St. Ingberler Anzeiger. Der St. Jugberter Anzeiger und das (2 mal wöchentlichj mit dem Hauptblatte verbundene Unterhaltungsblatt, (Sonntags mit illustrirter Bei⸗ lage) erscheint wöchentlich viermal:? Dieustag, Donnerstag, Samstag und Sonntag. Der Abounementspreis betragt vierteljährlich A 40 einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen J M 60 H, einschließlich 40 H Zustellgebuhr. Anzeigen werden mit 10 —, von Auswärts mit 15 fur die viergespaltene Zeile Blattichrist oder deren Naum, Neclamen mit 30 4 vpro Zeile berechnet. M 196. Donnerstag, den 9. Dezember 1880. — Deutsches Reich. Aus München wird dem „Pf. K.“ geschrieben: Bezüglich der neulichen Zeitungsmittheilung, daß der Malzaufschlag im laufenden Jahr einen viel höheren Ertrag, als im Finanzgesetz ver— anschlagt ist, liefere, wird uns von unterrichtetrr Seite mittgetheilt, daß im ersten, zweiten und dritten Quartal der Ertrag des Auf— schlags insoferne allerdings ein erfreulicher war, als der Voran— chlag erreicht bezw. etwas überschritten wurde, und daß, wenn der Ertrag im laufenden vierten Quartal nicht ungünstiger wird, der Jahresertrag den Budgetvoranschlag (32,467, 400 M.) wenn nicht äbersteigen, so doch jedenfalls erreichen wird, und das wäre bei der Hohe des Voranschlags schon ein sehr befriedigendes Ergebniß. Auch noch bei einigen anderen größeren Einnahmeposten des Staats haushalts sollen dem Vernehmen nach recht günstige Jahresabschlüsst in Aussicht stehen. Die 4. Strafkammer des Landgerichts zu Berlin verurtheilte den Redakteur der „Volks-Zeitung“ und des „Illustrirten Sonn— — DD Nr. 5 des „Sonntagsblattes“ enthaltenen Beleidigung des Königs von Bayern und der bahyerischen Armee zu vierwöchentlicher Fest— ungshaft, zur Tragung der Kosten und Bekanntmachung des Ur—⸗ theils im „Sonntagsblatt.“ Der Militäretat pro 1881,82 fordert für Preußen und ür die unter preußischer Verwaltung stehenden Kontingente an dauernden Ausgaben M. 265,657, 377, d. i. 14,572, 449 M. mehr, für Sachsen 21,402,028 M., mehr 2,345,162; für Würt-⸗ lemberg 14,464,958 M., mehr 722,102. An einmaligen Aus— gaben für den preußischen Etat 22,288,702 M., mehr 15,738, 189; für Sachsen 3,206,800 M., mehr 2,772,644; für Württemberg 705,271 M., mehr 75,041. Das Extraordinarium des Militär— etats beträgt 23,578,004 M., weniger 4,780,861. Immer bestimmter auftretende Meldungen bestätigen, daß dem Reichstage ein Vorschlag wegen Erhöhung der Tabaksteuer vorgelegt werden soll. Wann wird denn endlich einmal diese so sehr beunruhigte vielgeplagte Industrie wieder die nöthige Sicher— heit finden? Oder soll vielleicht mit in Folge dessen aus dem Reichs— lage selbst heraus das Monopol beantragt werden? Im Reichsamt des Innern tritt am 14. Dez. die Kommission zur Prüfung des Gesetzentwurfs über Vorschriften zum Schutze gewerblicher Arbeiter gegen Gefahren für das Leben und die Gesundheit zusammen. Die „Nordd. Allg. Ztg.“ erklärt die Meldungen des „Standart“ aus Köln über französisch-deutsche Verabredungen in Friedrichs— ruhe in jedem einzelnen Punkt für völlig aus der Luft gegriffen. Die Besprechungen des Reichskanzlers mit dem Fürsten Hohenlohe und dem Grafen St. Vallier hätten gleich allen anderen Beziehungen in der jüngsten Zeit den Beweis geliefert, daß die Regierungen der beiden großen Nachbarstaaten in ihrer friedlichen Tendenz, ihrer Politik und ihren Ansichten über die einstweilige Behandlung der Drientfrage vollstandig übereinstimmen, aber weder