St. Juuberter Atzeiger. Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. — — ———— — —— — — — — — — — — —rnir— — — — der „St. Ingberter Anzeiger“ erscheint woͤchentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltungs- zlatt und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kofstet vierteljahrlich A 40 Zeinschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 1A 75 —, einschließlich O ⸗Zustellungsgebühr. Die Einrückungsgebühr jfur die 4gespaltene Garmondzeile oder deren Raum beträgt bei Inseraten aus der Pfalz 10 4, bei außerpfälzischen und solchen auf welche die Expedition Auskunft ertheilt, 15 B, bei Neclamen 30 4. Bei 4maliger Einrückung wird nur dreimalige berechnet. M 74. Volitische Uebersicht. Deutiches Reich. Berlin, 15. Aril. An Stelle des Senats— ßräsidenten Petersen, der sein Mandat niedergelegt at, wird der Abg. Dr. Böttcher in die social— olitische Commission eintreten. Berlin, 15. April. Die Ueberraschung, welche »er Reichstag über die kaiserliche Botschaft zeigte, piegelt sich allgemein noch in der Presse wieder. luf Seite des Fortschritts und der Secession ver⸗ angt man eine Adreßdebatte. Das Centrum ver—⸗ sält sich reservirt, die Nationalliberalen schweigen ind bei den Conservativen herrscht Freude Woenn brigens die Nationalzeitung meint, der Etat pro 884/85 wäre jedenfalls berathen worden auch yhne die Botschaft, so ist das zutreffend, aber die jußerste Linke war dagegen und verbreitete das Ge— ücht, wenn der Etat berathen sei, solle der Reichs— ag nach Hause geschickt und nicht wieder berufen verden, denn 1884 stünden Neuwahlen so wie so „hne Auflösung bevor. Dieser Einwand ist ieden⸗ alls durch die Botschaft beseitigt. Berlin, 15. April. Die Vossische Zeitung geint, jedes Mitglied des Reichstags müsse dem Bunsche des Kaisers, noch den Abschluß einer Reihe ocialpolitischer Gesetze zu erleben, nach Kräften ent⸗ egenkommen, aber sich nicht dabei überhasten. Die bflicht Preußens sei es, die Hindernisse fortzurämen, oelche in dem Zusammentagen mit dem Landtag iegen, damit der Reichstag seine Aufgaben erfülle, Die Nationalzeitung findet es nicht motivirt, aß um so untergeordneter Fragen willen, wie die ztatsbetrathung, die Autorität der Krone angerufen vorden. Der Etat kann kein wesentliches Hinder⸗ iß für die Erledigung der socialpolitischen Auf—- aben sein, er nimmt 10—12 Tage in Anspruch. denn der Reichstag den Etat nicht jetzt beräth, so nöge dies in der Adresse an den Kaifer motivirt yerden. — Der Germania schreibt: Alle Parteien, enen es nicht um Opposition, sondern um positi⸗ es Schaffen zu thun ist, werden rückhaltlos den dunsch des Kaisers theilen, daß die dem Parlament orliegenden Arbeiten moͤglichst schnell erledigt wer⸗ en und jedenfalls noch dor Ablauf der Legislatur⸗ eriode der Abschluß der hisherigen Projekte auf cialem Gebiete erreicht wird Ueber die beste Art nd Weise eines Vorgehens nach dieser Richtung in wird sich zweifellos eine Verständigung zwischen egierung und Parlament erzielen lassen, wenn stere enigegenkommi und letzteres nicht zu sehr an bsenzen laborirt Hoffentch wirb ver erste Er— Ig dieses außerordentlichen Schrittes der Krone er sein, die Abgeordneten zu eifrigerer Pflichter⸗ üllung gegenüber dieser verantwortungsreichen Si⸗ ation anzuspornen. Berlin, 15. April. In der Reichstagscom⸗ umon zur Berathung der Vorlage über die Un— Ulversicherun g beantragte Frhr. v. Maltzahn⸗ untz. der Reichszuschuß von B pen sou⸗ fortfallen, msür aber der Entschädigungsbeitrag der Unternehmer m 60 auf 80 Prozent, der Beitrag der Betriebs dossenschaft von 20 auf 25 Procent erhöht werden. er Antragsteller ersucht zugleich den Reichskanzler M Material zur Beurtheilung der Frage, ob die Abezeichneten Verpflichteten dauernd zur Tragung aufgelegten Last im Stande sein werden, oder geboten erscheint, später einen Theil der Last die Reichskasse zu lübernchmen ßerlin 16. April. Der Kaiser ist infolge Ablebent des Großherzoas von Mecklenburg 08 Dienstag, 17. April 1883. 