— — — —e — — — — — — der St. Jugberter Anzeiger und das (2 mal wöchentlichj mit dem Hauptblatte verbundene Unterhaltungsblatt. (Sonntags mit illustrirter Rei lage) erscheint woͤchentlich viermal: Dieustag, Donnerstag, Samstag und Sountag. Der Abonnementopreis betragt viertellährlich EAs6 40 einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 1 60 H, einschließlich 420 ß Zustellgebühr. Anzeigen werden mit 10 H, von Auswäris mit 15 — fuür die viergeipaltene Zeile Blattschrit oder deren Raum, Neclamen mit 30 A pro Zeile berechnet. 48 197. Samstag, den 11. Dezember 1880. Deutsches Reich.“ Der Plan des Reichskanzlers in Bezug auf die Ver—⸗ icherung der Arbeiter soll nunmehr vollständig ausgearbeitet und seine Veröffentlichung demnächst zu erwarten sein. Voraus— ichtlich wird der Plan zunächst dem preußischen Volkswirthschafts— raih zur Prüfung und gutachtlichen Aeußerung vorgelegt werden und erst dann diejenige Formulirung erfahren, welche die Vorlegung desselben dei den Faktoren der- Gesetzgebung erfordert. Der König und die Königin von Württemberg werden im 29. Dezẽmber nach Cannes abreisen, um in Südfrankreich nehrere Monate Aufenthalt zu nehmen; die Majestäten werden im Laufe des Monats Mai nach Stuttgart zurückkehren. Die „Elsaß⸗Lothr. Ztg.“ veröffentlicht eine Verordnung des Statthalters der Reichslande betreffend die Einsetzung von Bezirksunterrichtsräthen für jeden der drei Bezirke des Landes; dieselben bestehen, außer dem Bezirkspräsidenten und dem Schulrath des Bezirks sowie einem Kreisschulinspektor, aus Vertretern der Heistlichkeit aller Konfessionen, je zwei richterlichen Beamten und bier Kreiseingesessenen, von denen zwei Mitglieder der Bezirkstage iind. Die Unterrichtsräthe sind jährlich mindestens zweimal zu ersammeln; sie sind zur Begutachtung der auf das niedere Unter⸗ richtswesen bezüglichen Verhälinisse berufen, und es können die Mitglieder darauf bezügliche Anträge einbringen, welche mit dem Zutachten des Unterrichtsrathes dem Ministerium einzureichen sind. — Die erste Session der Unterrichtsräthe soll im März stattfinden. In Bezug auf die Loͤsung der Frage betreffend Dulcigno schreibt die Berliner „Provinzial-Korrespondenz'“. Bei Erledigung dieser Angelegeuheit sowie bei Auflösung der gemeinsamen euro⸗ zäischen Flotte ist von allen Mächten den Bestimmungen und zu— zleich dem Geiste des Berliner Vertrages gehuldigt vorden. Ausland. Dem Pariser Gemeinderath wurde am 7. Dez. Rocheforts ühesuch um Errichtung eines Denkmals zu Ehren der Kommune jorgelegt; derselbe aber ging mit 33 gegen 29 Stimmen zur ein— 'achen Tagesordnung über. Die opportunistischen Blätter sind ganz )erdutzt dar ber, daß die Inbetrachtnahme der Petition Rocheforts nit so geringer Majorität abgelehnt wurde. Ein Blatt sagt: es ehlten nur vier Stimmen und die Kommune zog ein durch Ver⸗ mittelung des Gemeinderathes; das sei ein Erfolg, über den man nicht stolz sein könne. (Allerdings nicht) Die Sitzung war so türmisch, daß sie suspendirt werden mußte. Die Radikalen ver⸗ prechen, ihr Projekt bald wieder aufzunehmen. Aus Irland werden neue Unthaten gemeldet. Auf einen Bächter in Dornleg, Grafschaft Clare, der jüngst den vollen Pacht⸗ —I einer Familie am Kamin saß. Er blieb unversehrt, aber seine Frau und Kiuder wurden verletzt. Zwei in derselben Grafschaft insäsfige Wittwen, die sich aus demselben Grund