath wird wahrscheinlich nur die von hm gutgeheißene Vorlage emaniren lassen, und Dieß geschieht vor—⸗ wussichtlich auch erst kurz vor Beginn der Reichstags-Session. NR. Pr. Zig.) Berlin, 14. August. Die Prov.Corr.“ veröffenslicht heute »en preißischen Entwurf eines Gesetzes gegen gemeingefährliche Be— drebuugen der Socialdemokratie. Derseibe läßt administratives Berbieten von Vereinen, Versammlungen und Druchkfschriften, welche solchen Bestrebungen dienen, zu; ferner für einzelne Orte oder Be⸗ irle das Verbot des Waffentragens, des öffentlichen Verbreitens jon Druchschriften ꝛc. Berlin, 14. Augnst. Die „Prov. Cort.“ schreibt über ne Heidelberger Minister Conferenz: Ueber bestimmte Steuergesetz- ntwürfe fanden keine Detailberathungen statk; es wurden nur Ge⸗ ichtspunkte festgestellt, welche für weitere Schritte auf der Vahn er Steuerreform maßgebend sein sollen. Hierbei wurde grundsätzlich aran sestgehalten, daß behufs Verminderung der directen Steuern ine umfassende Entwickelung des indirecten Steuersystems durch das Reich stattfinden müsse. Die Angabe, das Tabakswonopol sei als u erstrebende Form der Tabaksbesteuerung in's Auge gefaßt, sei unrichtig; die Wahl eines bestimmten Systems der Tabaks-Besteuetung sjabe weder im Zwecke der Conserenz gelegen, noch gehöre sie zu eren Ergebnitz. Die Veröffentlichung der Conferenzergebnisse sei jei dem vertraulichen Charalter der Conferenz für jetzt nicht zu er— varten. Auf Grund des vereinbarten Programms würden einzelne vestimmte Gefetzentwürfe arsgearbeitet werden. —z —IVES Zur Sammlung des Bürgerthums. Die „N.Z.“ sagt in einem warm empfundenen Artikel über die jetzige Aufgabe des deutschen Bürgerthums: In solcher Laze beruht die Erhaltung, die Weiterentwickelung des Reichs, die Abwehr der inneren Feinde in allen wesenllichen S„tücken auf dem deutschen Bürgerthum. In ihm ist die Idee ines einigen Deutschlands entstanden, von ihm ist sie in Noth und Befahr gepflegt worden, von ihm aus hat sie sich in die Kreise des sdels, in die Kreise der Landbebölkerung mühsam Eingang ver⸗ chafft. Aber diese seine große und ruhmvolle Aufgabe hat das Bürgerthum, hat unsere Bildung, Wissenschaft und Kunst nur erst ur Hälfte erfüllt. Wie weit sind wir noch davon entfernt, uns Ils ein einziges, unzertrennliches Volk zu fühlen, wie die Engländer, Franzosen und JItaliener. Hier nicht nachzulassen, bdier immer von deuem die Arbeit aufzunehmen, ist unsere erste Pflicht. Es kann ich in unseren Reihen nicht um ein Mehr oder Minder liberaler Anschauungen handeln. Programme aufzustellen ist die Sache poli— ischer Parteien, aber nicht sowohl Angelegenheit der Partei, als derzens⸗ und Ehrensache sollte es allmälig Fedem im deutschen Volke derden, die offenen Feinde der neuen Ordnung aus dem Parla⸗ nente guszuschließen. Zu der Regierung werden sie noch lange ine Hinterthür gebffnet sinden, aber ihnen den Zugang zu unserm deichstag zu verschließen, liegt in unserer Macht. Bei ihrem Vahlkampf im Oktober des vergangenen Jahres vergaßen die anzösischen Liberalen mit einer bewunderungswürdigen Ueberwindung Ule perfönlichen und prinzipiellen Streitigkeiten, die sie trennten. im vor Allem die Republik vor Bonapartisten und Klerikalen, or Royalisten und Orl!anisten zu schützen und zu schirmen. Wir iuschen uns, wenn wir unser Reich für fester und unerschüttlicher ralten, als Neu-Frankreich und Neu⸗-Italien. Wir sind vielleicht ahm gekommen, dem äußeren Feinde in geschlossener Einheit zu regegnen und nicht mehr selbstmörderische Waffen gegen die eigene Irust zu kehren, aber wir haben noch lange nicht gelernt, die Ver— assung des Reiches als ein Palladium anzuerkennen und zu verehren. kin einiges Herr, eine einige Münze, ein gemeinsames Recht, ein Barlament und ein Kaiser — gewiß, es sind große Dinge, kostbare Errungenschaften: allein sie machen den Staat nicht aus, sie haben 'o jung und neu wie sie sind, noch nicht die Kraft gehabt, uns nit einem Staatsbewußtsein zu erfüllen, wie es die Franzosen und ängländer auszeichnet. So avsschließlich haben sich in den letzten Jahren der Sinn und die schöpferische Klaft der Nation auf die Jesetzgeberische Thätigkeit und das polilische Parteitreiben gerichtet, »aß in dem Kampf um einzelne Paragraphen und in Wahlftreitig⸗ eiten jene edle und erhabene Vaterlandsliebe des großen Jahres ins beinabe ganz verloren gegangen iss. De Flamme ghilt es vor Allem von Neuem anzufachen. Das Reich muß uns wieder werth and theuer werden, wenn es blühen und dauern soll. Kein Verständiger bildet sich ein, durch irgend welche Gesetze den Grist der Socialdemokratie zu bannen. Starke Dämme halten »ie Fluth vielleicht eine Weile zurück, plötzlich treibt sie der Sturm⸗ vind darüber hin. Auch in diesem Falle dürfen wir die Arbeit nicht der Polizei und dem Strafrichter uͤberlassen, wir selber müssen hätig und stetig gegen die Wühlerei vorgehen und den Agitatoren »ie blindgläubige Masse, die sie gewonnen haben, wieder zu ent⸗ reißen suchen. Die Wahlniederlage der Socialdemokraten ist schwer senug, um der Rede und der That des liebtralen Bürgerthums, im dem Gedanken der Reform gegenüber den wilden Wuünschen und Träumen eines allgemeinen Umsturzes leichteren Einfang in die Stelen der Verblendeten und Bethörten zu veischaffen. Die Ardeiter⸗