—A— Der St. Ingberter Auzeiger und das (Rmal wo hentlih) mi⸗ dem Hauptblatte verbundene Unterhaltungsblatt. (Sonntags mit illustrirter Vei⸗ lage) erscheint wöchentlich viermal? Dieustag, Donnerstag, Samstag und Sonntag. Der Abonnementspreis betragt vierteliahrlich A 40 A einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 1A G0 H, einschließlich 40 3 Zastell jebühr. Auzeigen werden mit 10 Z, von Auswäris mit 15 — fur die viergespaltene Zeile Blattichrift oder deren Raum. Neclamen mit 30 pro Zeile berechnet. AM 144. Donnerstag den LI. September 1875 — — Deutsches Reich. München, 7. Sept. Nach den vom k. Staatsministerium des Innern erlassenen Vollzugsvorschriften zum Gesetze, betr. den Verwaltungsgerichtshof und das Verfahren in Verwaltungsrechts— sachen, ist bei den Distriktsverwaltungs-Behörden die Zulassung der Deffentlichleit bei der mündlichen Verhandlung, soweit nicht Rück chten der Sittlichkeit oder des öffenllichen Wohles entgegenslehen, dem Ermessen der Behörden anheimgestellt. Die mündliche Ver—⸗ handlung der Senate der Kreisregitrungen aber hat (nach Art. 33 des Gesetzes) regelmäßig öffentlich staltzufinden; über eine Bi⸗ schränkung der Oeffentlichkeit ist in nicht öffentlicher Sitzung zu derhandeln, der Beschluß, welcher sie keschränkt, muß öffentlich ver⸗ kündet werden. Die bei den Kreisregierungen zu ihrer Ausbildung beschäftigten Accessisten und Praktikanten sind zu den mündlichen Verhandlungen, sowie zu den Berathungen der Senate beizuziehen; dieselben können als Schriftführer verwendet werden. Die Senais⸗ sitzungen sind regeslmäßig an im Voraus ein⸗ für allemal zu be— stimmenden und öffentlich bekaunt zu gebenden Tagen der Woche oder des Monats abzuhalten, unbeschadet der Anberaumung außer⸗ ordentlicher Sitzungen, wie dies die Umstände erheischen. Die jeweilige Tagesordnung ist durch Anschlog vor dem Stzungssaale rechtzeitig zu veröffentlichen. Das, was, wie vorstehend angeführt, bezüglich der Oeffentlichkeit der Sitzungen ꝛc. der Senate der Kreis— cegierungen bestimmt ist, hat auch auf die Sitzungen des Verwal⸗ jungsgerichtshofes, bezw. dessen Senate Anwendung zu finden. Berlin, 9. Sept. Das hiesige „Tageblatt“ erhält aus Nönigsberg ein Telegramm, wonach der Kronprinz auf dem Stu⸗ dentencommers geäußert habe, der ganze Skandal mit Rußland sei Unsinn, Major Liegnitz von der deutschen Botschaft in Petersburg habe ihn, den Kronprinzen, zur Eiklärung ermächtigt, die Diebstahls geschichte sei infame Eifindung eines Wiener Blattes; dem Herrn p. Liegnitz seien nur Orden und Werthsachen, aber keine Paviere Jestohlen worden. Aus Straßburg schreibt man der „N. A. Z.“ über das Kaisermanöver: am 18. September Mittags wird der Kaiser seinen Einzug in Straßburg über den Bahnhofstaden, die Blaue— wolkengasse, den Broglieplatz, durch die Luxhof⸗ und Brandgasse halten und in der Präfectur Quartier nehmen. Auf dem Wege bilden die Schulen Spalier, am Bahnhof und an der Präfectur wird Sr. Majestät von Ehrenwachen empfangen. Am Abend wird Sr. Majestät ein Zopfenstreich von sämmtlichen Spielleuten und Musitkorpz des 15. Armeekorps — einschl'eßlich der bayer schen Besatzungsbrigade und des badischen Feldartillerieregiments Nr. 80 sind es 10 Infanterieregimenter, 8 Cavalerieregimenter, 2 Feld⸗ artillerieregimenter, 1L Jägerbataillon und ein