ðt. Jugherter Auzeiger. Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingber!t Der „St. Ingberter Anzeiger“ erscheint wöchenltich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltungs— Blatt und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteljährlich 1 A 40 einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 1 A 60 H, einschließlich 40 B Zustellungsgebuhr. Die Einrückungsgebühr fur die 4gespaltene Garmondzeile oder deren Raum beträgt bei Inseraten aus der Pfalz 10 —, bei außerpfälzischen und solchen, auf welche die Expedition Auskunft ertheilt, 15 Z, bei NReclamen 80 . Bei 4maliger Einrückung wird nur dreimalige berechnet. M 28. Prh. Staatssozialismus nud Sozialdemokratit. Staatssozialismus — das Wort hat seit Kurzem das volle Bürgerrecht in unserer öͤffent⸗ tüichen, ja in unserer amtlichen Sprache erhalten. Wir hätten es nicht für unmöglich gehalten, daß noch vor wenigen Jahren eine Anklage gegen einen Schriftsteller erhoben worden wäre, welcher die Pläne der Regierung als staaissozialistisch bezeichnet hätte: er habe der Regierung damit unwahre und gehässige Vorwürfe gemacht, denn der JAusdruck sozialiftisch‘ bezeichne etwas schlechthin Verwerf⸗ üches, mit den Grundlagen unserer Staatsordnung Unverträgliches. Heute bezeichnen die begeisterten dobredner der Regierung ihre Pläne als staats⸗ ——— keinen Anstand genommen, vom Tische des Bun⸗— desraths her in aller Unbefangenheit gewisse Ele— mente des Unfallversicherungsgesetzes als staats- ozialistisch zu bezeichnen. Die Bezugnahme auf den Staat soll die Schäd⸗ ichkeit, die in dem Begriffe des Sozialismus liegt, zaralysiren. Wir gestehen aber, daß es uns recht chwer wird, den Staatssozialismus von anderen Formen des Sozialismus zu unterscheiden. Auch die Sozialdemokratie ist ein Staatssozialismus; auch äe will Alles, was sie verwirklichen will, durch den Staat verwirklichen. Sie stellt dabei nur die Vor⸗ dedingung, daß gleichzeitig mit dem Inhalte des Staatslebens auch die Form des Staates sich ver⸗ indere, daß die gegenwärtigen Verfassungsverhält⸗ nisse umgestaltet und durch eine reine Demokratie rsetzt werden, die nach mehr oder minder offenen Zugeständnissen auf die demokratische Republik hin⸗ wslaufen. Dagegen vermeint der Staatssozialis⸗ nus im Rahmen des Königthums und des monarch⸗ schen Prinzips zu seinen Zielen gelangen zu können. Ein anderer Unterschied, welchen man wohl nacht, geht dahin, daß der reine Sozialismus eiwas berbrecherisches. der Staatssozialismus etwas Tu⸗ jendhaftes sei. Zu einem wirklichen Unterscheidungs⸗ nerkmal eignet sich auch das wohl nicht, denn die deute, die offen eingestehen, daß ihr Streben nicht auuf Tugend gerichtet sei, sind selten. Zur Zeit Us die sozialdemokratische Presse ihre wildesten Orgien feierte, fand man doch in jedem Blattchen venigstens einmal täglich die Notiz, daß der 545 ialismus nur das Gute wolle und daß daher UÜlle asterhaft seien, die sich den sozialdemokratischen Bestrebungen widersetzen. In der That sindet man nuch in der Sozialdemokratie persönlich milde Mit⸗ Jieder, die eine Abscheu vor allem Blutvergießen jaben und der festen Ansicht leben, daß das lausend⸗ jährige Reich nach ihren Träumen sich in aller Ruhe und Freundschaft verwirklichen lasse. Umge⸗ lehrt findet man aber auch im Gefolge des Staais- sozialismus Marodeure, die an Wildheit der Sprache nit den schlimmsten Ausschreitungen der Sozial⸗ emokratie wetteifern und gegen Liberalismus und dapital eine aufreizende Sprache führen. Ist es schwer, genau die Grenze zu ziehen, wo ich Sozialismus und Staatssozialismus