Markte wandernden jüdischen Viehhändler wählen müssen, weil bei einem solchen allein eine beträcht⸗ iche Baarsumme mit Sicherheit zu erwarten ist. Dieser Erwagung gemäß begeben sie sich eines Nachmitiags mit Handbeilen zur Lauer in einen Wald, durch den eine abkürzende alte Landstraße nach der Stadt Kandern führt. Ein jüdischer Vieh— händler kommt bald des Wegs; doch er zieht eine Zuh am Strick, will also muthmaßlich verkaufen, nicht einkaufen, und sie lassen ihn vorüber. Er hörte ihre halblaute Aeußerungen zwischen den Stämmen und macht sich hurtig mit unheimlicher Scheu davon. Kurz danach kommen zwei andere üdische Viehhändler von der Stadt Müllheim her, ort angesehene, begüterte Leute. Sie wollen offen⸗ har in Kandern einkaufen, denn sie führen kein Vieh mit sich. Das ist ihr Todesurtheil, und in der nächsten Minute liegen sie beide erschlagen. Von herannahenden Stimmen aufgescheucht, schleifen zie Mörder die Leichen nur wenig bei Seite; bald rgriffen, meint der Vater dem Gefängnißwärter gegenüber: „So ein zehn Jährle werden wohl herausspringen.“ Die Rohheit und Gemeinheit der Angeklagten während der Untersuchung übersteigt sedes Maß; Vater und Sohn suchen wechselseitig alle Schuld auf den Andern zu häufen, ihn als einen Ausbund jeder Niederträchtigkeit zu kenn⸗ zeichnen. Sie werden vom Schwurgericht zum Tode verurtheilt, doch vor einigen Wochen sind sie zu lebenslänglichem Zuchthaus begnadigt worden, uind zwar auf Antrag unseres liberalen Ministeriums. Thatsächlich ist damit die Todesstrafe in Baden aufgehoben; mehrere der abscheulichsten Mordthaten aus letzter Zeit harren noch des Urtheils, allein nach dieser Begnadigung ist eine Hinrichtung Anderer zur Unmöglichkeit geworden. Wir sind unserer lieberalen Regierung für sehr Vieles zu höchstem Dank verpflichtet; doch wir fürchten, daß ihre un— selige, Doktrin“ in dieser Sache böse Zukunfts⸗ schatten füt uns heraufbeschwört. Die Sicherheit des Schwarzwaldes wird dadurch nicht gewinnen; das Unwesen des Strolchthums ist vielleicht in keiner deutschen Landschaft größer; sich allein und unbe— vaffnet in unsere weitgedehnten, unbelebten Wälder ineinzuwagen, wird von Jahr zu Jahr bedenklicher. Der umherstreifende Vagabund, der arbeitsscheu— runksüchtig verkommene Dörfler riskirt im badischen dande Nichts, was er ernsthaft fürchtet, wenn er iich durch einen Raubmord in den Besitz der Habe eines wohlgekleideten städtischen Spazirgängers oder Touristen zu setzen sucht. Er denkt: „So ein zehn Jährchen werden wohl herausspringen, wenn man mich erwischt.“ Leider ließen sich nicht zu wenig Belege aus dem letzten Jahrzehnt dafür beibringen.“ Stuttgart, 17. Juni. Gestern und heute lagte der 17. Verbandstag der Süddeutschen Con— —X hören, nachdem der Schramberger Verein liquidirt hat, noch 19 Vereine an, darunter 5 aus Württem⸗ hberg, 8 aus Bayern, 6 aus Baden. An dem Verbandstage nahm auch der Vertreter der Anwalt— schaft, Dr. Schnei dersPotsdam, Theil. Gestern Abend und heute früh wurden Vorversammlungen abgehalten, bei denen interne Vereinsangelegenheiten zur Sprache kamen. Die Hauptversammlung eröffnete der Vorsitzende Sitzler⸗ München mit warmen Worten der Erinnerung für den verstorbenen An— walt Dr. Schul ze⸗Delitzsch und trug sodann den Rechenschaftsbericht vor. Aus demselben