mißliebig gemacht, rhielten den Besuch einiger Weiber mit geschwärzten Gesichtern, ie sie mit Weberkarden behandelten. Zwei Männer, die in den Diensten eines à la Boycott in den Bann gethanen Pächters blieben, veil er ihnen doppelte Löhnung versprochen, wurden beinahe todt⸗ zeprügelt und gewarnt, daß sie erschossen werden würden, wenn ie den Pächter nicht sofort verlassen. Ein Gerichtsdiener, der un⸗ »orsichtig genug war, Exmissionsklagen auf den Gütern von Lord Claremorris ohne polizeilichen Schuß zu behändigen, wurde der— irtig zugerichtet, daß sein Wiederaufkoimmen bezweifelt wird. Das „Boycotling“ wird jetzt gegen alle Pächter angewendet, die ihren Bachtzins voll entrichten, sowie gegen alle Personen, die nicht der dandliga beitreten wollen. Ein Pächter Namens Mahomiy wurde n einem Graben unweit Tralee ermordet gefunden. Eine Anzahl hewaffneter und maskirter Männer besuchte am Mittwoch Abend zen Distrikt Kastle-Island und bemächtigte sich aller Waffen, die ie finden konnten. Die Pforte hat am 8. Dez. den Text einer die griechische frage betreffenden Rote festgestellt: Die Pforte hält als äußerste Lerritorialzugeständnisse die in der Note vom 3. Oltober angebotenen koncessionen fest, wonach Larissa, Metzowo, Janina und Tichamurli yon der Abtretung an Griechenland ausgeschlossen sein sollen. Die Pforte verlangt wirksamen Beistand der Mächte gegen die offen⸗ undigen Rüstungen Griechenlands, welche die Pforte zu gleichem Vorgehen zwingen. In diplomatischen Kreisen wird die gegenwärtige Stellung der Mächte zur Orient⸗-Frage wie folgt charakterisirt: der Berliner Vertrag ist strikte durchzuführen, dabei wird die monte— iegrinische Frage vollständig ausgetragen; die Lösung der griechischen Frage ist im Berliner Vertrage nicht vorgesehen. und die Berliner donferenz wollte lediglich einen Ausgleich vorschlagen und die Aus⸗ ührung den beiden interessierten Mächten überlassen. Die jetzige Aufgabe der Mächte ist einen Ausgleich herheizuführen der allseitig hefriedigte. Pfälzisches Schwurgericht. IV. Quartal 1880. Zweibrücken, 6 Dezbr. Nachmittagssitzung. Verhandlung gegen Fhristian Haußer, 27 Jahre alt, Bahnarbeiter von Altstadt, z. Z3. in Wellesweiler bei Neunkirchen, wegen Verbrechens gegen die Sitilichkeit. bertreter der k. Staatsbehörde: Staatsanwalt Dr. Kreü, Vertheidiger: Rechts⸗ inwalt Gießen. Schon im Jahre 1876 wurde der Ängeklagte wegen eines ihnlichen Verbrechens vom hiesigen Zuchtpolizeigerichte zu einer dreijährigen Zuchthausstrafe verurtheilt, welche Strafe durch appellgerichtliches Urtheil auf dJahre heravgesetzt wur e. Das heute ihm zur Last liegende Verbrechen hai serselbe am 27. Otltober abhin zwischen Mitielberbach und Homburg verübt ind entziehen sich die näheren Details natürlich der Oeffentlichkeit. Der Angeklagte ist geständig und wird ohne Annahme mildernder Um⸗ tände schuldig erklät und zu einer Zuchthausstrase von 4 Jahren ʒꝛerurtheilt. 