St. Ingberker Anzeiger. der St. Ingberter Anzeiger und das (2 mal wöͤchentlich) mit dem Hauptblatte verbundene Unterhaltungsblatt. (Sonntags mit illustrirter Bei⸗ lage) erscheint woͤchentlich viermal: Dieustag, Donnerstag, Samstag und Sonntag. Der Abonnementspreis betragt vierieljährlich 1AM 40 einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 1 M 60 B, einschließlich 410 Zustellgebuhr. Anzeigen werden mit 10 —, von Auswärts mit 15 — fuür die viergespaltene Zeile Blattschrist oder deren Raum. Reclamen mit 30 4 pro Zeile berechnet. M 124. Samstag, den 6. August 1881. * Zur Wiederauflebung der Gewerbe. Indem wir dieses Thema zum Gegenstande kiner Erörterung muachen wollen, dürfẽn wir uns wohl der besonderen Aufgabe über⸗ ‚oben erachten, erst nachzuweisen, daß unsere Gewerbe allenthalben an mannigfachen, zum Theil geradezu zerstörenden Uebelständen und Gebrechen kranken. Der Rückschritt auf dem gewerblichen Ge— biete ist mit Ausnahme weniger Optimisten von allen Seiten an⸗ erkannt worden, zuvörderst von den Gewerbetreibenden selbst, dann won den Kaufleuten, von den Consumenten und schließlich auch von den Behörden. Wenn wir nun in den Gewerben, nicht wie sie jetzt find, sondern wie sie sein sollten, eine wichtige, ja nothwendige, unersetzbare Stütze unseres nationalen Wohlstandes erblicken müssen so muß es auch unsere Pflicht sein, heranzutreten an die gewerb⸗ lichen Nothstände, und Reformen zu schaffen, aber nicht, wie man vielfach zu thun beliebt, die Besserung von anderen Zeiten und anderen Verhältnissen zu erwarten. Die Aufgabe, welche der Presse in diesen Reformbestrebungen zufällt, ist ebenso einfach und klar: Die Presse muß den Geist gesunder Reformen auf allen Gebieten des Gewerbes anfachen und durch stetige Theilnahme an den Be— mühungen; der Gewerbe den reformatorischen Geist erhalten und neu beleben. Falsch wäre nun nach unserer Meinung der Weg zu diesem Ziele, wenn man von vornherein einige hervorstehende Uebel⸗ stände auf dem gewerblichen Gebiete charakterisiren und dies bezüg⸗ liche Verbesserungsvorschläge machen wollte. Dies käme uns vor, als wenn Jemand ein baufälliges Haus dadurch repariren wollte, daß er einige der wackeligsten Wände einreißt und neubaut; da hat das Haus wohl einige: neue Wände, aber das Haus selbst bleibt doch baufällig. Wer Verständniß für die Leiden unseres Gewerbestandes hat, der wird nun gewiß nicht leugnen, daß unsere Gewerbe die größte Aehnlichkeit mit einem baufälligen Hause haben, es würde daher ein ganz verkehrter Weg sein, hier nur flicken und repariren zu wollen. Der deutsche Gewerbestand braucht ein neues Haus, einen Gewerbepalast, wie er einst bestanden hat, als die deutschen Gewerbe blühten und überhaupt eine derartige Bedeutung hatten, daß man sich ganze Blüthenzeiten in der deutschen Cultur zar nicht ohne Blüthezeit der Gewerbe vorstellen kann. Die deut⸗ schen Gewerbe haben also in erster Linie einmal von der guten alten Zeit zu lernen und dasjenige, was dort gut war und sich dewährte, in der Gegenwart wieder aufzuleben und mit den Er— ungenschaften der Neuzeit zu einem harmonischen Ganzen zu ver⸗ binden. Man hat in den letzten Jahrzehnten auf allen Gebieten viel nach Freiheit geschrieen, weil thatsächlich beengende Fesseln vorhan⸗ den waren; ein Product jener Beftrebungen ist auch die Gewerbe⸗ freiheit gewesen, die ja an und für sich kein Unglück gewesen wäre, wenn sie nicht eine colossale Desorganisation auf dem Gebiete der Gewerbe im Gefolge gehabt hätte. Das Princip, Jeden ungehindert das sein und werden zu lassen, wozu er Lust hat, muß offenbar als richtig anerkannt werden, aber es muß denn doch dabei die— jenige Bahn festgehalten werden, die den Gewerbelustigen auch nach dem Ziele führt, wo er seine Aufgabe würdig erfüllen und sein Blück finden kann. Ebenso hätten auch mehrfache Maßregeln, so⸗ vohl von Seiten des Staats, als auch von gewerblichen Corpora⸗ tionen getroffen werden müssen, um die Ausbeutung der Kleinen durch die Großen, des Kleingewerbes durch die Großindustrie, nicht jum alleinherrschenden Systeme zu. machen. Daß dieses System dei uns so vielfach überhand genommen hat, muß man allerdings in erster Linie einer Reihe hervorragender maschineller Erfindungen zuschreiben, welche das Capital zu den verlockendsten Speculationen gerausforderten; aber die Gewerbetreibenden hätten sich gegen diese Ueherwucherung des Fabrikwesens im Gewerbe doch besser schützen können, als sie es gethan haben. Warum sie es nicht