— —3 ß — e — —8 V 9 3 6 —— 4 —* —5 I J —F I. — 5383 — Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts Ht. Ingbert. der „St. Ingberter Anzeiger“ erscheint wöchentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donuerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöcentlich mit Unterhaltungs zlatt und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt tostet vierteljahrlich i A G0 einschließlich Tragerlohn; durch die Post bezogen 1A 75 A, einschließken 0 sZuflellungsgebübr. Die Einrückungsgebühr fur die 4gespaltene Garmondzeile oder deren Raum beträgt bei Inseraten aus der Pfalz 10 —, bei außerpfälzischen und solchen auf welche die Erpedition Auskunft ertheilt, 15 , bei Neclamen 30 —. Bei 4maliger Einruckung wird nur dreimaliage berechnet. X 207.— x die politische Einsicht in Frankreich. Zwei Staatsmänner, Thiers und Gambetta, eide von ganz verschiedenen Prinzipien ausgehend, ind die Begründer dir heutigen französischen Re— zublik gewesen. Thiers sagte: „Die Republik muß onservativ sein oder sie wird nicht sein“, und hzambetta meinte, die Republik muß liberal und ortschrittlich sein oder sie wird an der Halbheit der nneren Entartung zu Grunde gehen. In diesen cheinbar einander entgegengesetzten Aussprüchen iegt die Regierungsweisheit fuͤr die französischen kepublikaner aller Zeiten, denn für irgend ein Stadium, welches die französische Republik durch— umachen haben wird, paßt entweder Thiers' oder hambetta's Grundsatz. Thiers hatte recht zu sagen: Die Republik muß konservativ sein oder sie wird ächt sein“, denn als er die Leitung des republi— anischen Staatswesens übernahm, galt es zünächst, en über jedes vernünftige Ziel hinausschießenden epublikanischen Radikalismus zu mäßigen und Irdnung und Autorität in die Fundamente des Ztaatsgebäudes zu bringen. Diese von Thiers be⸗ zünstigte konservative Strömung benutzten aber bald zie Legitimisten, Orleanisten und Bonapartisten, im den Franzosen begreiflich zu machen, daß nur ein Königthum oder Kaiserreich sie beglücken könnte. Es entstand daraus die verkappte Reaktion unter Mac Mahon's Präsidentschaft und nun war Gam⸗ vetta's politische Weisheit am Platze: „Die Republik muß echt, muß liberal und fortschrittlich sein“, enn es galt die Reaktionäre zu schlagen. Gegenwärtig hat die französische Staatsleitung iber wieder einmal den turbulenten Radikalismus u bekämpfen und da ist wieder die Staatsweisheit Thiers! am Platze. Die französische Republik muß onservativer, det ruhigen, maßvollen Entwickelung ugewandt werden, wenn sie nicht demnächst in die bgründe des Radikalmus mit seinen Uebertreib⸗ ingen und ungebändigten politischen Leidenschaften fürzen will. Man muß nun dem gegenwärtigen französischen Hinisterium das Zeugniß ausstellen, daß es die Zituation richtig aufgefaßt hat. Der Minister⸗ räsident Ferry hat dem Radikalismus den Krieg rklärt und es ist dies ein kühner, heroischer Ent⸗ chluß, denn es wird sich jetzt in Frankreich um ie Stärkung der Regierungsgewalt gegenüber den lusschreitungen der radikalen Parteien handeln und s wird nicht an Stimmen fehlen, welche Ferrh realtionäre Pläne unterschieben. Es wird auch eshalb ein schwerer Kampf sein, den das Kabinet Ferry mit den Radikalen auszufechten haben wird, veil sich Ferry keiner allzugroßen Sympathien er⸗ reut und keine unbedingt sichere parlamentarische Mehrheit besitzt. Ehrgeizige Absichten, wie ehemals hambetta, kann man Ferry aber kaum zuschreiben, ondern man muß zugeben, daß er lediglich einen veisen Staatsakt