den Deutschen der Aufenthalt in Rußland bald gründlich verleidet werden wird. Ein Zirkular des russischen Ministers des Innern, Igna⸗ liew, wird jetzt veröffentlicht, welches die in dem kaiserlichen Mani— feste hervorgehobenen Prinzipien erläutert und die Ansicht der Re⸗ gierung über die inneren Zustände in Rußland bekannt macht. Dieses weist auf die dunkeln Seiten der gegenwärtigen Gesellschaft hin, wie die irreligiöse Erziehung der Jugend, die Unthätigkeit der Behörden, die Gleichgültigkeit mehrerer administrativer öffentlicher Stellen, die dem allgemeinen Wohle gegenüber gewinnsüchtige Be— handlung des Staats⸗Eigenthums. Darin sei die Erklärung der iraurigen Thatsache zu suchen, daß die großen Reformen der vorigen Regierung nicht den vollen Nutzen gebracht, welchen der selige Kaiser erwarten durfte. Nur ein durch die Anhänglichkeit und unbegrenzte Liebe eines großen Volkes starker Selbsthertscher könne bei der aufgeklärten Mitwirkung der besten Söhne des Vaterlandes das große UÜebel an dem Rußland leidet, mit Erfolg beseitigen. Die erste Aufgabe sei die Ausrottung des rebellischen Geistes, welchem die Gesellschaft aus eigener Initiative entgegentreten müsse. Die Judenhetze in Süd-Rußland zeige, wie selbst dem Thron er— gebene Personen sich dem Einflusse uͤbelgesinnter Leute fügten und rebellischen Plänen dienten, ohne eine Ahnung davon zu haben. Die weitere Aufgabe der Regierung sei eine Bekräftigung des Glaubens und der Mora lität. Die Regierung werde besonders dafür sorgen, daß Ordn ung und Gerechtigkeit in dem von dem seligen Kaiser geschaffenen Institutionen eingeführt werde. Bei dem Zusammenwirken der Regierung und Gesellschaft würden die gegen— wärtigen Schwierigkeiten bald schwinden. Ohne Zweifel werde der der Stimme der Wahrheit und der Ehre stets gehorchende Adel auch dazu beitragen. Der Adel wie alle anderen Stände sollten die Sicherheit besitzen, daß alle ihre Rechte unangetastet bleiben. Der Bauernstand, heißt es dann, kann sicher sein, daß die Regier— ung nicht blos alle ihm gewährten Rechte aufrecht erhalten, sondern auch dafür sorgen werde, das Volk möglichst zu entlasten und seine wirthschaftlichen Verhältnisse zu bessern. Dabei werde die Regier— ung unverzüglich Maßregeln ergreifen, um den Modus festzustellen behufs der Sicherung und Theilnahme lokaler Kräfte an der Durchführung der allerhöchsten Pläne. Die Judenverfolgungen wuͤthen im Innern von Rußland fort. Wenn der „Regierungs-Anzeiger“ schon Telegramme hringt über „fatale Affären,“ dann sind die Vorkommnisse meist solcher Natur, daß sie ihres Umfanges wegen sich nicht mehr vertuschen lassen. In den knappen Telegrammen der Regierungsblätter war bisher immer nur von „Prügeleien“ und „Unordnungen“ die Rede, frotzdem es jedesmal bekannt wurde, daß die Truppen eingeschritten waren und von der Waffe Gebrauch gemacht hatten, daß es Ver— wundete und Todte gegeben hatte u. s. w. Die besonderen Berichte Petersburger Blätter, die im Allgemeinen der Zensur wegen äußerst vorsichtig gefaßt sind, schildern aus mehr als einem halben Dutzend Städien foöͤrmliche Gefechte in den Straßen, Stürme auf die Häuser, Synagogen u. s. w. Auch die Jundenbewegung hat in Rußland Anstifler, deren Namen man nicht kennen lernt; von einer gewissen Mitschuld an der unerquicklichen