St. Ingberker Anzeiger. ESt. Jugberter Anzeiger und das (2 mal wöchentlich) mit dem Hauptblatte verbundene Unterhaltungsblatt. (Sonntags mit illustrirter Bei⸗ lage) erscheint wochentlich viermal: Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag. Der Abonnementépreis betragt vierteljährlich 1 40 B einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 16 60 H, einschließlich 40 Zustellgebuhr. Anzeigen werden mit 10 B, von Auswarts mit 15 — fur die viergespaltene Zeile Blattichrist oder deren Naum, Reclamen mit 30 pro Zeile berechnet. R 130. Dienstag, den 16. August 1881. ai * Die französische Armee im Felde. Der Feldzug der Franzosen in Tunis sollte, wie man vielfach zus den französischen Zeitungen merken konnte, der Probirstein für die Tüchtigkeit der französischen Armee im Felde sein, doch hat, wie sich nunmehr herausgestellt hat, gerade die französische Expe⸗ dition nach Tunis eine Menge Fehler der französischen Armee und auch eine ziemliche Unfähigkeit des französischen Oberkommandos nn Bezug auf die Anwendung richtiger Kampfmittel und Soldaten nuf dem afrikanischen Kriegsschauplatze ergeben. Der französische driegsminister hat nach Tunis und auch nach Algier Truppen ge— andt, die gar nicht im Stande sind, auf afrikanischem Boden zu fämpfen, d. h. die meisten dort kämpfenden französischen Ofsiciere und Soldaten hatten keine Ahnung von der arabischen Kampfweise ind von den Schwierigkeiten auf dem afrikanischen Boden, und die ranzösische Heeresleitung hatte also einen der größten Fehler be— zangen, den die moderne Kriegsführung überhaupt kennt; denn ieben strammer Disciplin und schneidigem Waffendienste gilt es als eine unerläßliche Vorbedingung des Sieges, daß eine Armee die Schwierigkeiten kenne und an dieselben gewöhnt sei, die sie auf feindlichem Boden zu überwinden hat. Ein sachkundiger Be— richterstatter der „Times“ schreibt aber über das Auftreten des ranzösischen Heeres in Afrika Folgendes: „Die französische Armee sst in vieler Beziehung besser geworden und vielleicht! auf einem europäischen Kriegsschauplatze zu gebrauchen. Die Officiere und Soldaten sind eifrig und disciplinirt, auch unterziehen sie sich ohne Murren großen Anstrengungen und Beschwerden, doch ist die fran⸗ oͤfische Armee nur eine gute Truppe, was den Garnisondienst an⸗ zelangt, denn die Wahrheit für den Felddienst ist, daß es außer⸗ zrdenllich schwer war, die französischen Soldaten in Afrika unter zem Feuer ruhig zu halten und, wenn sie auch nicht geradezu die Flucht ergriffen so zogen sie fich doch mit unbezwinglichem Eifer sinter die kleinsten Erhöhungen zurück, die irgend einen Schutz hzoten. Die französischen Truppen sind ausgezeichnete Rekruten, iber keine Soldaten. Man hatte ihnen erzählt, daß die Krumirs urchtbar seien, sie sahen einzelne ihrer Kameraden, welche in die zande der Feinde gefallen waren, furchtbar verstümmelt und jeden Flintenschuß glaubten sie auf sich gerichtet. Bei Sfakes lehnte es zer Admiral ab, die französische Infanterie zu landen; er traute hr nicht gegenüber dem Feind, der gedeckt hinter Wällen lag und ntschlossen war, bis zum letzten Mann auszuhalten. Es waren Mattrosen, gediente Veteranen, die an das Feuer gewöhnt waren, welche die feindlichen Batterien mit dem Bajonet nahmen, die sich des Thores bemächtigten und, so den Ehrgeiz der Infanterie ent⸗ lammten. Zuletzt, als ein Schiffslieutenant ruhig mitten im Feuer erschien, die grüne Flagge wegriß und die Tricolore auf⸗ Fflanzte, verlangten auch die Linienregimenter in das Gefecht ein— utreien und hielten nun auch tapfer.“ Sonach braucht sich also zie Welt vor dem stürmischen Kriegsmuth der reorganisirten fran⸗ ösischen Armee nicht allzusehr zu fürchten, eher könnte man schon Angst haben vor der Plünderungswuth der Franzosen, denn trotz iller officiellen Ableugnungen haben die französischen Truppen die roberte tunesische Stadt Sfakes furchtbar geplündert, ja selbst das panische Consulat nicht geschont, wie die spanische Regierung stand⸗ jaft behauptet. Auch ist es eine Thatsache, daß Officiere der eng⸗ ischen vor Sfakes liegenden Schiffe den französischen Soldaten verthvolle Beutestücke abgekauft hahen. Deutsches Reich. S. Maj. König Ludwig U. von Bayermn reiste am Samstag inkognito mit zwei Begleitern von Linderhof nach Paris. Das baierische Gesetz⸗ und Verordnungsblatt