vollbringen will. Die Clémenceau, Floquet, Maret, Rochefort und wie die radikalen Agitatoren sonst noch heißen mögen, vertreten gegen⸗ värtig eine Art neue Revolution, diejenige des Radikalismus gegen den gesunden politischen Ver— tand. Heute sieht für Frankreich die große Exi⸗ tenzfrage auf der Tagesordnung, ob es sich der indrängenden Revolution zu erwehren vermag, die hatsächlich der Regierung immer mehr über den kdopf zu wachsen droht. Wenn auch der Mann, velcher die Fuͤhrung der gemäßigten Parteien über⸗ zommen und die Initiative in diesem ernsten donflikt angekündiat bhat, versönlich weniag Sym— Dienstag, 23. Oktober 1883. pathien genießen mag, so wird sein in Aussicht gestellter Entschluß dennoch die Billigung aller ver⸗ iünftigen Franzosen und auch die des Auslandes eanspruchen dürfen. Politische Uebersicht. Deutsches Reich. Der bayerische Landtag ist durch Mangel an Arbeitsmaterial wieder genöthigt, in den Plenar⸗ itzuugen eine lange Pause eintreten zu lassen, nach velcher der Finanzausschuß seine Thätigkeit wieder uufnimmt und zwar zunächst mit der Berathung des außerordentlichen Militärkredits, der wohl zu Anständen keinen Anlaß gibt. Ein Rückblick auf zie Ergebnisse der letzten Plenarsitungen wird im Allgemeinen befriedigen; sowohl die Debatten über — D auses haben klärend und beruhigend gewirkt. Nach Nurnberger Blättern fanden dort und n Fürth in den letzten Tagen bei Anhängern »er Fozialistischen Partei Haussuchungen nach ver— ‚otenen Schriften statt, welche jedoch das gewünschte Resultat nicht ergeben hätten. Schillingsfürst, 22. Okltober. Der Bot⸗ chafter Fürst Hohenlohe ist heute nach Berlin ibgereist. Wie die „Allg. Zig.“ Aus militärischen Kreisen erni mmt, soll derin der Armee, insbesondere als Militär⸗Schriftsteller, hoch angesehene General⸗ najor Heilmann, Kommandeur der 5. bayer. Infanteries Brigade, gesonnen sein. in den Ruhestand u treten. Baden⸗Baden, 22. Oktober. Der Kaiser st soeben abgereist. Zur Verabschiedung hatten ich am Bahnhofe der Herzog zu Sachsen⸗Altenburg rürst Solms, Fürst Fürstenberg und viele andere damen und Herren von Distinktion, sowie die Staats- und Stadtbehörden eingefunden. Berlin, 22. Oktober. Die Auswechselung der Ratifications-Urkunden des deutsch⸗spanischen dandelsvertrages hat heute hier siattgefunden. Es dürfte noch geraume Zeit vergehen, bevor die Ausschüsse des Bundesraths an das Gesetz iber die Reform des Attienwesens herantreten. In nehreren Bundesstaaten will man das Urtheil der handelsorgane über den Entwurf einholen, bevor nan den Commissären die erforderlichen Instruk⸗ ijonen ertheilt. In einzelnen Staaten hat man zamit bereits den Anfang gemacht; ob es auch in Yreußen geschehen wird, bleibt abzuwarten. Be⸗ anntlich wird der deutsche Handelstag sich mit »em Entwurf beschäftigen und ein Gutachten ab— jeben, freilich zu einer Zeit, in welcher die Aus- chußarbeiten wohl schon begonnen haben werden Ausland. Wien, 21. Oktober. Mutthar Pascha, wel— her heute Nachmittags nach Konstantinopel abreiste, ahnte hier den Anschluß der Türkei an die deutsch⸗ sterreichische Friedenspolitik an, ohne irgendwelche Abmachungen bezüglich der Einzelfragen zu treffen. Wien, 22. OHkt. Der Kaiser genehmigte die Bereinigung der im Bereiche des 1. und 11. Corps Galizien) siehenden Cavallerie-Regimenter in je eine Favallerie-⸗Truppen⸗Di vision und ernannte den Feld⸗ narschall⸗Lieutenant Vlasits und den General Lasso⸗ aye zu Commandanten der beiden Cavallerie⸗ Ddivisidnuen in Lemberg und Jaroslaw. *Die öster