7. Dez. Verhandlung gegen Margaretha Weis, 24 J. alt. Chefrau »on Wilhelm Jost, Schuster in Pirmasens, wegen Körperverletzung mit nach⸗ zefolgtem Tode. Bertreter der k. Staatsbehörde: Staatsanw. Kieffer, Vertheidiger: Rechtsanwalt Ginmck. Es sind eben Pirmasenser Verhältnisse in ihrer tiefsten moralischen Berkommenheit, auf die heute ein Streiflicht geworfen wird, Verhältnisse der raurigsten Art, die in ihrer einen oder andern Aeußerung die Zweibrücker Straftummer fast in jeder Sitzung beschäftigen. Wir wollen uns nicht mit er Vorgeschichte des heutigen Verbrechens, die gleichbedeutend ist mit der rößtmöglichen Corruption jeden Familienlebens, näher befassen, sondern nur den Thatbestand des heute in Frage kommenden Verdrechens kurz schildern. Die Angeklagte ist die zweite Frau ihres Mannes. Den Kindern des⸗ elben aus erster Ehe, Franz und Elisabeth Jost, war sie eine echte Stieff⸗ nutter. Mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln suchte sie die beiden aus zem Hause zu schaffen und lebte deßhalb mit ihnen und ihrem Manne in be⸗ tändigem Unfrieden. Am 4. März abhin hatte sie sich den ganzen Nachmit⸗ 'ag mit ihnen herumgezankt und den Streit des Abends und die darauffol⸗ jende Nacht fortgesetzt. Am Morgen des 5 März stand sie auf und verließ, im Milch zu holen, nach 7 Uhr das Haus. Die beiden Stiefkinder waren benfalls aufgestanden und unterhielten sich über die Behandlungsweise ihrer Stiesmutter, da ging plötzlich die Stubenthüre auf und die Angeklagte, die ffen bar draußen gelauscht haite, stürzte mit dem Rufe: „Was hab ich?“ herein juf den am Ofen gebückt stehenden Stiefsohn Franz zu und versetzte ihm mit ziner „Schusterkneipe“, einer in Pirmasens und nächster Umgebung höchst be⸗ iebten Moroewaffe, einen Stich in den Rücken. Dee schwer in die Lunge Ge⸗ roffene stürzte zusannnen uñd gab nach wenigen Minuten seinen Geist auf. Die Anklage nimmt picht an, daß die Angeklagte die Absicht zu tödten zehabt habe, weßhalb dieselbe auch nur wegen Körperverletzung mit lödtlichem Erfolge vor das Schwurgericht verwiesen wurde. Die Thäterin wurde sofort in Haft genommen, verfiel aber nach kurzem JAufenthalte im Untersuchungsgefängnisse in melancholischen Wahnsinn und ver⸗ irsachte durch ihr lautes und exaltirtes Benehmen große Störungen im Ge—⸗ ängnisse, weßhalb die zeitweise Einstellung des Verfahrens gegen sie von Seite der Strafkammer beschlossen wurde. Sie wurde in das Bürgerhospital und jon da, als sich ihr Zustand nicht besserte, in die Kreisirrenanstalt nach Klin⸗ zenmünster verbracht, von wo sie, nachdem ihr Geifteszustand wieder einiger⸗ maßen normal war, wieder in Untersuchungshaft geuommen wurde. Sowohl der k. Landgerichtsarzt, der sie längere Zeit im Untersuchungsgefängnisse be⸗ obachtet hatte, als auch die betreffenden Herren Aerzte in Klin, enmünster, die als Experten über den Geisteszustand geladen sind, erklärten in ihren Gut⸗ achten, daß die Angellagte zur Zeit der That vollständig zurechnungsfähig war und erst durch die Angst vor Strafe in den Zustand der Geistesstörung, an dem übrigens Manches simulirt sei, gebracht worden ist. Ehefrau Jost wurde unter Annahme mildernder Umstände für schuldig exklärt und zu ?2 Jahren Gefängniß verurtheilt. 8. Dez. Verhandlung gegen Philipp Ernst, 831 Jahre alt, Leineweber ind Maner von Winterbach wegen VBrandstift ung. Vertreter zer kgl. Staatsbehörde: Staatsanwalt Kieffer; Vertheidiger: Rechts⸗ andidat Schuler. Der Angellagte ist Witiwer und bewohnt allein sein in Winterbach ge⸗ egenes einstöckiges Wohnhäuschen. Er ist in Vermögensrückgang und sein Zorleben hauptsächlich durch den Umstand getrübt, daß er bereits im Jahre 878 wegen Brandstiftung in Untersuchung war, ohne daß jedoch dieselbe zu inem greifbaren Resultate geführt hätte. Sonntag, den 15. August abhin. —2