kommunistische Bestrebungen und deren Unterdrückung, noch die Möglichkeit neuer Königreiche an der Donau seien unter den drei Diplomaten in Friedrichsruh auch nur mit einer Silbe erwähnt worden. Ausland. Dublin, 7. Dez. Eine Versammlung der Landliga in Brookeborough wurde gestern verboten; trotzdem versammelten sich heute 5000 Personen in der Nähe des Dorfes, wurden aber von der Polizei und Dragonern leicht vertrieben. Drei Verhaftungen wurden vorgenommen und die Aufruhr-Akte im Dorf verlesen. Die Botschaft bei Eröffnung des Kongresses der Vereinigten Staaten empfiehlt die Reform des Staatsdienstes durch Ein⸗ führung von Beamten⸗Konkurrenzprüfungen. Gegen die Mormonen joll die Strenge der Gesetze angewendet werden. Die Beziehungen zu den auswärtigen Mächten sind ununterbrochen friedliche; auch die Verständigung mit Deutschland betr. der Naturalisationsverträge schreitet günstig fort. Die Ausführung' des Panamakanals müssc mit den Interessen der Union übereinstimmen. Die Finanzlage sei die günstigste. Die Ueberschüsse des letzten und des laufenden Jahres beziffern sich auf 66 und 90 Mill. Deßhalb scheint eine Konventirung räthlich. Die Botschaft hebt die großen militärischen Verdienste Grant's hervor und schlägt vor, ihn zum Generalkapitän zu ernennen. Pfälzisches Schwurgericht. IV. Quartal 1880. Die Session begann am 6. Dezeuber in Zweibrücken uud wurde vom Vorsitzenden um 8!/3 Uhr mit einer kurzen Ansprache an die Geschwo⸗ renen erbffnet, in welcher er sie zu vereinter Thätigkeit willlommen hieß und jie mit den einzelnen Pflichten und den Formen der Ausubung ihres Amtes bekannt machte. Hierauf wurde zur Verhandlung des ersten Falles ge⸗ chritten. Verhandlung gegen Benedikt Fisscheer, Schuster von Hanhofen. 48 Jahre alt, zuletzt Fabrikarbeiter in Ludwigshafen wegen Todtschlags Bertreter der königl. Staatsbehörde: Staatsanwalt Petri; Vertheidiger: Rechtsanwalt Kieffer. Die Reninerin und Wittwe Barbara Stern, ge⸗ borene Eslkales in Ludwigshafen, war Eigenthümerin des sogen. „fünfstöcligen Baues“ daselbst — einer echten Miethkaserne. Trotzdem sie heuie nicht mehr lebt, wird die Wittiwe Stern von den Zeugen als eine unverträgliche und zum Uebermaß geizige Frau geschildert, die sich sogar scheute, ihr Haus in einen angemessenen Zustand zu versetzen resp. zu erhalten, weshalb sogar öf⸗ lers von Seiten der Baupolizei eingeschrititen werden mußte. Wer eine jolche verwahrloste Wohnung mit der angenehmen Beigabe einer zänkischen dausherrin miethete, war eben meistens durch Noth dazu gezwungen und so am es, daß die Miethsleute der Wittwe Stern zu der aͤrmsten und wohl auch meistens verkommensten Klasse der Bevölkerung gehörten, die nur selten tegelmäßig zahlten und so dem Geiz und der Unverträglichkeit der Wittwe Stern immer frische Nahrung gaben. Der Angeklagte Fischer genießt allgemein einen schlechten Ruf und wurde zuch schon mehrfach bestraft, darunter einmal wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt zu 4 Wochen Gefängniß. CEr soll ungern arbeiien, dafür aber un so lieber gut leben. So mußte er zu Schulden kommen und mit den Schulden kam das Elend, die Noth, und damit eine allgemeine, besonders aber gegen drängende Mahnungen der lästigen Gläubiger gereizte Stimmung. Er mielhete in der Mitte des Monats Juli abhin bei der vorgenannten Wittwe Stern im Hinterhaus ihres Kasernenbaues eine ärmliche Wohnung. Seinem früheren Hansherrn war er noch 70 Mark Miethzins schuldig und