Bewegung kann man übrigens auch die „patriotische Partei“ nicht freisprechen; ihre Presse hehl wenigstens seit Jahren schon dergestalt gegen Juden und Deutsche, daß es Niemanden wundern sollte, wenn auch gegen die letzteren einmal Gewalt angewandt würde. Die neuesten nihilistischen Prok— lamationen machen sich in höhmischer Weise über die Bewegung —V der russischen Zustände. Einer amtlichen Mittheilung aus Konstantinopel zufolge ergab eine Untersuchung über die Ermordung des Sultans Abdul Aziz die Theilnahme Midhat Pascha's (Statthalter in Kleinasien). Derselbe flüchtete in das französische Konsulat zu Smyrna, wo er sich nach Ermittelungen der Polizei noch aufhält. Midhat Pascha wurde äbgesetzt. Eine Gerichtskommission begibt sich nach Smyrna, um Midhat Pascha zu verhören. Die Pforte richtete ein Rundschreiben an die Vertreter der Mächte, in welchem sie den tunesischen Vertrag für null und nich— tig erklärt; die Tunesier als ottomanische Unterthanen sind nicht verpflichtet, sich diesem Vertrage zu unterwerfen. Ein Telegramm der Pforte an den Bey von Tunis wahrt die Suzeränetätsrechte und erklärt den tunesischen Vertrag für null und nichtig. Vermischtes. * St. In-gbert. S. Kgl. Hoheit Prinz Lud— wig von Bayern werden bei Ihrer demnächstigen Anwesen— heit in der Pfalz auch unsere Stadt mit einem Besuche beehren. Nach den bis jetzi getroffenen Bestimmungen wird der hohe Herr Donnerstag, den 2. Juni hier eintreffen. * Aus Niederwürzbach erhalten wir die nachstehende Schilderung einer heiteren Episode, die sich bei der Ankunft des deutschen Kronprinzen im Herbst 1874 auf dem Bahnhofe daselbst zutruͤ. Wir bringen dieselbe als „kleine Erinnerung“ zum Ab⸗ —— —— —V )rucke: „Es war am 7. September 1874, als der Kronprinz des deutschen Reiches mit Extrazug in Niederwürzbach eintraf, im den Truppenübungen auf dem nahen Hölzberge bei Biesinge⸗ zeizuwohnen. Da die Ankunft des Prinzen bekannt gegeben ward o hatte sich, wer nur immer konnte, nach dem Würzbacher Bahm jofe begeben. Der Prinz stieg mit der ihn begleitenden Genera— ität aus, und ein dreifaches donnerndes Hoch! begrüßte ihn Die Pferde wurden vorgeführt; ein Plankenzaun trennte sie von den Reitern. Der Kronprinz, der besagten Zaun nicht kam, ind wegen der sich drängenden Menschenmenge den Ausgang nich— erblickte, ging geraden Weges auf sein Pferd zu. „Königliche — aiserliche Hoheit!“ rief ihm der „St.«Verw. M. Hfm. zu, „hier st der Ausgang.“ Fritz aber, gewohnt, vor⸗ und nicht rückwärk uu gehen, läßt sich nicht beirren. Er schreitet vorwärts, kommt zu dem Zaune, wo der ihm nacheilende St.-Verw., schnell beson— ien, einige Pfähle ausreißt, so daß der Prinz, die Generäle und anderen Offiziere bequem zu ihren Pferden gelangen konnten. Of dieses durch den St.-Verw. gezeigten hofmännischen Taktes wurde »emselben am Abende desselben Tages in lustiger Gesellschaft eine Dvation durch ein dreimaliges Hoch! der Gesellschaft darqge— zracht. 