gethan haben, ist eine nicht einfach zu beantwortende Frage; denn manche haben es mit Erfolg gethan, infolge großer persönlicher Talente oder weil hnen ein groͤßeres Capital zu Gebote stand; die meisten thaten es iber nicht, weil sie nicht wußten, wie sie es fertig bringen sollten, ind hieran trug wieder der Mangel an Organisation unter den Vewerben die Schuld. Denn wenn Jeder seinen eigenen Weg geht, o muß nicht nur der Gemeingeist, sondern auch die gemeinsame. gesteigerte Belehrung fehlen und vom gemeinsamen Forfschrittk kann erst recht keine Rede sein. Der Mangel an Organisation oder an richtigen Organisationen ist also das Grundübel unserer Gewerbe. Deutsches Reich. An das Zentralkomite des siebenten deutschen Bundesschießens in München gelangie die offizielle Mittheilung, daß Kaiser Wil— jelm durch den telegraphischen Gruß des Komites der versammelten Schützen in hohem Grad erfreut worden sei und unter wärmster Anerkennung für diese Aufmerksamkeit sich für den Ausdruck treuer Anhänglichleit an Kaiser und Reich sehr befriedigt ausgesprochen habe. Nach der „Allg. Ztg.“ verläßt Fürst Bismardk frühestens am Samstag 6. August Kisstugen. Wie man hört, soll es in der Absicht des preußischen Zriegsministeriums liegen, dem Kaiser eine Veränderung in der Ausrüstung der Infanterie mit einem Seitengewehr vorzuschlagen? Entweder soll dasselbe als Bajonett ganz fallen gelassen oder durch ein an der Seite zu tragendes Schanzzeug ersetzt werden. — Auch ie Kürassier- Regimenler werden jetzt mit einer weittragenden Schußwaffe — Karabiner⸗System Mauser — vorläufig allerdings aur zum Theil, ausgerüstet. Zu dem Zwece sind die Büchsen⸗ nacher der Kürafsierregimenter zu den Gewehrfabriken in Spandou— Danzig und Erfurt kommandirt worden, um die Reparaturen an den neuen Waffen, wie überhaupt die Technik derselben genügend lennen zu lernen. Gegenwärtig sind Vorarbeiten im Gange, welche die Aenderung der Reichsgewerbeordnung, soweit das Hausisergewerbe dabei in Betracht kommt, zum Ziele haben. Die „Nordd. Allg. Zig.“ bringt einen heftigen Angriffsartikel zegen diejenigen, welche die Samoavorlage abgelehnt, und chreibt: „Für diejenigen: kosmopolitischen Freihändler bei uns, velche im Gegensatz zu ihren praktischen englischen Kollegen um des lieben Prinzips willen jede staatliche Unterstützung des Handels derwerfen, wird die Wirkung jenes Reichstagsvotums gewiß ein Begenstand der Befriedigung sein. Für nationalfühlende und praktische deutsche Politiker wird die Ablehnung der Samoavorlage aus nationalen und kommerziellen Gründen siets ein Gegenstand der Betrübniß bleiben. Uebrigens hat die Verwerfung der Samoa⸗ oorlage die eine gute Wirkung gehabt, durch die Polemik über diese Frage die Nation aus ihrer äußeren Gleichgiltigkeit gegenüber den überseeischen Interessen aufgerütielt zu haben. Die „Germania“ schreibt: „Aus Straßburg wurde jüngst ge⸗ neldet, daß dort Unterhandlungen des bischöflichen Stuhles zu Trier im Gange seien; der in Aussicht genommene Kandidat solle ein ausgezeichnetes Mitglied des Straßburger Klerus sein. Diese iberraschende Nachricht, welche vielfachen Zweifeln begegnete, wird vyon unserem römischen Correspondenten bestätigt, mit dem aus— yrücklichen Hinzufügen, daß es sich nicht um einen Kapitularvikar, ondern um einen neuen Bischof handele. Sollte sich diese Mit heilung bewähren, so eröffnet sich eine weile Perspeltive, zu deren Beurtheilung erst nähere Nachrichten abzuwarten sind.“ (Nach der „Allg. Ztg.“ ist der für den Trierer Bischofsstuhl Ausersehene Dom⸗ ofarrer Korum in Straß burg.) Ausland. In die französische Wahlbewegung hat sich jetzt auch Prinz Jrôme Napoleon gemischt. Sein vom 30. Juli datirtes Manifest verlangt die Revision der Verfassung des 20. Februar 1875 und den Appell an das Volk. Das Manifest bringt venig Neues; es will den „demokratischen Fortschritt“ durch eine einzige verantwortliche Persönlichkeit. Man kann übrigens nicht leugnen, daß der Prinz in einem Augenblick, in welchem Gambetta— ein nahezu ähnliches Programm aufstellt, mit diesem Schritt nicht ungeschickt in den Streit zwischen der gambettistischen und Grevy'schen republickanischen Partei hineintritt. An einen augenblicklichen Er⸗ folg wird er indeß gewiß selbst nicht glauben. Zahlreiche außer Cours gesetzte schweizerische Zwei—, Fin⸗und Halb⸗Franken stücke mit der sitzenden Helvetia aus den Jahren 1830, 1831, 1860, 1861, 1862, 18683 sind noch im Umlauf. Wir machen die Besitzer: darauf aufmerksam.