hotte er auch sonst noch bei Krämern und andern Leuten, wie schon erwähnt, jür seinen spärlichen Fabrikverdienst ziemlich drückende Schulden. Der Mieth— vertrag mit der Wittwe Stern wurde mündlich mit monatlicher Kündigung und monatlicher Zahlung des Miethpreises abgeschlossen. Am 18. August abhin wurde die erste Monatsrate des Miethzinses fällig. Beld war keines im Hause und die Ehefrau Fischer will schon am Tage vor⸗ her die Witiwe Stern gebeten haben, sie möge sich noch bis nächsten Samstag, wo ihr Mann Zahltag habe, gedulden. Der Angeklagte lärmte in der Rachi vom 17. auf 18. August und schimpfte, von dem Sohne der Wittwe Stern zur Ruhe gewiesen, auch auf diesen noch in ungebührlicher Weise. Dies mag nun wohl der Hauptgrund gewesen sein, weßhalb die Wittwe Stern keine Ge⸗ duld üben wollte, vielmehr am Nachmittag des 18. Augnst, kurz vor zwei Uhr, während sich Fischer in der Fabrik befand, mit ihrem Sohne Ferdinand und dem ebenfalls im Hause wohnenden Tagner Georg Day in das Fischer'sche Wohnzimmer ging und dort die Fenster aushängen ließ. Die Ehefrau Fischer vehrte sich dagegen, schickte auf die Polizei und ließ auch durch ihr Njähriges Töchterchen den Vater in der Fabrik rufen. Der Polizeidiener Probeck war zuerst zur Stelle und verbot der Wittwe Stern ihr Borgehen gegen den säumigen Schuldner als eine unerlaubte Selbst⸗ hilfe. Wittwe Stern und Frau Fischer gaben nun ihren beiderseitigen Ge— ühlen nicht in der feinsten Art Ausdruck. Während sie sich schimpften, kam »er Angeklagte mit seinem Töchterchen, das ihm auf dem Wege von der Fabril das Vorgehen der Wittwe Stern erzählt und auch beigefügt hatte, es sei von derselben in brutaler Weise an die Wand gedrückt worden. Auf der Treppe zegegnete der Angeklagte dem Polizeidiener Proleck, der ihn zur Ruhe er⸗ nahnte. Der Angeklagte gibt an, er sei in der fürchterlichsten Aufregung über die Schmach gewesen, die ihm und den Seinen zugefügt worden sei; inten habe er bereits das Messer geöffnet, aber nicht um der Wittwe Stern twas zu Leid zu thun, sondern nur um sich gegen Thätlicht iten des Tagners Day zu schützen, von dem ihm sein Töchterchen erzählt habe, er sei auch mit inem Prügel oben im Wohnzimmer. Als er aber oben angekommen, die Wittwe Stern vor sich stehen sah, da habe ihn die Wuth übermannt, er habe aicht mehr gewußt, was er thue und daß er ein Messer in der Hand halte, ei der davonlaufenden Frau gefolgt und habe ihr hinten in's Genick geschla— zen; tödten habe er sie nicht wollen. Die Frau war aber schwer getroffen und gab wenige Minuten nach dem Stich ihren Geist auf. Die k. Staatsbehörde hielt die Anklage auf Todtschlag aufrecht und 'olgerte die Absicht zu tödten aus der Gefährlichkeit der Waffe und der An— vendung derselben einer alten wehrlosen Frau gezenüber, sowie aus der Wucht des Stoßes; jedenfalls läge eine Körperverletzung mit nachgefolgtem Tode vor ind von mildernden Umständen könne keine Rede sein. Die Vertheidig⸗ ing stellte auf, die Absicht zu tödten sei keineswegs zur Evidenz er⸗ viesen, der Angeklagte habe eben die Frau Stern fur ihr harther⸗ iges Vorgehen und die Schande, die sie ihm dadurch bereitet habe, züch⸗ ligen wollen und deßhalb mit dem Messer, das er zur Abwehr gegen etwaige Ingriffe des Tagners Day geöffnet hatte, zugestoßen. Jedenfalls müßten in »em schonuugslosen Vorgehen der Wittwe Stern und der deßhalb aufs Höchste gespannten Gereiztheit des an sich schon leidenschaftlichen Angeklagten, ferner