SIl. Ingberler Anzeiger. Der St. Jugberter Anzeiger und das (2 mal wöchentlich) mit dem Hauptblatte verbundene Unterhaltungsblatt. GSonntags mit illustrirter Bei— age) ericheint wöchentlich viermal: Dieustag, Donnerstag, Samstag und Sonuntag. Der Abonunementspreis betragt vierteljahrlich AM 40 2 einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 1AM 60 A, einschließlich 40 Zustellgebüͤhr. Anzeigen werden mit 10 B, von Auswarts mit 13 — fur die viergespaltene Zeile Blatischrist oder deren Naum, Neclamen mit 30 pro Zeile berechnet. * 44 Donnerstag, den 17. März 1881. Deutsches Reich. Se. Maj. der König Ludwig . von Bayern hat noch im Sonntag Abend nach erlangter Mittheilung von dem Attentat — Erregung ein Kondolenztelegramm an den euen Kaiser Alexander LI. abgesandt. Im Auftrag Sr. Maj. des Konigs von Bayern begiebt ach Prinz Arnulph zur Begraͤbnißfeier nach Petersburg. In der tegleitung des Prinzen Arnulph befinden sich der Commandeur des . Thevaurlegers-Regiments, dessen Oberstinhaber Kaiser Alexander U. var Oberstueutenant Passavant, und der Hauptmann vom In⸗ anterie⸗Leibregiment Frhr. v. Zobel. Die bayerische Reichsrathskammer hat in ihrer Montags⸗ itzung die Vorlagen belr. das Richterdisciplinargesetz, die Korord⸗ auͤng die Ausführung des Reichsviehseuchengeseßes und die Revi⸗ ion. des Landiagwahlgesetzes einstimmig angenommen. Es liegt omit Gesammtbeschluß beider Kammern vor. J As dem baierischen Heere treten in neuerer Zeit vielfach Officiere aus, um in sächsische Dienste zu treten. Wegen der Hildung neuer Regimenter im Bereiche des 12. Armee- Corps Konigreich Sachsen) ist dort großer Mangel an Officieren und ind deßhalb die Abancementsaussichten günstiger als bei uns. Die „A. A. Z.“ schreibt, daß man im Auswärtigen Amt zu Berlin leineswegs sich eines Wechsels der rujsischen auswärtigen Bolitik versehe. Der veutsche Kaiser ist von den Vorgängen in Petersburg tief gebeugt, indessen wie man hört, und wie sich Dies auch bei dem am Dienstag Siatt gehabten Empfange der Hräsidenten des Reichstages wahrnehmen ließ, körperlich durchaus üstig und ungebrochen. Anfangs war der greise Monarch willens, dersoͤnlich zur Beisetzungsfeierlichkeit nach Pelersburg zu reisen und nur auf den dringenden Wunsch der Aerzte hat er sich bestimmen lassen, diesen Plan aufzugeben. In Vertretung des Kaisers wird zer Kronprinz in Begleitung seiner drei persoͤnlichen Adjutanten aach Petersburg abreisen; ob auch der Feldmarschall Graf Moltke dahin folgen wird, ist noch ungewiß. In der Begleitung des Kron⸗ prinzen wird sich u. A. noch befinden der kommandirende General des 11. Armeekorps, General der Kadallerie Frhr. v. Schlottheim. Es verlautet, daß Wärlemberg die Initiative zur Ein— ührung des Tabakmonopols im Bundesrath ergreifen werde. Ausland. Die englische Zeitung „Daily News“ meldet aus Durban dom 14. Maͤrz die Verlängerung des Waffenstillstandes der Eng⸗ Ander mit den Boeren um vier Tage. — Einer Meldung aus Rewcastle zufolge verließen 1000 Farmer den Oranje⸗Freistaat der sich bis jetzt neutral verhalten hat) auf eigene Faust als Frei⸗ schdrler, um sich den Transvaal⸗Boeren anzuschließen. Nach einer Petersburger Meldung des „Tageblatt“ erhielt der bderstorbene Kaiser in der vorigen Woche aus Paris ein sistchen mit Pillen gegen Asthma und Rheumatismus. Der Kaiser abergab dem Leibarzt Voltin das Kästchen zur Begutachtung. Dieser zemerkte beim Oeffnen einen zufällig hingekommenen Bindfaden und wollte diesen herausziehen, ploͤtzlich erfolgte eine leichte Detonation. die Untersuchung ergab, daß die Sendung eine Menge Dynamit enthielt, die genügt hätte, um mehrere Menschen zu zerschmettern. Nach der „Kationalzeitung“ liegen aus letzter Zeit Aeußer— angen des ehemaligen Thronfolgers und jetzigen russischen Kaisers bor, die eine Deutschland freundliche Gesinnung bekunden. Von den auswärtigen Beziehungen des neuen Zaren ist seine Schwägerschaft mit dem Prinzen von Wales wie mit dem welfischen Prätendenten Herzog von Cumberland durch die dänischen Vermahlungen dieser Füuͤrsten zu verzeichnen. Der wohl unter⸗ richtete und befähigte neue Monarch gilt für einen entschiedenen Begner Deutschlands. Die betreffenden Hofanekdoten u. s. w. sind oft erzählt worden. Um England vorläufig aus dem Spiel zu lassen: das dänisch⸗russische Verhältniß wird jetzt wohl ziemlich eng gezogen werden; auch der Konig von Griechenland koͤnnte von dem oliůschen Einflusse seiner kaiserlichen Schwester Nutzen ziehen. Durch ein