St. Jugherter Amzeiger. Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts gt. Ingbert. I der ‚St. Ingberter Anzeiger“ erscheint woöͤchentlich fünfmalz Am Montag, Dieustag, Donuerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöͤchentlich mit Unterhaltungs blatt und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteljährlich 1MA 60 einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 1 75 H, einschließlich 0 HZustellungsgebühhr. Die Einrückungsgebühr fur die Agespaltene Garmondzeile oder deren Raum beträgt bei Inseraten aus der Pfalz 10 —, bei außerpfälzischen und solchen auf welche die Erpedition Auskunft ertheilt, 15 xß, bei Neclamen 30 . Bei 4maliger Einrückung wird nur dreimalige berechnet. M 209. Samustag, 27. Oktober 18888sssssssss. — 18. Jahrg. sr.J. Arm und Reich in Amerika.“ Die unbefriedigende Lage der Erwerbsverhält⸗ mfse in den Vereinigten Staaten von Nordamerika spiegelt sich am deutlichsten in dem Elende wieder, welchem die dortige Arbeiterbevölkerung der ver⸗ chiedensten Branchen gleichmaßig verfallen ist. Fin von dem amerikanischen Senate zur Unter— uchung der Lage der arbeitenden Klassen eingesetztes somité hat seinen Bericht erstattet, aus welchem lar und deutlich hervorgeht, daß das gelobte Land der vollständigsten politischen Freiheit und sozialen Hleichheit die große Mehrzahl der Arbeiter unter ꝛiner viel schlimmeren Tyrannei des Kapitals ge— iessett hält, als es diesseits des Ozeans irgendwo er Fall ist. Politischer Macht, politischen Einflufses exmangelt das arbeitende Volk in der großen trans— itlantischen Republik ganz und gar. Die Klasse )er Arbeitgeber beherrscht die Abstimmungen, kon— roͤlirt die gesetzgebenden Körperschaften und unter⸗ ocht den Armen mittelst unbilliger Gesetze. Gegen »en Druck, der von den Arbeitgebern ausgeübt wird, it der gemeine Mann völlig wehrlos. Als Indi— iduum ohnmächtig, hat er auch das Hilfsmittel )er Association vergebens ins Feld geführt. Wenn et fich den Bedingungen des Arbeitgebers nicht hne Weiteres unterwirft, kommt sein Name sofort n das „schwarze Buch“ der Arbeitgeber, dessen Listen uuaufhörlich in der ganzen Union zirkuliren. Das Mißverhältniß zwischen Arbeitgebern und Ar— zeitnehmern nimmt noch immerfort krassere Dimen⸗ ionen an. Nach dem neuesten Census stellt sich die Zahl er Arbeitnehmer auf 284 Millionen, gegen nicht janz eine Viertelmillion Arbeitgeber, was ein Ver—⸗ zältniß von 11 zu Jergibt. Ein von dem Senats— Fomité vernommener Experte deponirte, daß von ien alljährlich erzeugten Gesammtwerthen die Arbeit- ehmer weniger an Lohn erhielten, als die Arbeit⸗ jseber an Gewinn einsirichen, und zwar seien die ohnverhältnisse derart üngünstig, daß die große Hasse der Arbeiter geradezu im Stande der Ver— ommenheit schmachte. In den fünf Hauptindustrie⸗ taaten Massachusetis, Pennsylvanien, Newhork, Illinois und Ohio schwankt der Durchschnittslohn dro Tag zwischen 1 bis 196 Dollar. Dabei steht jer Preis der unentbehrlichsten Lebensbedürfnisse so uußerordentlich hoch, daß sie für den Arbeiter in ʒielen Fällen unerschwinglich sind. Die Noth zwingt ann dazu, behufs Erhöhung des Verdienstes der Arbeiterfamilien die Kinder oft schon im zartesten Ulter zum Erwerb anzuhalten. Das führt also auf er einen Seite zum Wachsthum der Unwissenheit. In den oben genannten fünf Staaten existiren der⸗ malen 62,000 Arme. In Chicago enibehren 47 Ct. der Kinder des Schulunierrichis; in Cincinnati ind 10 pCt. der Kinder zwischen 8 und 12 Jahren nit Cigarrenmachen beschäftigt. In Newyork liegen wa 2000 Familien, welche noch