scheiden, so ist es nicht minder schwer, genau die Merkmale pestzustellen, die beiden gemeinsam sind. Philologische Pedanten sind schnell dei der Hand, auf die Ab⸗ eitung von socius und sociare hinzuweisen. Wäre iher damit des Pudels Kern wirklich entdeckt, so müßte man ja sowohl in jeder Actiengesellschaft wie n jeder Genossenschaft eine sozialistische Tendenz tblicken, wahrend es doch allgemein öekannt ist. daß sowohl die Geschäftsformen des Großkopitals, wie sie in den Actiengesellschaften. als die Ge— Dienstag, 7. Februar 1882. schäfisform des Kleinkapitals, wie sie in den Ge— nossenschaften uns entgegentreten, den Sozialismus aufeinden oder von ihm angefeindet werden. Die Schwierigkeiten, mit denen wir hier kämpfen, derringern sich sofort wesentlich, wenn wir nicht das fertige System, sondern lediglich die Tendenz in das Auge fassen. Sozialistisch nennen wir die Tendenz, von den Aufgaben, welche das menschliche Fulturleben mit sich bringt, möglichst viel auf die Schultern des Staats abzuwälzen, während umge— ehrt der Individualismus möglichst wenig dem Staat überlassen und möglichst viel durch den freien Weltbewerb bewirken will. Der Sozialismus rühmt sich, das Wohl Aller durch die im Staate verwirk— lichte Gemeinsamkeit Aller herbeiführen zu wollen; ͤber auch Individualismus hält an dem Grund—⸗ jatze fest, daß das öffentliche Wohl das höchste Ge⸗ setz ist und stellt nur die Behauptung auf, daß das zffentliche Wohl durch die Enthaltsamkeit des Staates ind durch die Entfesselung der wirihschaftlichen räfte sicherer gefördert werde. Dabei ist es freilich weder der einen noch der anderen der beiden Rich⸗ tungen gelungen. eine allgemein gültige Definition darüber aufzustelleu, wie weit die Befugnisse des Staates gehen sollen. Auf sozialistischer Seite ist man nicht einig darüber, ob Jedermann gehalten ein soll, aus der öffentlichen Garküche zu speisen »der ob eine Freiheit der Familie, für sich selbft zu kochen, gestattet sein soll. Umgekehrt ist aber nuch der Grundsatz, daß der Staat keine andere Aufgabe habe, als Schutz gegen die Feinde von mußen und Verbrecher im Innern. niemals aner⸗ annt gewesen. Das Bild von dem, was der Staat leisten sohl, gestaltet sich bei einem Jeden nach der Vor⸗ sttellung, die er davon hat, was der Staat leisten kann. Wir würden es in der That für eine athologische Erscheinung halten, wenn Jemand war zugäbe, der Staat könne dieses oder jenes wirthschaftliche Uebel heilen, er sol le es aber nicht damit der große Grundsatz aufrecht erhalten bleibe, daß der Staat sich nicht in die Freiheit des wirth⸗ chaftlichen Verkehrs mische. Wir für unser Theil ind ganz und gar damit einverstanden, daß der S„Staat alle Menschen so glücklich mache, wie er es rgend vermag; wir bezweifeln nur, daß er sie so zlücklich machen kann, wie manche von den neuesten Weltverbesserern uns das vorschwärmen. Daß in den Anschauungen über die Grenzen dessen, was der Staat kann, in der letzten Zeit ein Umschwung eingetreten ist, ist sehr begreiflich Wir sind aufgewachsen in der schmerzlichen An—⸗ chauung, daß unser Staat schwach ist. Statt eines deutschen Reiches hatten wir den geographischen Begriff Deutschland. Die deutsche Verfassungsfrage zie holsteinische, die kuhrhessische Frage nahmen »inen niederschlagenden Verlauf; während des Krim rieges war die preußische Politik so schwächlich daß auf dem Pariser Congresse Preußen eine ge⸗ visse Mühe hatte, die Rücksichten für sich zu er— angen, die man einer Großmacht schuldig ist. Der Krone ging ihr Besitzthum in Neufchatel verloren ind wenn