St. Ingberler Anzeiger. der St. Jugberter Anzeiger und das (2 mal woͤchentlich mi⸗ dem Haupiblatte verbundene Unterhaltungsblatt, (Sonntags mit illustrirter Bei⸗ age) erscheint wochentlich viermal: Dieustag, Donuerstag, Samstag und Sonntag. Der Abonnementspreis betragt vierteljahrlich A 40 Z einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 1 A SGoO H, einschließlich 40 ⸗ Zustell gebuhr. Auzeigen werden mit 10 H, von Auswãrts mit 13 fur die viergespaltene Zeile Blattschriit oder deren Raum, Neclamen mit 30 — vpro Zeile berechnet. A Ig6. Donnerstag den 28. August 1879. Deutsches Reich. Mäünchen, 21. Aug. Die bayerische Centrumbresse rückt mit den Pläuen ihrer Parlei immer deutlicher heraus. Sie ver⸗ angt ausdrüdlich ein Hand in Hand Gehen mit den preußischen Tonservativen, um dahin zu wirlen, daß in Deutschland ein con⸗ ervalides Regiment hergestellt werde. Noch vor einem Jahre waren diese nämlichen breußischen Conservaliven Junker“, vor denen unsere ultramontane Presse nicht genug warnen konnte. Sie nuß also jedenfalls überzeugt sein, daß die Leute, welche der ulkra⸗ nontanen Fahne solgen, ein ebenso scowaches Gedächtniß als Ver⸗ dändniß haben. Berlin, 28. Aug. Ueber die Sendung des Generalfeld⸗ nmarschalls v. Manteuffel nach Warschau werden hier vielerlei Bermuthungen und Glossen laut; die Einen nehmen sie als ein Zeichen, daß die Verstimmung Gortschakoffs gegen Bismaick, die ꝛ*euerlich das Bedürfniß verspürte, sich in einer Zeitungsfehde zu ntleeren, an dem freundschaftlichen Verhäliniß der Kaiser Wilhelm uind Alcxander nichts geändert habe; Andere hingegen wollen aus dem Umstand, daß Kaiser Alexander diesmal den gewohnten all⸗ ährlichen Ausflug nach Deutschiand unterlassen had, den Schluß siehen, er sei gleich Gorischatoff doch ungehalten darüber, daß Deutschland ihm auf dem Berliner Congreß nicht noch mehr rettete. Die Letzteren mögen wohl Recht haben, und daraus würde sich's nuch ertlären, warum gerade Generalfeldmarschall von Manteuffel auserlesen wurde, den Czaren in Warschau, wo er die in Polen iegenden Truppen inspicirt, zu begrußen. Ware es weiter nichts, als eine gewöhnliche sormelle Begrüßung, würde eine andere Per⸗ oͤnlichleit auch genügt haben. Aber Manteuffel, der deim Kaiser Alexander sehr zut angeschrieben ist und bei verschiedenen Gelegen⸗ zeiten für delicale diplomatische Aufgaben eine ganz besondere Ge⸗ chicklichkeit bekundet hat, wird wohl den Auftrag erhalten haben, vo möglich die Fallen auf der Stirne des Czaren zu glatten. Wenn es aber nicht gelingt — nun dann braucht man auch nicht jofort an Krieg zu denken, wiewohl es immerhin gut sein mag, ich für alle Faͤlle vorzusehen. In die Rubrik der Vorsichtsmaß-⸗ regeln gehört wohl auch die neuerlich angeordnete Beschleunigung des Ausbaues der die Festung Thorn umgüͤrteten Foris. Anfangs var die Bauzeit auf 4 Jahre fesigesetzt; jehzt aber sollen fie in 184 Jahren alle fertig sein. Jenseits der Grenze auf russischem Bebiet ift man eifrig daran, die neuen zur Grenze führenden Eisen⸗ dahnlinien baldigst fertig zu stellen; gerade das mag für die oberste Mititarbehörde in Berlin ein Sporn sein, die Thorner Festungs⸗ zausen auch zu beschleunigen. Berlin, 26. Aug. Die ‚Nordd. Allgem. Zeitung“ ver⸗ zffentlicht den Wahlaufruf“ der Neutkonservativen. Derselbe spricht sich füc Reform der Klassen⸗ und Einkommensteuer durch Entlastung des lediglich aus der ürbeit fließenden Einkommens, für Ueber⸗ weisung der Grund ˖ und Gebaͤudesteuer an die Kommunen, für Verrinigung der Haupt⸗-Eisenbahnlinien in der Hand des Staates, Fortsetzung der Verwaltungsreform auf Grundlage der Kreisordnung, Aus dehnung derselben mit Rücksicht auf die Verschiedenheit der that⸗ ächlichen Verhältnisse auf das ganze Staatsgebiet aus. Zur Wie⸗ derherstellung des kirchlichen Friedens sei die Hand zu bieten. In vie weit einzelne Bessiimmungen der zum Zwede des Kampfes er⸗ assenen Gesehe einer Veraͤnderung unterliegen könnten, werde von riner zwischen der Regieruug und dem päpstlichen Stuhle zu er⸗ sielenden Verständigung abhängen. Vei solcher Verständigung müßten die unveraͤußerlichen Rechte des Staates gegenüder der Kirche ge⸗ rahrt dleiben. Der konfessionelle Charalter der Vollsschule sei zu xhalten, die Leitung des Relig'onsunterrichts den Religionsgesell⸗ chasten zu Kberlassen, die Leitung des gesammten Unterrichtswesens nusse der Staat in fester Hand dehalten. Der Aufruf spricht sich endlich für eine Verlängerung der Budgetperiode