dazu in den er⸗ därmlichsten Behausungen zusammengepfercht sind, der gleichen Beschäftigung ob. Die Geringfügigkeit hres Verdienstes gesiattet diesen Leutenkeinctlei herbesserung ihrer gesundheitlichen Lage. In allen Industriezweigen dauert die sinkende endenz der Löhne sorn. Während der National— richthum ohne Unterlaß anwächst, sinkt der 8tandard flite des Arbeiters uinmer tiefer. Gewerbvereine ppielen in dem wirthschaftlichen Leben der Union nur eine höchst untergeordnete Rolle. Man hat Proden nit ihnen angesteilt, und sie haben dieselben nicht destanden. Die amerikanische Gefellschaftesekt aban jetzt in Begriff, ihre socialen Abstufungen endgiltig zu etabliren. Dabei steigen die Arbeitgeber auf der ocialen Leiter empor, die Arbeitnehmer herunter. Letztere fangen jetzt an, einzusehen, daß die vielge⸗ rühmte Freiheit und Gleichheit ein großer Irrwahn st, allein sie sind absolut ohnmächtig, sich aus eigener znitiative der grausamen Consequenzen des erbar— nungslosen Kampfes ums Dasein zu erwehren. rFine humane Regierung, die sich ihrer mit erleuch— eten organisatorischen Gesetzen annähme, koöͤnnte viel »es Segensreichen wirken. Für derartige Bestreb⸗ ingen aber ist in den Vereinigten Staaten kein staum vorhanden, das „freie Spiel der Kräfte“ darf um keinen Preis gehindert werden; dem Staate iegt nach dieser Anschauung nur die Pflicht ob, n seiner Eigenschafk als „Nachtwächter“ darüber zu wachen, daß der Prozeß des Gehen⸗ und Ge— hehenlassens sich ungestört abwickele. —A0 zroßen transatlantischen Republik. Mögen unsere Auswanderungslustigen es sich daher zwei⸗ oder mehrmal überlegen, ehe sie der heimathlichen Scholle den Rücken kehren, um in den Vereinigten Staaten eine Verbesserung ihrer Lage zu sucker. seiner Friedenspolitik über die Wogen ausgoß, als ie hier und da hoch zu gehen begannen. Allerdings varen es oft nur Machinatidnen einzelner Parteien, zurch welche die Wasser aufgerührt wurden. Machi⸗ nationen, denen die Völker als solche fern blieben. Und darin liegt gerade der Schwerpunkt, der Ga⸗ rantien, welche für Erhaltung des Friedens vor—⸗ janden sind, daß bei den Völkern ein wirkliches Friedensbedürfniß in erhöhtem Maße sich geltend nacht, je mehr dieselben auf der Bahn der ulturellen Entwickelung vorwärts gedrängt werden. Dieses Friedensbedürfniß betonte auch der Kaiser on Oesterreich in seiner Ansprache an die Dele⸗ jationen mit dem Hinzufügen, daß die Regierungen n loyaler Weise bemüht seien, demselben Rechnung u tragen. Haussuchungen bei Sozialdemokra⸗ zen fanden am Mittwoch in Frankfurt in großer Anzahl statt, und zwar wurde, wie es heißt, nach dem Most'schen Blatte Der Rebell gesucht. Unter inderm erschien die Polizei bei Herrn Frohme, dessen rieuestes Werk über die Entwicklung der Eigenthums⸗ herhältnisse bei einem hiesigen Socialdemokraten ge⸗ unden worden war, und frug ihn, ob er dasselbe derbreitet habe; ferner wurde bei dem in Bocken⸗ seim wohnenden Sozialisten Emil Fleischmann eine Zaussuchung veranstaltet, die indeß zu keinem Re— ultate führte. Bei einem Buchbinder vier zum Binden gegebene Exemplare des Frohme'schen Buches be— chlagnahmt und schließlich stattele die Polizei dem Mitgliede der socialistischen Partei Herrn Rolle einen Besuch ab, der mit dessen Verh aftung endete. Bischof Hefele von Rottenburg ist, wie das D. V. B. wittheilt, unter die Zahl der päpstlichen Thronassistenten eingereiht worden. Ausland. Blutlose Revolution. Die Köoln. Ztg. bringt unter einem als offiziös geltenden Zeichen nachstehende aus Paris datirte Correspondenz, welche im