18. Jahrg. Jeute früh nach Schwerin abgereist. Die Rückkehr erfolgt heute Abend. Die Abreise des Kaisers nach Wiesbaden ist aufgeschoben. Die Nachrichten uͤher den Gesundheitszustand des Fürsten Bismarck lauten, der Nat- Ztg ufolge, eben entschieden günstig. Nachträglich ver— uimmt man von dem Reich kanzler nahestehender Seite, daß die großen diplomatischen Aufgaben die— es Winters auf im Laufe desseiben ausgegebenen krankheitsbulletins nicht ohne Einfluß gewesen sein nögen. Generallieutenant v. Capri vi, Chef der kai⸗ erlichen Admiralität, ist zum Bevollmächtigten des zZundesraths ernannt worden. Der Reichstag berieth am Samstag den Urt. 11 der Gewerbeordnungsnovelle, welcher die fFrage des Arbeitsbücherzwanges behan— elt. Bekanntlich hatte die Regierungsvorlage diesen 3wang nicht allgemein ausgesprochen, es vielmehr nn allem wesentlichen bei dem bisherigen Recht be— assen, wonach blos für Lehrlinge und Arbeiter inter 21 Jahren Arbeitsbücher vorgeschrieben waren. Im 8 108 war festgesetzt, daß die Ausstellung des Arbeitsbuches auf Antraͤg oder mit Zustimmung des Vaters oder Vormundes von der Polizeibehörde u erfolgen habe. Die Gemeindebehoͤrde kann die Nustimmung des Vaters, falls sie nicht zu beschaffen st, ergänzen. In der Commission ist auf Betreiben eer klerikal-konservativen Mehrheit, namentlich des lbg. Ackermann, der Grundsatz zur Geltung ge— angt, daß sämmtliche gewerbliche Arbeiter Arbeits— ücher führen müssen. “Die Liberalen Baumbach ind Genossen) beantragen die Wiederherstellung der degierungsvorlage. Die Commission hat (im 8 07) folgende Bestimmungen betreffs der Arbeits „ücher im einzelnen formulirt: Äls gewerbliche Arbeiter dürfen nur solche Personen beschäftigt oerden, die mit einem Arbeitsbuche versehen sind. Der Arbeitgeber hal bei der Annahme der Arbeiter die Vorlegung dieses Buchts zu fordern. In das— elbe ist die Eintrittszeit und die Beschäftigungsart es Arbeiters einzutragen. Weiterhin werden Arbeit⸗ jeber, welche die Eintragungen mit einem Merk—⸗ nale versehen, welche den Inhaber des Buches sünstig oder nachtheilig zu zeichnen bezweckt, mit zeldstrafe bis zu 2000 Mik. im Unvermögensfulle nit Gefängniß bis zu sechs Monaten bedroht. Der Abgeordnete Ackermann vertheidigt den Antrag der Lommission besonders unter Hinweis darauf. daß »ie Vagabundage ohne allgemeine Einführung von Arbeitsbüchern nicht beseiligt werden könne und jeklagt sich über die Art der politischen Agitation, velche man gegen den Arbeitsbücherzwang in Szene jesetzt habe. Es handele sich hier nicht um eine inwürdige Bevormundung der Arbeiter, sondern im eine Einrichtung zu ihrem eigenen Wohle eben o wie zu dem der Arbeitgeber. Die Abgeordneten öwe⸗Berlin (Fortschritt) und Lüders (Sezession) diesen dagegen schlagend nach, daß trotz jener hohen ?trafandrohung die Anwenduͤng verabredeter Merk— nale zum Schaden der Arbeiter in ihren Arbeits— üchern absolut nicht zu verhindern sei. Am besten preche hierfür die Erfahrung aus den Zeiten vor er Gewerbeordnung. Der konservatid-klerikale Untrag sei aus dem Bestreben der Arbeitgeber her⸗ orgegangen, den Arbeitern Fesseln anzulegen. Der