St. Ineberter Amzeiger. Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 7 „St. Ingberter Anzeiger“ erscheint wöchentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donuerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltungs- zlatt und Sonntags mit Bseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt koftet vierteljährlich 1.A 40 — einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 1. 735 8, einschließlic 0 ⸗ Zustellungsgebühr. Die Einrückungsgebühr fur die 4gespaltene Garmondzeile oder deren Raum beträgt bei Inseraten aus der Pfalz 10 —, bei außerpfälzischen und solchen auf welche die Expedition Auskunft ertheilt, I3 , bei Neclamen 30 4. Bei 4maliger Einruckung wird nur dreimalige berechnet. 104. Samstag, 2. Juni 1883. 18. Jahrg. — Politische Uebersicht. Deutsches Reich. München, 80. Mai. König Alphons son Spanien wird mit seiner Gemahlin im zpätsommer zum Besuche sseiner Verwandten hier rwartet; von München aus gedenkt das Königs- aar in der zweiten Hälfte des September in Wien inzutreffen. In dem „Nürn. Korresp.“ wurde dieser Tage, die in vor. Nr. erwähnt, eine Aufbesserung der gehalte der bayer. Justizbeamten in Aus⸗ icht gestellt. In demselben Blatte wird jetzt mit olgender Begründung vor allzu sanguinischen Hoff⸗ ungen gewarnt: „Die Gehaltsaufbesserung einer inzelnen Klasse der Staatsdiener wird schwerlich on der Staatsregierung in Angriff genommen wer⸗ en, da eine derartige theilweise Aenderung des gehaltsregulativs schwer durchdringen würde. Aber nan muß nur die Finanzlage des Staats vor Augen aben. Die Besserung der Finanzen liegt zumeist n den erhöhten Einnahmen der Staatseisenbahnen. WBerden diese auch in den Jahren 1884 und 1885 o günstig sein? Wird auch in diesem Jahre der ntscheidende kolossale Getreidetransport aus dem Hsten Statt finden? Bereits winkt für 1884 1885 ine empfindliche Erhöhung der Matrikularbeiträge, mnd es wird sich sehr fragen, ob im Reichstag in naher Zeit eine Vermehrung der Reichseinnahmen ius Zollen und Tabak Billigung finden wird. Aber ine Gehaltserhöhung, zu deren Zustandekommen nie direkten Steuern auch nur um ein Geringes er⸗ nͤht werden müßten, dazu wird sich in der jetzigen weiten Kammer nie eine Mehrheit finden. Und oweit wir die jetzige Finanzlage kennen, ist ohne irhöhung der direkten Steuern an eine Gehalis— ermehrung kaum zu denken.“ Berlin, 30. Mai. Der Abg. v. Kleist— etzow ist zu Wirklichen Geheimen Rath mit dem dradicat „Excellenz“ ernannt worden. Berlin, 80. Mai. Der Reichstag nahm SBö der Gewerbenovelle unverändert an, berieth dann den 8 56 und lehnte den Antrag des Abg. zaumann auf Freigebung des Hausirens mit jold und Silberwaaren und Taschenuhren mit 148 egen 131 Stimmen ab. Die Abgeordneten Stöcker, dicker, Windthorst und Günther be— arworteten den Zusatzantrag des Abg. Acker⸗ nann, Schriften und Bildwerke, so—⸗ ern fie in fittlicher und religiöser Reziehung anstößig find oder mil Pra nien oder Gewinnen vertrieben wer— en, vom Hausirbetriebe auszuschlie- en. Dagegen sprachen die Abgeordneten Bau m⸗ ach, Richter, Blum und Kopp. Der An— dag Adermann wurde jedoch mit 172 gegen 146 vtimmen angenommen und der so veränderte Pa⸗ agraph genehmigt. Bei F 56 b (GVerordnungs⸗ echt des Bundesraths in Seuchefällen vorbehaltüch et spateren Zustimmung des Reichsstags) beantragt ermann, die Legalisirung des Reichstags zu 3 Autrag wird nach längerer Debatte ab⸗ Berlin, 31. Mai. Das Krankenkassen— esez wurbe mit 216 (darvner Ii Sezessionisten) egen g9 Stimmen aungenommen. að Reichstagskreisen wird nach dem J. erzahll der Kangler wolle anf die Plenar· r hung des Etats pro 1884885 berzichten, viel- den Reichstag vdertagen bis zum Herbft, em die Gewerbeordnungasnovelle, das Kraͤnken assengesetz, die Handelsverträge und Militärpensions⸗ zesetze erledigt sind. Demnach sei der Schluß der seichstagssitzungen gegen Mitte Juni zu erwarten. Andererseits versicherie man aber, der Kanzler be⸗ tehe nach wie vor auf der Plenardurchberathung »es Etats. Der Centralverband deutscher Woll— vaarenfabrikanten hat sich in einer Reso— ution für die Krankenkassen und Unfallversicherung iber gegen Alters- und Invalidenversicherung aus⸗ gesprochen. Ausland. Paris, 29. Mai. Es ist merkwürdig, wie ehr die italienische Reise des Grafen Moltke den Franzosen die Köpfe verrückt hat. Selbst ein Mann vie General Wimpssen schreibt ein langen Artikel uins Evenement, worin er haarscharf beweist, daß »ie Erholungsreise des 80jährigen Generalstabschefs ine eminent strategische Bedeutung habe. Wimpffen jat das schon vor einigen Jahren bemerkt, wo er nit Moltke in Bad Ragatz zusammentraf. Noch zrößere Combinationsgabe als der einstige Ober- ommandant bei Sedan entwickelt aber Philippe de Hrandlieu (Leon Lavedan) im Figaro. Nur be— chäftigt er sich nicht mit Moltke, sondern mit Herrn o. Bismarck, diesem Bismarck, der nach Grandlieu nur auf den Augenblick lauert, da das Papstthum nit Frankreich gebrochen haben wird, um die Repub⸗ lik zum Schemel seiner Füße zu machen. Alle Nachbarn rings herum werden dann Deutschland jelfen: für sich selbst gedenkt letzteres ganz Loth⸗ ingen zu annektiren, dessen Hauptstadt jetzt schon iuf den deutschen Generalstabskarten „Nanzig“ eißt, ferner die Freigrafschast und sonst noch ein „tück Burgund; Belgien würde für sein Mitwirk— ing durch Französisch-Flandern, England durch einen ranzösischen Hafen am Canal, die Schweiz durch hablais und Fancigny, Spanien durch das Rous⸗ llon⸗ Gebiet und vielleicht sogar durch die Gascogne elohnt. Man sieht, welch' wunderbare Blüthen ie Phantasie eines Franzosen treibt, wenn sich in einem Gehirn chauvinistische Gedanken mik der dinneigung zu Rom und dem Haß gegen die Re— ublik vermischen. Die Reise des Grafen Moltke nach Oberitalien verursacht den Franzosen immer noch iel Kopfzerbrechen. General v. Wimpffen bringt m „Evenement“ eine Darstellung, welche der bereits jemeldeten des „Figaro“ über die vom Fürsten Zismarck angeblich geplante Zerstückelung Frankreichs ehr ähnelt. Der General schreibt: „Die Nachricht von dem Besuch des Grafen Moltke in Mentone estimmt mich, Ihnen zu schreiben, um Ihre. Auf⸗ egung einigermaßen zu beschwichtigen. Vor einigen Jahren durchreiste ich die Schweiz und traf in Ragatz nit dem Feldmarschall Grafen Moltke zusammen. Was hatte diese wichtige Persönlichkeit an dem kleinen Orte zu thun? Er machte nur wenige Ausflüge; aber ich bemerkte bald, daß Generalstabsofsiziere in zürgerlicher Kleidung ihm genaue Aufzeichnungen iber den Gebrauch, den man zu jeder Jahreszeit ‚on gewissen Alpenstraßen — die Gotthardbahn tand noch auf dem Papier — machen könnte. Die denntniß dieser Studien und einiger anderer, be⸗ reffend unsere Grenze, führte mich zu der Einsicht, »aß die Schweiz in weniger als 24 Stunden mit 100,000 Soldaten von allen deutschen Eisenbahnen zus überfallen werden könnte. Das Versprechen, ie Selbstständigkeit dieser so überrumpelten kleinen Republik