4 Der Erbauer der Pirmasenser Wasserleitung, Ingenieur Adolf Lindemann, hat das Projekt einer großartigen Waß— erleitung ausgearbeitet, wodurch den in der Rheinebene liegenden Städten Fandau, Speyer, Ludwigshafen, Mann deim, Frankenthal und Worms, die durch ihr schlechte Wasser berühmt sind, gutes, frisches Wasser zugeführt werden soll Die Quellen, welche er dazu benützen will, liegen in dem soge nannten Münchweiler⸗Tunnel der Eisenbahn Landau-Zweibrücken; das Wasser, aus Sandstein kommend, ist gut und frisch. Zunächs sst Herr Lindemann mit den Stadträthen von Landau, Spehyer ind Ludwigshafen in Verhandlung getreten; es dürfte aber woh keinem Zweifel unterliegen, daß auch die anderen Städte, kleinlich Bedenken überwindend, zugreifen. Der Vortheil für sie liegt au' »latter Hand, da Herr Lindemann keine Geldunterstützung verlangt ondern das Projekt auf eigenes Risiko mit Hilfe einer Aktienge ellschaft ausführen will und von den Städten nur die Konzession jür die Anlage und die Zusicherung verlangt, daß sie das Wasser ür den Bedarf der Gemeindekorporation (z. B. Straßenspritzen Wasser in Schulhäusern u. dgl.) gegen mäßigen Entgelt aus de Wasserleitung nehmen. Privaten würde er 1000 Liter zu 15 M liefern, Fabriken billiger. Von dem germanischen Nationalmuseum zu Nürnberg wurd in der Person des Herrn Rentbeamten Hilger in Kaisers autern ein Bevollmächtigter für die Vertretung und Besor zung seiner Angelegenheiten in Kaiserslautern und Umgebung auf zestellt, im Vertrauen, daß auch in der Pfalz dem vaterländischer Unternehmen, dem von so vielen Seiten schon die erfreulichster Beweise der Anerkennung geworden, diese nicht fehlen werden venn nur die Gelegenheit, nähere Kunde davon zu erhalten, dar gzeboten wird. In Germersheim haben sich am Samstag 6n— Personen zu einer „Volksbank“ vereinigt. Dieselbe tritt mit dem 1. Juli nächsthin in Thätigkeit. F Unter Bezugnahme auf den bekannten Beschluß des Ge neinderaths von Wald see bei Speyer, 30 der ärmsten Familien nuf Gemeindekosten nach Amerika zu spediren, welcher Beschluf nuch mit Aufwand von ca. 11,000 Mark ausgeführt wurde, be— merkt ein amerikanisches Blatt, daß jener Beschluß sich unter Um— tänden für Waldsee als unpriktisch erweisen könnte, insofern näm— iich, als die New-Yorker Einwanderungskommission die nicht ar— heitsfähigen Leute nach Deutschland zurückschicken, dürfte, „wie si es bisher noch stets mit allen importirten „Ortsarmen“ gethan hat. F Der bayerische Fischerverein nahm einstimmi den Antrag der Herren Professor Dr. May und Dr. Staudinge in, daß bei dem k. Staatsministerium des Innern für Kirchen and Schulangelegenheiten die Einführung eines regelmäßigen Unter ichts über natürliche und künstliche Fischzucht an der landwirth chaftlichen Abtheilung der technischen Hochschule, an den Landwirth chafts⸗ und Ackerbauschulen, sowie an den landwirthschaftlicher Winterschulen zu erbitten sei. F Die deutsche Regierung hat wiederum eines der Massen— zräber auf dem Schlachtfelde von Gravelotte angekauft. E iegt in der Absicht, nach und nach den gesammten Grund und Boden käuflich zu erwerben, auf welchem solche Massengräber am gelegt sind. F In Berlin hat der Schnellläufer Fritz Käpernie am 15. Mai das Rennpferd „Alice“ in einem Wettlauf glänzend desiegt. Es war eine Bahn 30mal zu umlaufen; die zurüchzu— legende Strecke betrug ca. 23 deutsche Meilen. Beim 16. Um— sauf scheute das Pferd und beim 24. stürzte es, erhob sich aber wieder und setzte den Lauf fort. Beide Zwischenfälle kamer Käpernick zu Statten; er gewann mit einem Vorsprung von 4* Umlauf. Die ganze Strecke durchlief er in nicht qanz 23 Minute