ergibt sich, daß die 19 Vereine des Verbandes 10,230 Mit⸗ Jlieder zählen, 10,7 18 im Vorjahre, darunter 1820 Frauen. Der Ruͤckgang in der Mitgliederzahl ist eine Folge der Volksbankkatastrophen in Stuttgart und München. Der Gesammtumsatz der 19 Ver— eine belief sich im letzten Jahre auf M. 5,109,870, der Reingewinn jauf M. 346,661 oder 6.7 pCt. Im Allgemeinen ist ein günstiger Stand der Ver⸗ dältnisse, bei allen Vereinen, trotz des Rückgangs der Mitgliederzahl, zu konstatiren. — Dr. Schnei— der⸗ Potsdam berichtet über den neuesten Stand der Borschläge des verstorbenen Anwalts zur bevorsteh⸗ enden Revision des Genossenschaftsgesezges: Aufnahme der Landwirthschaft unter die Genossenschaftsbetriebe, Cautionen der Vorstände, Maximal-Belastung und Maximal⸗Risiko der einzelnen Vereine, Nichtgewähr⸗ ung von Crediten an die Vorstandsmitglieder aus —— ligatorische Einsetzung des Aufsichtsraths, obligato— rische Einführung der Superrevision. Mit diesem Bericht wird die Berathung des Antrags des Lebens⸗ »edürfnißvereins e. G. Karlsruhe, betreffend Zu⸗ assung von Genossenschaften mit beschränkter Haft— Fflicht verbunden. Dr. Schneider hält die beschränkte haftpflicht bei Consumbereinen sür zulässig und weckmäßig, da man Niemandem zumuthen könne, ür die Beschaffung von billigerem Kaffee und Zucker nit seinem ganzen Vermögen einzutreten. Eine steihe von Rednern spricht sich ebenfalls für die eschränkte Solidarhaft aus, Dr. Schneider meint, nan sosle dieselbe auf den doppelten Betrag des heschäftsantheils beschränken, worauf man den An⸗ rag Karlsruhe mit der Motivirung, daß die be— hränkte Hafipflicht vom Standpunkt der Consum⸗ ereine für zulässig erklärt wird, annimmt. — Zur zeschickung des allgemeinen Verbandstages in Hal—⸗ erstadt wurden die Vereine Donaueschingen resp. zörrach delegirt. Zum Verbandsdirektor wird Sitzler⸗ Nunchen wiedergewählt. — Der nächste süddeutsche Herbandstag soll voraussichtlich in Ansbach abae- jalten werden. Das Kolossalstandbild der Germania, velches die Hauptfigur des an den Ufern des Rheines nuf dem Niederwalde zu errichtenden Denkmals der sdeubegründung des deutschen Reiches bilden soll. st nach vierjähriger Arbeit in der v. Miller'schen krzgießerei zu München vollendet worden und ge⸗ angt demnächst zur Aufstellung. Die riesige Erz⸗ igur, welche, mit den Füßen in tiefer Grube stehend, ennoch bis an die Decke der großen Halle der xrzaießerei reicht, ist, wie das ganze Monument, 5rfindung von Professor Johannes Schilling in dresden und von demselben modellirt. Die Höhe des emporgehobenen rechten Armes wird auf 41 zuß angegeben. (Die Münchener „Bavaria“ mißt 4 Fuß.) Zum Gusse wurden ungefähr 700 Zent— ier Erz benoöthigkt. In freier edler Bewegung steht die kolossale und dennoch durchaus nicht schwerfällige, ondern ebenso mit Heldenkraft ausgerüstete wie mit veiblicher Anmuth geschmückte Gestalt da vor einem innig konstruirten Throne, in dessen Aufbau zwei Idler so eingefügt sind, daß die Fänge derselben u Träagern dienen, die Köpfe die Armlehnen zieren ind die fein ausgearbeiteten Schwingen die ganze ftücklehne umfassen. Der jugendliche, von üppigem, m Winde fliegenden Haare umrahmte Kopf ist von oher klassischer und dennoch lebensvoller und den ermanischen Typus treu widerspiegelnder