eigenthümliches Zusammentreffen hat nach dem im ver⸗ dichenen Sommer verzeichneten Scheitern einer russischen Annäherung an Schweden durch den Besuch des jetzigen Zaren in Stockholm die jüngste Berliner Vermählung zu einem seltsamen dynastischen Begenüber geführt. Der der jetzigen Prinzessin Wilhelm von Preußen verwandte dänische Hof oͤlieb der Feier als solcher fern ind hatte nur glücksburgische Seitenverwandie gesendet; der gleich nach jenem Stockholmer Besuch des jetzigen Zaren demonstrativ zu en deutschen Kaisermanövern nach Metz gesandte Kronprinz von Zvchweden aber erschien bei der Berliner Vermaählung, um sich wenige Tage nachher mit der Prinzessin Viktoria von Baden, Enkelin des deuischen Kaisers, zu verloben. Man hat derartige Verhältnisse hielfach überschätzt; neuerdings ist man wohl im Allgemeinen in der Gefahr, sie zu unterschätzen. Selbst der jetzige Souverän von xẽingland hat z. B. 1864 in der schleswig⸗holsteinischen Angelegen⸗ seit persönlich einen bedeutenden Einfluß ausgeübt. Es könnte ein, daß sich in dieser russisch-⸗dänischen und deutsch⸗schwedischen Berbindung eine einflußreiche Konstellation speziell für die nord⸗ europäische Politik vorbereitete. Sehr werden natürlich daneben die inneren Zustände Frankreichs, die nächste Entwicklung der orientalischen Krise, die englische Politik in Zentralasien u. s. w. in das Gewicht fällen. Ein friedliches Moment ist der russische Thronwechsel entschieden nicht, obgleich oder weil den Zaren zunächst nuere Fragen übermäßig beschäftigen werden. Hoffentlich wird er fur dieselben keine Ablenkung nach außen, durch einen Krieg suchen. Der russische Minister des Inneren macht bekannt, einer der Hauptanstifter des letzten Altemates, der schon am vorigen Freitag verhaftet worden war, habe seine Betheiligung an der Vor⸗ bereitung des Verbrechens eingestanden und den Russakoff ebenfalls als Anjtifter bezeichnet. Russakoff erkannte den Leichnam jenes Mannes welcher augenscheinlich die zweite Bombe warf und dabei dtlich verwundet wurde, als den seines Mitschuldigen an. Die Wohnung, aus welcher die Bomben geholt worden waren, wurde in der Nacht vom 14. auf 15. März entdeckt; der Inhaber der Wohnung erschoß sich bei'm Erscheinen der Polizei; ein bei ihm vohnendes Frauenzimmer wurde verhaftet. In der Wohnung wurden Zprenggeschosse gefunden, sowie der Entwurf einer Proclamation, velche besagte, daß das Attentat von zwei Personen ausgeführt vorden sei. Vormittags 11 Uhr erschien in derselben Wohnung in junger Mann, der sofort verhaftet wurde und bei der Ver⸗ haftung sechs Revolverschüsse abfeuerte; ein Polizist wurde dabei verwundet. Ueber das Attentat anf den Kaiser Alexander I. tragen wir aus verschiedenen Berichten noch Folgendes nach. Im Ganzen sollen durch die zwei Explosionen etwa 20 Personen theils getödet, heils verwundet worden sein. Unter den Verwundeten ist auch der Großfürst Michael, den ein Vombensplitter traf sowie der Po⸗ sizeimeister Dworschitzti, der den Kaiser begleitete. Der Kaiser konnte, als man ihn in den Winterpalast gebracht und auf's Bett gelegt hatte, nicht mehr zusammenhängend sprechen; er war in Folge des starken Blutverlustes fast fortwährend ohnmächtig. Die hZeine hingen an den zerschmetterten Stellen nur noch durch einige halbzerrissene Muskeln mit dem uͤbrigen Körper zusammen; auch die rechte Hand des Kaisers war verwundet und der Trauring tief ins Fleisch hineingepreßt. Als man Eis und Belebungsmittel an— vendete, oͤffnete er mehrmals die Augen; einen dieser Zeitpunkte benützte der Geistliche, um ihm das Abendmahl zu spenden. Bald ber stockten Herzschlag und Athem. — „Der verhaftete Attentäter heißt Russakoff“ ist ein kleiner blonder Mensch. Er war seit zwei Fahren im Genuß eines Stipendiums an der Bergakademie, hatte ach aber seit etlichen Monaten nicht mehr in der Anstalt sehen iassen. Der Polizei war er schon seit einiger Zeit verdaͤchtig, und sie fahndete auf ihn, ohne ihn aber finden zu können. Der Regierungswechsel · in Rußland und dessen mögliche Folgen für das Verhältniß jenes Staates steht begreiflicherweise iim Vordergrunde der öffentlichen Diskussion. Wenn auch die neue russische Regierung voraussichtlich noch längere Zeit Beschäftigung im Junern finden wird, so läßt sich doch nicht bestreiten, daß die MNoöglichkeit einer Aktion nach Außen bedeuiend näher gerückt ist und daß in den Beziehungen zwischen Deutschland und Rußland ne gewisse Unsicherheit eingetreten ist, die sich nicht so bald wird