Fußartillerierefgiment. — gebracht. Am 19. September findet zwischen Königshofen und Eckolsheim die große Parade des 15. Armeekorps statt; die Krie⸗ gervereine werden auf dem Wege zum Paradefeld Auistellung nehmen. Am 20. September ist ein Manoͤber des ganzen Atmeeckorps gegen einen marklirten Feind zwischen Dossenheim, Wiesersheim, Haärtig heim und Stützheim in Aussicht genominen. Am Abend disselben Tages gibt Gegeral v. Fransechh Sr. Majestät ein Fest in den Räumen des ODificierkasinos. Am 21. September ist Ruhetag. Am 22. und 23. September finden Feldmanöver der 30. und 31. Divisionen gegeu einander in der Gegend südlich Hochfelden statt. Den Manoͤvern werden eine große Anzahl von fürstlichen Per— lonen, darunter die Prinzen Karl und Friedrich Karl, der Groß⸗ derzog von Baden und Peinz Georg von Sachsen beiwohnen; ob der Kronprinz Friedrich Wilhelm seinen Vater wird begleiten dunen, ist noch zweifelhaft. Außerdem treffen eine große Änzahl jremder — frarzoͤsischer, russischer, englischer, österreichischer, spa nischer, italienischer, ja soßar ein chinesischher und ein japanesischer — ODffiz'ere hier ein, zu deren Beritienmachung 140 Pferde hierhet geschickt werden. Zu idrer Orientirung sind Major Dincklage vom 10. Oragonertegiment und Hauptmann v. Kageneck vom 9. Jäger⸗ dataillon commondirt. Ausland. Die Nachricht von der Niedermetzeling Cavagnaris und einer Begleitung in Kabul hat in England um so mehr eischreckt, als sie unerwartet kommt. Man hatie nach Beendigung des Krieges allerdings anfangs gefürchtet, daß eine Anzahl Häupilinge gegen den neuen Emir revoltiren werde, weil dieser mit den Engländern einen ür die Afghanen nicht güostigen Frieden geschlossen habe; man hatte ich bereits mit dem Gedanken vertraut gemacht, daß man Jakub Than mit Waffengewall unterstützen müsse. Statt dessen entwickelten ich die Dinge in Afghanistan anscheinend auf die friedlichste Weise. Tavagnari wurde in der Haupistadt Kabul mit allen Ehren und zroßem orientalischeu Pomp empfangen und hat in den sechs Wochen, die er bereits in der afghanischen Haupistadt verweilte, nur angenehme Pachtichten nach London senden fönnen. Am 3. d. trat ein jäher Imsturz in der Stimmung ein; einige afghanische Regimenter, velche ihren rückständigen Sold verlangten, revoltirten und haben hren Zorn nicht an dem eigenen Fürsten, sondern au den Fremd⸗ ingen ausgelassen und diese ermordet. Die Sache klingt seht wahr⸗ cheinlich und nalütlich; trotzdem tauhen bereits Anfichten auf, velche hinter dem Aufstande entweder den neuen Em'r selber suchen, der sich auf diese Weise eines ihm lästigen Aufsehers entledigen wolle, oder welche die intellectuellen Utheber in Rußland zu finden meinen, das ein großes politisches Interesse hat, den Engländern in Afahanissan Schwieriakeiten au hereiten. —V — — i — — — — ——— Schwurgericht der Bfalz. Cii. Quartal 1870. Zweibrücken, B. Septbr. Verhaundlung gegen Johann Vitus kimmel, 19 Jahre alt, Tuncher in St. Ingbert, wegen Körperverletzung mit tödtlichem Erfolge. Vertreter der k. Staatsbehörde: Staatsanwalt Peitt Vertheidiger: Rechtskandidat Goldmann. Der Angeklagie, der nicht gerade gut beleumundet ist, kam am 27. Juli ibhin Adends gegen 9 Uhr mit seinem Kameraden Martin Pfleger in die Weirich'sche Wirthschaft in St. Ingbert. Beide waren angetrunken und