Nr. 48 zringt die von den Ministerien des Innern und der Finanzen zum hollzug des Gesetzes vom 19. Mai 1881 über die Capital— entensteuer nunmehr erlassenen Vorschriften. Die Anlage »er Capitalrentensteuer findet von zwei zu zwei Jahren in dem zer Steuerperiode vorangehenden Kalenderjahre, sohin erstmals im zhr 1881 für die Steuerperiode 1882/83 statt. Demzufolge sind ie Vollzugshandlungen für die Steueranlage alsbald in Angriff u neomen. Am Samstag Vormittag ist Fürst Bismarck zu Wagen von Hissingen abgereist, um auf einer Nebenstation der Schwein⸗ furt-⸗Meininger Bahn seine Reise nach Berlin fortzusetzen. * Die Veränderungen in den höheren preußischen Ver—⸗ valtungsstellen sind noch immer nicht abgeschlossen. So ist an Stelle des aus dem Amte scheidenden Ober-Präsidenten von Hessen⸗ Kassau, Frhrn. von Ende, der frühere preußische Staatsminister Graf Botho zu Eulenburg ernannt und der Regierungs-Präsident in Bumbinnen. Herr von Schlieckmann, zum ÜUnterstaatssecre- är im Ministerium des Inneren ernannt worden. Zugleich wurde derr von Schliechmann zum Wirkl. Geh. Ober⸗-Regierungs-Rath nit dem Range eines Rathes Erster Classe befördert. Beide Er— nennungen sind bereits im „Reichs⸗Anzeiger veröffentlicht worden. Ausland. * Die Zwitterstellung Oesterreich Ungarns in Bosnien ind Herzegowina hat mehrere ungarische und österreichische Jour⸗ iale zu einer ernsthaften Erörterung dieser Angelegenheit veranlaßt. In der That läßt die staatsrechtliche Stellung Oesterreichs in den jenannten Ländern an Klarheit manches zu wünschen übrig, denn nach den Bestimmungen des Berliner Congresses sollten die Herze— jowina und Bosnien von Oesterreich occupirt und verwaltet werden, pabei aber der Oberhoheit der Plorte unterstellt bleiben. Es liegt unuf der Hand, daß dieses eigenthümliche Verhältniß mancherlei Schwierigkeiten mit sich bringt und man drängt daher in Ungarn zuf eine offene Annexion der neuen Provinzen, dagegen meint man 'n Oesterreich, daß eine Annexion die vorhandenen Schwierigkeiten aoch vergroͤßern würde, eine Ansicht, die nach mehr als einer Hin⸗ icht gerechtfertigt erscheint. Die internationale Friedensliga zu Genf hat zum leberfluß gleichfalls ihre Stimme in der französischen Wahlbewe— zung ertönen lassen. In einem phrasenhaften Aufruf fordert sie ie französischen Wähler auf, ihres hohen europäischen Berufes ein— zjedenk zu sein und für Erhaltung des Friedens zu sorgen. Gegen den Schluß kommt folgende schöne Stelle vor: „Gebt Elsaß und Lothringen nicht auf, niemals; aber keinen Krieg, keinen Krieg! Ihre Befreiung wird durch den Frieden erfolgen.“ „Befreiung“ st gut, „durch den Frieden“ noch besser. Wie sich übrigens die Friedensliga diese „Befreiung durch den Frieden“ denkt, hat sie nicht verrathen; wahrscheinlich hat sie sich bei der Phrase selbst nichts gedacht. Den Dingen in Frankreich wird von Seite der deutschen stegierung große Aufmerksamkeit zugewendet; der Botschafter Fürst hohenlohe, welcher erst auf Urlaub gehen wollte, hat die Weisung rhalten, während der Wahlen und der Manöver auf seinem Vo— ten zu verbleiben. Gambetta wies in einer Rede in Belleville die Behauptung urück, daß er eine Diktatur gewünscht, und entwickelte im Uebri— jen sein Programm. In der auswärtigen Politik müsse Frankreich ich vollkommen freie Hand bewahren, gleich gut mit Allen stehen ind auf der Hut sein gegen ehrgeizige Bestrebungen nach außen ind dynastische Bestrebungen im Innern. Der Tag werde erschei— jen, wo die aufgestelten Probleme durch das Völkerrecht und den Triumph des Friedensgeistes entschieden würden. „Ich hoffe, daß vir die getrennten Bruͤder einst kraft der Maiestät des Rechtes viedersehen!“ Vermischtes. — St. Ingbert, 16. Aug. An der in den Tagen vom 8. bis 11. August abgehaltenen Aufnahmsprüfung in das ath. Lehrerseminar in Speyer betheiligten sich 52 Schüler — 18 Präparanden und 4 von anderen höheren Lehranstalten Bymnafien und Realschulen. — Die Prüfung bestanden 42; 10, parunter 6 Präparanden und 4 von anderen Anstalten, mußten als nicht befähigt zurückgewiesen werden. Die Aufnahmsprüfungen in das prot. Lehrerseminar in Kaiserslautern beginnt heute, den 16. August. Gestern Nachmittag hatten sich in dem Becker' schen dokale, einer Einladung folgend, eine Anzahl junger Leute von hier versammelt, um die ersten Schritte zur Gruͤndung eines