aus und fordert ur Wahl konservativer Maͤnner auf. Ueber den Joll auf Eier sprechen sich die schutzzollnerischen Dresdener Nachtichten“ sehr unzufrieden aus. Sie erkläten die Annahme desselben seitens des Reichoͤags aus dem Zustande der rrmudung, in dem sich das Plenum in dem Moment der Verband⸗ ung befunden habe, auch sei die Abstimmung ziemlich zweifelhaft jewesen, Viele möchten in dem Gedränge von Abstimmungen gar icht gewußt haben, wofür sie aufstarden. Nachdem sie an die lussührungen Delbrücks in der Generaldebatte erinnert und die zesorgniß ausgesprochen haben, daß die Albuminfabrilen nach Desierreich übersiedeln würden, fahren sie fort: „Das ist das Wider⸗ nnige an dem Tarif, daß, während der Robhstoff, das Ei, ver—⸗ Illl werden muß, die Fabrikate aus dem Ei, das Eiweiß und das Figelb für sich, zollfrei eingehen. Der Schutz der nationalen Ar⸗ eil liegt hier aiso thatfächlich beim Huhn, auf den Cierschalen. Das lebendige Huhn selbst geht zollfrei über die Grenze; zweifelhaft ann die Sache werden bei Huͤhnecn, welche launig genug sind, ge⸗ ade auf dem Transport über die Grenze Eier zu legen. Der fierzoll ist so recht ein Plackzoll für alle Grenzbewohner; chikan bsen zelästigungen aller Aut wird damit Thür und Thor geöffnet. Aber nicht diese Eier im Kleinverkehr reizen den Appelit des Reichsfiskus, ondern die Waggonladungen, welche wir vom Auslande beziehen. ym Jahre 1868 wurden 772.000 Err. Eier brutto in Deulschland ingesührt (687, 000 Ctr. über die österreichische Grenze). Italien eersorgi das übrige Europa jährlich mit einem Eierüberschuß im Werthe on 25 Millionen Fransen. Aber diese fremden Eier bleiben nur ur Haͤlfte in Deuischland. Deutschland exportirte im Jahre 1878 os dod Centner Eier, zumeist Durchsuhr fremder Eier, welche zum rößten Theil über Hamburg nach England gehen. Liegt es nun ücht nahe, daß die Zollbehandlung, Kontrole und Aufenthalt dem durchsuht· Verkehr andere Richtungen geben wird, und daß der zinnahme⸗Etat für 772, 000 Centner Eier im Zollentwurf einfach ein? Illusion ist, die man wie manche andere beseitigen wird?“ Man seht, die Ernüchterung tritt rascher, als die meisten Gegner des Jolltarifs erwariet haden mögen, ein, und tioß der Mahnungen er schutzzöllnerischen Organe, an dem Tarif nicht zu rütteln, wird unachst ein Lebensmittelzoll nach dem andern Gegenstand von An⸗ griffen in den Blättern ihrer eigenen Partei. Stuttgar!t, 26. Aug. Der Genossenschaftstag nahm den Intrag des engeren Ausschusses, beir. einen Protest gegen die Ver⸗ ächtigungen der Consumvereine, an und erklärte, es sei die Pflicht iller Genossenschaften, speciell der Vorschußvereine, die Consum⸗ ereine als wichtiges Glied in der Keite des Genossenschaftswesens n dem von den Gegnern aufgezwungenen Kampfe auf's Kräftigste u unlterstützen, vorausgesetzt, daß die Consumvereine gut organisirt, üchtig verwaltet seien und im Pritcip die Baarzahlung durchgeführt sätten. — Der Genossenschaftslag lehnte den Antrag des Credit⸗ ereins in Meißen auf Zulassung der beschränkten Haftpflicht ab ind nahm die motivirte Tagesordnung des engeren Ausschusses, die inbeschrankte Solidarhast als richtige Rechts⸗ und Creditdasis der Jenossenschaften beizubehalten, mit allen gegen 8 Stimmen an. — Zum nächsten Versammlungsort für den deutschen Genossenschaftstag vurde Aliona bestimmt. Ausland. Die NRew⸗NYorker Handels-Zeitung bespricht in einer ihrer etzten Nummern die hochinteressanten Berichte, welche die amerita⸗ aischen Consuln in den europäischen Handelsastädten über die Lage er europäischen Arbeiter im Vergleiche zu jener der amerikanischen, in das auswärtige Ant in Washington erstattet haben. Dieser Vergleich fallt fur Amerila dußerst günstg aus. Namentlich väten jolgente Punkie festzustellen: „1) daß die Arbeitslöhne in en Ver. Staatlen doppeit jo hoch sind, als die in Belgien, Däne⸗ nark, Frankreich und England, dreimal so hoch wie in Deutschland, Jialien und Spanien und viermal so hoch wie in den Niederlan⸗ sen; 2) daß die Preise der nothwendigen Lebensbedürfnisse in den Hereinigten Staaten niedriger sind, als in Europa; 3) daß die Irbeilerbebolkerung von Frankreih sich in Folge ihrer Sparsamktit ind Genügsamleit verhältnißmäßig besser befindet, als die von Eng⸗ ind, der bestbezahlten in Europa; 9 daß aus Strikes, Trunljucht, Socialismus und Communismus in England und Deutschland mehr Unheil für die arbeitenden Classen erwächst, als aus allen übrigen üArsachen zusammengenommen.“