Arbeiter aber wolle keine Arbeitsbücher und die zndustrie bedürfe derselben nicht. Darauf erklärte ich auch der Commissär der verbündeten Regierungen, Heh. Rath Bödicker, gegen den Beschluß der Com⸗ nission. Herr Oecheluanser rat dem Kommissions vorschlag als bewährter Kenner industrieller Ver— zältnisse mit ähnlichen Gründen entgegen, wie der Redner der linken Nachbarparteien, und der So— ialdemokrat Kräcker bestätigte die liberalen Aus— ührungen vom Standpunkt des Arbeiters. Für »en Commissionsvorschlag sprachen noch die Abg. Bünther (Sochsen) und v. Schalscha. Letzterer hatle ndessen nicht seine ganze Parlei (Centruͤm) hinter ich. Vielmehr timmte ein Theil derselben — ind zwar befanden sich darunter hervorragende Mitglieder, wie Windthorst, Reichensperger, Heere⸗ nann — mit den Liberalen. Ebenso erhielten die⸗ elben einen kleinen Succurs aus dem christlich⸗ ozialen Lager, in welchem man es mit den Arbeitern nicht verderben mag. Der Arbeitsbücherzwang vurde also abgelehnt und die Regierungsvorlage nit einiger (die Arbeitskarten für jugendliche Ar— »eiter u. s. w. betreffenden) von libderaler Seile zeantragten Ergänzungen wieder hergestellt. Da »as weitere einstweilen mit Rücksicht auf die noch »er Commission vorliegenden Punkte zurückgestelli leibt, so konnte bereiss auf die nächste Tages⸗ rdnung (Donnerstag) die zweite Berathung des drankenkassengesetes gestellt werden. Die zerhandlungen? wurden gegen den Schluß der Sitzung durch die überraschende Verlesung einer aiserlichen Botschaft seitens des Staatsministers -„cholz unterbrochen. Die Botschaft, die wir aus— ugsweise schon in voriger Nummert mitgetheilt haben, ief, der „Magdeb. Zig.“ zufolge, im Hause einen im so tieferen Eindruck hervor, je überraschender ie tam. Hr. Richter hob einige Erwägungspunkte jerbor, welche sich gegenüber dieser Aufforderung an den Reichstag aufdrängen, und wünschte die Anberaumung einer Besprechung der vom Reichs— anzler gegengezeichneten Botschaft. Hr. v. Mini⸗ jerode erhob hiergegen Einsprache. Auf Anrathen »es Präsidenten, welchen Hr. Windthorst darin interstützte, stand man von weiteren Eroörterungen ib, um nach erfolgter Vertheilung des gedruckten Wortlautes der Botschaft das weitere zu erwägen. Ausland. In Genf ist ein neues anarchistisches Blatt erstanden: La Bombe. Sein hirnverbranntes Programm gipfelt in dem Feldgeschrei: Krieg bis auf den Tod gegen die Bourtgeosie! Paris, 15. April. In einer der ersten Sitzungen nach dem Zusammentritt der Kammern vird die Regierung die Vorlage betreffend den Bau illiger Wohnhäuser für den Arbeiterstand einbringen, velche außer der Genehmigung des Parlaments noch derjenigen des Parifer Gemeinderaths und der Beneralversammlung der Aktionaͤre des Credit foncier bedarf. Die Regierung hat sich mit Vorliebe jener ösung der Frage zugewandt, welche darin besteht, illige Häuser für einzelne Familien zu bauen, deren Unkaufspreis im Laufe von zwanzig Jahren durch »escheidene Miethszinse zu entrichten wäre. Der derstellungspreis mit deim Ankauf des Terrains osl nicht über 9000 Francs und nicht unter 3000 Francs betragen. Schwerin, 15. April. Der Großherzog st heute Vormittag noch halb 11 Uhr sanft ein t⸗ chlafen. (Der Großherzog Friedrich Franz II. war n der letzten Woche an der Lungenentzündung erktankt und schien dieselbe ihren regelmäßigen Verlauf zu nehmen. Freitag Abend irat jedoch ine Wendung ein und zogen die Aerzte deshalb noch den Profeffor Dr. Thierfelder⸗Rostock zu Rathe. Doch ist dessen Hülfe auch zu spät gekommen. Der skrokberzog war am 28 Febr. 18284 deboren