Schönheit; reudige, stolze Begeisterung leiht den Zügen Be— vegung und blickt aus den Augen. Der Oberleib st mit einem enganliegenden, mit dem Reichsadler jezierten Koller bekleidet, unter welchem an den lermelausschnitten und den Hüften ein Panzerhemd um Vorschein kommt. Um die Schultern und bis u den Füßen herab wallt in reichen, theilweise in en gegliederten und Löwenköpfe tragenden Gürtel jeraufgenommenen Falten ein Königsmantel, dessen reiter Saum mit prächtiger Stickerei geschmückt ist. der rechte, hoch emporgehaltene Arm trägt die deutsche daiserkrone, während der linke sich auf das lorbeer⸗ mwundene Reichsschwert stützt. Es darf ange— sommen werden, daß der beabsichtigten Enthüllung es Denkmals im Laufe des heurigen Herbstes kein Zinderniß im Wege stehen wird, nachdem die Trans— vortschwierigkeiten, so groß sie waren, alle glücklich gehoben sind. Der Schöpfer des Denkmals, Pro⸗ essor Johannes Schilling in Dresden, ist zur Be⸗ ichtigung des Standbildes nach München gekommen. Ein interessanter Fall wurde vor )em Geraer Schwurgericht verhandelt. Im Winter ernte ein junger Mann aus Apolda ein hübsches MNädchen auf einem Ball daselbst kennen. Er be⸗ Jleitete das junge Mädchen nach Hause und wurde interwegs zudringlicher, als es die Gesetze der sitterlichkeit und Galanterie gestatten, denn seine Begleiterin mußte um Hilfe rufen, die ihr auch pard. Es wurde von dem Vorfall Anzeige erstattet. Indessen hatte das junge Mädchen einen tiefen Ein— rruck auf das Herz des jungen Mannes gemacht, r näherte sich ihr wieder, wurde auch wieder zu naden angenommen und führte vor Kurzem das unge Mädchen als seine Gattin heim. Aber über dem jungen Ehepaar schwebte die verhängni' volle Anklage auf Grund des 8 175 des Strafgesetzbuchs, die bekanntlich, nachdem ein förmlicher Antrag bei Bericht gestellt worden, nicht mehr zurückgezogen verden kann. So erscheint denn, wie die „Frkf. Ztg.“ berichtet, der junge Ehemann aus Apolda nmit seiner jungen Frau (die letztere als Zeugin) oor den Geschworenen! Der Vertheidiger plaidirte mit Feuer um mildernde Umstände und so kam denn der junge Mann, der mit seinem jungen Weibchen in glücklicher Ehe lebt, mit dreimonat⸗ icher Haft davon, die ihm vielleicht der Großherzog on Weimar auch noch erlößt. Berlin, 15. Juni. Eine am Monia zur Ausführung gelangte Verhaftung x in der Schwerinerstraze wohnhaften Haupt., nannes a. D. und späteren Telegraphensekreiätz ). macht in den betreffenden Kreisen sehr großeß Aufsehen, zumal bekannt wird, daß die Verhaftun vegen Verdachts des Landesverra thes inn Amer persönlicher Leitung des Staatsanwalts bom dandgericht wurden in der Wohnung mehrere Haus. uchungen vorgenommen und eine große Anzahl Briefe, Papiere, Zeichnungen, Risse, Bücher, welche »en Stempel von preußischen Regimentsbibliotheken rugen, mit Beschlag belegt. Die Verhaftung sol uf Grund einer telegraphischen Anweisung aus Dresden erfolgt sein, woselbst ebenfalls mehrere herhaftungen in derselben Angelegenheit gleichzeitig orgenommen wurden. Daß über die Sache großes Stislschweigen beobachtet wird, ist selbstverständlich Grügel als der Liebe Lohn.) Auf Berlin, 9. Juni, wird der „Str. Post“ geschrieben Der bayerische Gesandte, Herr v. Niethammer, er— sjebt beim Bundespräsidenten Ruchonnet energische dlage gegen einen