reichische Herrschaft in den occu— irten Provinzen consolidirt sich immer mehr. Ein iberzeugender Beweis dafür ist der Umstand, daf 18. Jahrg. die nunmehr beendigte Rekrutirung in Bosnien und der Herzegowina ohne irgend einen stöͤrenden Zwischen⸗ fall bor sich gegangen und das festgestellte Contig⸗ nent von Auszuhebenden vollständig gedeckt worden ist. Während noch bei der letzten Assentirung sich verschiedene Gestellungspflichtige ihrer Stellung durch die Flucht entzogen, ist diesmal kein einziger der— artiger Fall vorgekommen, was entschieden für das wachsende Vertrauen der Bebölkerung zu ihrer neuen Regierung spricht. Auch der „Pester Lloyd“ erklärt in bestimmtester Weise, daß die Rekrutirung in Bosnien und der Herzegowina ohne Zwischenfall verlaufen sei und daß daselbst überhaupt niemals zrößere Ruhe und Ordnung geherricht habe, als gegenwärtig; in dem occupirten Gebiete existirte kein einziger Insurgent mehr und selbst gewöhnliche Räubereien kämen nur selten vor. Paris, 21. Oktober. In ministeriellen Kreisen vird im Hinblick auf die allgemeine europäische Situation und die immer gebieterischer hervortretende Norhwendigkeit der Bildung einer stabilen Regierung, ——— Verfassungsrevision auch auf die Präsidentschaft der Republik zu erstrecken, Es wird geltend gemacht, daß die direckte Wahl des Präsidenten durch das allgemeine Stimmrecht der Regierung eine größere Aulorität verleihe. Die Durführung dieser Reform m gegenwärtigen Augenblicke werde außerdem den zefährlichsten Gegnern der Republik eine Waffe aus den Händen winden, die bestimmt sei, in ernsten strisen zur Anwendung zu kommen. Paris, 21. Oktober. Die „Roͤpublique frangaise“ die Rüstungen Italiens und anderer Mächte besprechend, verlangt die sofortige Bildung des Raths der Nationalvertheidigung, die Küsten⸗ befestigung im mittelländischen Meere somohl in Algier wie auf französischer Seite und Mobilisir⸗ ungsbersuche bei den See- und Landtruppen. Wenn s brenne, sei es zu spät die Spritzen zu probiren. — Die Verstärkungen für Tonking werden erst in 14 Tagen an ihrem Bestimmungsorte eintreffen. Bis zu diesem Zeitpunkt unterbleiben alle Operationer. den Truppen wurde die Weisung gegeben, jede Zräftezersplitterung zu verm̃eiden. Prinz Napoleon rührt sich wieder. Der Gaulois glaubt zu wissen, daß der Prinz ein neues Manifest vorbereite, aber dessen Veröffentlichung den Vorgängen in der Kammer unterordnen, viel⸗ leicht auch warten wolle, bis sein Sohn, Prinz Biktor, sein Freiwilligenjahr beendet hat, was an⸗ iangs November der Fall sein wird. * Die französische Kammern treten am Dienstag, den 23. Oktober, zu einer neuen Session usammen, welche über das Schicksal des Cabinets Ferry entscheiden wird. Die Radikalen, denen der Hinisterpräsident Ferrh auf seiner Rede-Tournè in der Normandie so entschieden den Fede-Handschuh ins Gesicht geschleudert hat, werden nichts unter⸗ assen, was zum Sturze des ihnen so verhaßten Ministeriums beitragen kann und auch die Monar—⸗ histen werden es an Angriffen gegen dasselbe nicht fehlen lassen. Alles kommt darauf an, wie sich die maßgebenden Parteien, die „republikanische Vereinig⸗ ung“ und das rechte Centrum, zu Herrn Ferry und seinem Ministerium stellen werden, worüber man aber vorläufig noch nichts Gewisses erfahren tann. Wie es heißt, werde Ferry nicht mit einem vollständig neuen Programm vor die Kammern tre— ten, sondern denselben nur ein Exposè über die Lage in Tonkin geben und für seine auswärtige Politik ein Vertrauensvotum verlangen. Was die