fingen alsbald ohne jede Veranlafsung Streit an, was Grund dazu gab, die Beiden zus dem Lokale zu entfernen; zur hinteren Wirthsthüre wurden sie hinaus— zeschafft, kamen jedoch, ohne sich im Geringsten dadurch abschrecken zu lassen, vieder zur vorderen Thüre herein und fuhren fort, sich ungebührlich aufzu— ühren. Jetzt bat die Wirthin die anwesenden Gäste, ihr bei der definitiden Entfernung der Beiden behilflich zu sein. Es kamen denn auch drei Männer dieser Aufforderung nach, darunter auch der 48 Jahre alte einarmige Tagner Adolph Becker. Der Angeklagte wurde zuerst hinausgeschafft, Pfleger sträubte jich jedoch lange an der Thüre, bis ihn Becker mit seinem einen Urme faßte und hinauswarf. Dabei lam jedoch Beder selbst vor die Thüre, die fich hinter ihm schloß. In dem Momente, als er sich umdrehte, um die Thüre wieder zu öffnen, fFürzte der Angeklagte mit einem gezückten Dolchmesser auf hn und stieß ihm die fürchterliche Waffe mit dem Rufe: „Soil man sich von so einem einarmigen Hund hinausschmeißen lafssen!“ mit aller Wucht wischen die Schulterblätter und lief dann davon. Der Geftochene ging ins Wirthszimmer, zog mit den Worten „ich hab' aber eben eine gekriegi“ feine Joppe aus, taumelte, stürzte zusammen und war nach wenigen Augenblicken eine Leiche. Die Sektion ergab, daß das Messer 9 —10 em tief eingedrungen var und in der liuken Brusthöhle die absteigende Hauptaterie durchschnitien satte, so daß der Tod mit innerer Verblutung und damit verbundener derz⸗e und Lungenlähmung nothwendig eintreten mußte. Der Angeklagte sielt sich an jenem verhängnißvollen Abende noch einige Zeit im Wirths- jarten von Philipp Emmrich auf, wo er sich seines Messers entledigte. Äls ie Kunde von dem eingetretenen Tode des Becker auch in den Emmrich'schen Barten drang, entfernte er sich und verstechte sich im protestantischen Pfarr⸗ jzarten, wo er am andern Morgen verhaftet wurde. Er gesteht seine That in. Bezeichnend ist, daß er am Nachmittage jenes Tages äußerte, heüte eichne er einen, daß er daran zu lecken habe, so lange er lebe. Kurz vor »er Katastrophe hatte der Angeklagte mit Pfleger in der Winkelmann'schen Wirthschaft sich ebenfalls so aufgefuührt, daß man sie hinauswerfen mußte, vobei Wirth Winkelmann einen Stich in den Kopf, erhielt, ob derfelbe edoch auch vom Angklagten herrührte, konnte nicht festgestellt werden. Die . Staatsbehötde führte aus, wie die Verbrechen dieser Art mit dem Exzeß⸗ edurfniß und der Verwilderung unserer Jugend immer mehr im Zunehmen egriffen seien und wie in dieser Hinsicht zwischen der Pfalz und den ver⸗ eufenen jenseitigen Provinzen bereits kein Unterschied mehr bestunde. Der Borfall, nm den es sich heute handelt, kennzeichne so recht das Sonntagsleben der jungen Burschen; da werde den ganzen Tag gezecht, krakehlt, und endlich uhe man nicht, bis man das Blut eines Nebenmenschen habe fließen sehen. Das Leben eines Menschen sei dann auf die Spitze des Messers eines solchen Burschen gestellt. Diesen Vorkommnissen müsse der Strafrichter mit aller hm zu Gebote stehenden Strenge entgegenireten; im vorliegenden Falle etwa wegen der Jugend oder wegen der Betrunkenheit des Angeklagten mildernde Umstände anzunehmen, das hieße die Erzeßsucht dieser Leute nur noch unter⸗ düten. Die Vertheidigung plädirte in erster Linie auf Freisprechuna weger