wir auch nie der Ansicht gewesen sind, aß dieses Besitzthum für die Krone oder für den Staat Werth gehabt, so verstimmte doch die unsichere Haltung, welche die Regierung diesem Ereignisse gegenüber einnahm. Wir sahen den Staat schwach nuf dem Gebiete, wo er stark sein sollte, und wir timmten daher unsere Vorstellungen herab von dem vas er auf anderem Gebiete leisten könne. Die umgekehrte Erfahrung haben wir in den 17. Jahrg. letzten Jahrzenten gemacht. Der Staat zeigte sich über alles Erwarten stark; Deutschland wurde einig und größer, es sah sich als die europäische Vor— macht anerkannt. Man hatte den Staat nach Außen hin Dinge verrichten sehen, die alle Er— wartungen überstiegen; es war natürlich, daß man von ihm erwartete, er werde nun auch auf dem Inneren Gebiete Dinge vollenden, die nie zuvor ein Staat fertig gebracht. Psychologisch erklärlich ist der Hergang, aber dennoch kommt man dabei zu falschen Resultaten. Man hatte gesehen, daß der Staat verwirklicht hatte, was längst in den Wünschen Aller gelegen hatte und doch unerreichbar erschienen war; nun meinte man, werde es sich immer so fügen, daß der Staat Alles verwirklichen könne, was drin⸗ Jend wünschenswerth erscheint. Was der Staatssocialismus fördert, ist allerdings nichts auderes, als daß alle Menschen möglichfl chleunig glücklich gemacht werden. Und wenn er das, was er sich vorsetzt, erreichen könnte, wäre es ein Unrecht, kein Staatssozialift zu sein. Die Ge— chichte hat aber gelehrt, daß alle Fortschritte auf dem Wege zur menschlichen Vollkommenheit sich sehr angsam vollziehen, und wir vermuthen, daß es in Zukunft auch nicht anders sein wird. Die sangui— nische Stimmung, welche ein Nachklang großer er⸗ ochtener Siege ist, wird allmälig wieder in ein ruhigeres Bett zurücktreten und dann wird nicht mehr ernsthaft davon die Rede sein, man wolle den Staats⸗ socialismus verwirklichen. VPolitische Uebersicht. Deutßsches Meich. München, 5. Febr. Die der Rechten ange⸗ hörigen Mitglieder des Finanzausschusses der Ab⸗ zeordnetenkammerr hatten ernstlich den Plan Jefaßt, im Etat der Eisenbahnverwaltung die 113,000 M. für den bahnärztlichen Dienst zu dreichen. Es gründete sich dieser Pian höchst wahr⸗ cheinlich auf eine von Eisenbahnbediensteten ange⸗ hrachte Denunciation, die sich aber bei eingehender Antersuchung als unbegründet herausstellte. Nach⸗ dem nun vorgestern die Mitglieder des Finanz— ausschusses von den hiesigen bdahnärztlichen Ein⸗ cichtungen persönlich Einsicht genommen hatte, faßte der Ausschuß gestern einhellig den Beschluß, der ammer die Bewilligung von 110,000 M. zu mpfehlen und nur 3000 M. zu streichen. — Die dammer der Reichsräthe wird am 13. d. eine Sitzung halten zur Berathung des Gesetzentwurfs über die Casernenbauten (von der Abgeordneten⸗ lammer abgelehnt) und des Gesetzentwurss über die Bestrafung des Concubinats. Was die Casernen⸗ bauten anlangt, so wird, wie wir hören, der Re— werent, General Frhr. d. Pranckh, die Bewilligung beantragen. (Pf. K.) München, 5. Febt. Daß der von der Kammer der Abgeordneten bezüglich der Bestrafung des Concubinats gefaßte Beschluß in der Kammer der Reichsräthe denselben Widerspruch erfahren werde, wie es bei der Berathung in der Abge⸗ ordnetenkammer seitens der königl. Staatsregierung und den Rednern der liberalen Partei der Fau wvar, war vorguszusehen, und ist auch insofern be— zeits eingetretken, als der Herr Reichsraih von daubenschmied als Referent beantragt: es sei dem Beschlusse der Abgeordnetenkammer (Personen, welche in fortaesetzter außerebelicher Geschlechtsvperbindung m.