gegenwärtigen Augenblicke, da sich in der fran⸗ zösischen Kammer ein neuer Sturmlauf gegen die PBrinzen von Orleans vorbereitet, von besonderem Interesse ist: „Es laufen hier in diesem Augen⸗ olick zahlreiche Gerüchte über die Gefahren um, velche die republikanische Verfassung von allen Seiten dedrohen. Viele davon dürfen wohl als grundlos ezeichnet werden, als Erzeugnisse der Furcht oder des eigennützigen Bestrebens gewisser Publicisten, dem unersättlichen Sensationsbedürfniß der franzö— ischen, namentlich der Pariser Bevölkerung täglich ieue Nahrung zuzuführen. Nicht unbeachtet sollte aber bleiben, daß jetzt von verschiedenen Seiten be— hauptet wird, in den hohen französischen Finanz⸗ neisen bestehe die Absicht, ein Capital von 100 Millionen Franken zusammenzubringen, um in aͤhn⸗ icher Weise, wie man die Eisenbahnconventionen durchgesetzt habe, die Restauration der Monarchie m Wege regelmäßiger Gesetzgebung durchzubringen. Die Aussichten, daß eine blutlose Revolution Erfolg jabe, dürfen nicht unterschätzt werden. Zwar würde es kaum möglich sein, den Beweis zu führen, daß diele einflußreiche Abgeordgete und tonangebende Zeitungen käuflich sind; aber der Glaube ist sehr perbreitet, daß man sie bereit finden würde, leiden- chaftliche Fürsprecher einer Restauration zu werden, 'obald man ihnen klare, bare Beweise gäbe, daß ich dies der Mühe verlohnt. Wenn ein solches Artheil von einflußreichen und mit der Naturge— chichte ihrer Zeitgenossen vertrauten Franzosen aus⸗ gesprochen wird. wie dies der Fall ist. so lieferf Volitische Uebersicht. Deutsches Reich. Berlin, 24. Oktober. Der Kaiser arbeitete NRachmittags mit dem Minister v. Puttkamer, con⸗ ferirte hierauf längere Zeit mit dem Vertreter des auswärtigen Amts, Busch. — Der Botschafter Fürst Hohelohe weilte Nachmittags über eine Stunde im auswärtigen Amte. Berlin, 24. Oktober. Finanzminister v. Scholz hat sich heute Nachmittags zum Fürsten Bismarck nach Friedrichsruh begeben. Mit dieser Reise werden voraussichtlich sowohl die großen inanziellen Gesetzentwürfe wie Schuldotationsgesetz ind Gesetz betreffend die Steuerreform zu einem Abschluß gebracht, als auch die Frage nach dem Prüfungstermine für den Landtag endgiltig ent⸗ chieden werden. Die Abwesenheit des Finanz⸗ ninisters von Berlin dürfte zwei Tage währen. Berlin, 24. Oktober. Der Bundesrath be—⸗ chloß, den kleinen Belagerungszustand für Berlin, damburg⸗ Altona und Umgebung bis zum 31. Sept. 884 zu verlängern. Berlin, 25. Oktober. Der Kaiser ist Nach⸗ mittags 1*44 Uhr nach Wernigerode abgereist. Vor⸗ nittags hatte der Kaiser lähgere Zeit mit dem ttriegsminister conferirt und mit General v. Alhe—⸗ ꝛill gearbeitet. Zwei Friedenskundgebungen hat uns jeute der Telegraph übermittelt, welche geeignet ind, den Alarmgerüchten der letzten Zeit einen Dampfer aufzusetzen und dieselben auf ihre richtige Bedeutung zu reduziren. Der Kaiser von Oester⸗ eich äußerte beim Empfange der Delegationen, daß Desterreichs Beziehungen zu den Mächten fortdauernd einen friedlichen Charalter trügen und daß die Mächte Jesonnen seien, den Frieden zu erhalten. Gleichzeitig Jersichert das offiziöse Journal de St. Petersbourg daß Rußland mit allen Regierungen im besten Ein— hvernehmen stehe, und daß keine der schwebenden Fragen zu Befürchtungen Veranlassung gebe. In⸗ dem wir von diesen Auslassungen Notiz nehmen, zlauben wir constatiren zu sollen, daß es nach Allem, vas in die Oeffentlichkeit drang und was aus äuße— en Vorgängen geschlossen werden konnte, in erster tinie Deutschland, gewesen ist, welches das Oel