scandalösen Vorfall, der sich im „t. Gallischen Städichen Lichtensteig zugetragen jaben soll. Während des dortigen Aufenthalis einer ayerischen Theatergesellschaft gewann der junge Darsteller der Helden⸗ und Liebhaberrollen das Het ines hübschen Mädchens aus sehr angesehener Fa— nilie. Aber der Bürgermeister, wahrscheinlich an— Jetrieben durch familienstolze Verwandte oder auf⸗— jestachelt durch irgend einen hintangesetzten Anbeter, zeschloß, den Liebesknoten mit Gewalt zu lösen. Er ließ den Schauspieler arretiren und ihm durch eiinen Polizeiangestellten fünfundzwanzig Stochstreiche rufmessen. Dann wurde der also Gemaßregelte dem Bezirksvorsteher zugeführt und von diesem polizeilich über die Grenze geschafft. Das scheint der Hergang zu sein, welcher der Klage des bayerischen Gesandten zu Grunde liegt. Die Angelegenheit' ist noch nicht in weiteren Kreisen bekannt, wird aber, davon sind vir überzeugt, einen Sturm allgemeiner Entrüstung jervorrufen, vor dem kein Verkriechen und kein Bertuschen möglich sein wird. (GDer Erfinder der Reibzündhöl— zer.) Eine der populärsten Ersindungen wird im Jeurigen Sommer fünfzig Jahre alt; im Juni 1888 vurden die Reibzündhoͤlzer erfunden. Der Erfinder var ein politischer Gefangener und seine Schöpfung ntstand in den Mauern eines Staatsgefängnisses. der Student der Chemie, J. F. Kammerer aus dudwigsburg, nach dem Hambacher Feste 1882 ein⸗ gezogen, erhielt nach längerer Haft ein halbes Jaht Hefaͤngniß auf dem Hohenasperg. Der junge Che⸗ niter iam unter die Obhut eines alten Offiziers, velcher seinen größtentheils jugendlichen —XR sohlenen ihr Schicksal zu erleichtern fuchte. so weit z sich mil seiner Amtspflicht vertrug. Dieser alte Obersi lernte auch den jungen Landsmann nühet ennen, erfuhr von ihm, daß er Chemie treibe, und rlaubte gern, daß er sich in seiner Zelle ein kleines daboratocium einrichte. Kammerer hatte schon au der Unversität Versuche zur Verbesserung der damalz zestehenden Feuerzeuge gemacht. Namentlich suchte er Tunkzündhölzchen zu vereinfachen. Es waren ies Holzspänchen mit Schwefelspitzen, die man in ine chemische Flüssigkeit eintauchte, um eine Flamme zu enifachen. War das Fluidum frisch, so blieb zer Erfolg nicht aus; veraltet aber versagte das Zündwasser den Dienst, und die Folge davon war— zaͤß viele Leute bei der alten Methode, die Feuer ung durch Stahl, Stein und Zunder zu erzielen. tehen blieben. Nach vielen vergeblichen Versuchen egann Kammerer mit Phosphor zu experimentiren. Fr' haite nahezu das Ende seiner Haft erreicht. al r die richtige Mischung traf. Decimaltheilung bei'm Papier handel. Eine Bekanntmachung der Gesamm aalsministerien ordnet an, daß in Uebereinstimmun— nit einer auf grund eines Bundesrathsbeschlusse⸗ n Ui December d. J. den sammtlichen Reich „ehörden zugegangenen Anordnung die Staats⸗ und onstigen öffentlichen Behörden aller Ressoris in Zutunft der Bestellung von Papier für ihren ve Inf vas Ries zu 1000 Bogen als Ginbeit J arund zu legen haben. Das Kapitel der Zollkuriosaß rährt täglich neue Bereicherungen, aber auch ziesem Gediete ist „Vieles schon dagewesen p d fsind wir heut in der Lage, eine zwar g iltere, aber wenig bekannte Leistung zollwachteri chu Scharfsinns mitzutheilen, die beweist, daß man renen des deuschen Valerlandes schon vo