zu wahren, würde ihren Widerstand lähmen ind gestatten, über jene Truppen gegen Frankreich zu verfügen. Graf Moltke, der trotz seiner 80 Jahre von Berlin nach San-Remo und von dort nach Mentone reiste, kann nur den 'einen Zweck herfolgen, den Punkt auszuspähen, wo wir im Falle einer großen inneren Ruhestörung am schwächsten wären. Dieser Gedanke leitete ihn, als er vor 1870 Elsaß und Lothringen auskundschaften ließ, dann päter mit seinen Offizieren die Schweiz bereiste, und leitet ihn jetzt wieder, da es gilt, unsere Süd⸗ Istgrenze für den Fall einer italienisch-deutschen Invasion zu studiren. Wohl weiß unsere Presse yon der Abwesenheit unseres Besiegers in einer eben so sehr italienischen als französischen Stadt zu erzählen; aber sie hat nicht seine Vorhut unser Ge⸗ hiet von Marseille bis Lyon durchstreifen, die ge⸗ ingsten Hindernisse im Falle eines Kampfes auf⸗ eichnen und die geeignetsten Stellungen anmerken ehen, auf denen ein Zusammenziehen von Kräften ur Vernichtung der Aktion unserer Hauptfestungen Toulon und Lyon und zur Beguͤnstigung des raschen Narsches eines Armeekorps auf Marseille stattfinden önnte. Wenn unsere Feinde erst Herren dieser „tadt wären, mürden sie unsere Beziehungen mit ꝛem Mittelmeer zu gunsten der Eisenbahn von Genua iach Deutschland fast gänzlich abschneiden. Die urch österreichische Schiffe verstärkte italienische Flotte würde diese Bemühungen unterstützen, indem ie unsere Fahrzeuge verhinderte, aus den Häfen nuszulaufen. Männer, welche sich vorsichtig halten, agen und schreiben, daß der Krieg zu vermeiden st, so lange wir uns ruhig verhalten. Weit ge⸗ ehlt! Irgend ein Handelsinteresse könnte ihn zum Ausbruch bringen und nicht minder die egoistische Solidarität der zu dem Zweck, unbequeme Prin⸗ zipien zu ersticken, verbündeten Fürsten. London, 31. Mai. Von Paris wird hierher zemeldet, in Kairo werde ein anonymes Circular »erbreitet, worin von einer patriotischen Liga die Rede ist, welche die Fremden vertreiben und anläß—⸗ ich des Jahrestages des Bombardements von Ale⸗ sandrien eine Manifestation veranstalten wolle; es jerrsche unter den Eingeborenen große Aufregung. Zelbstverständlich wird diese Nachricht als Boͤrsen⸗ nanöver betrachtet, ebenso wie die Explosion im Tabinet der Kaiserin zu Petersburg, der Giftmord⸗ bersuch an dem Kaiser Alexander, die Erkrankung des Kaisers Wilhelm, die bedenkliche Verschlimme- rung des Gesundheitszustandes Bismarck's sowie endlich der diplomatischen Beziehung zwischen Frank⸗ reich und China. Madrid, 30. Mai. Der heutigen Eröffnung der mineralogischen Ausstellung wohnte das Koͤnigs⸗ paar Spaniens und Portugals bei. Alphons hielt eine Rede und sagte, Spanien und Portugal werden stets zusammengehen, der einzig mögliche Kampf unter ihnen sei ein friedlicher Wettstreit auf dem Bebiete der Industrie. Beide Nationen seien Schwe⸗ stern. Die Rede wurde mit den Rufen: „Es lebe Spanien, es lebe Portugal!“ aufgenommen. Petersburg, 80. Mai. Am 22. ds. fand in Rostow, der mächtig aufstrebenden, meist von Briechen und Kosaken bewohnten Handels- und dafenstadt im Berzirk Taganrog, eine große Juden⸗ jetze statt; hundert Häuser wurden zerstört, mehrere Menschen getödtet, viele verwundet. Moskau, 81. Mai. Die Kronungs⸗ 'o stenn betragen über dreißig Millionen Rubel. Ein Correspondent der „Schles. Ztig“ hebt jervor, wie der Kaiser Alexander von Rtußland gerade bei der Feier in Moskau neue Beweise dafür ablegte. wie hoch er die Ueberliefe—