zt. Jugherter Amzriger. Amtliches Organ des könial. Amtsgerichts St. Inabert. der St. Ingberter Anzeiger“ erscheint wöchentlich fünfmalz: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltungs glatt und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteljaährlich 1.4 60 einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen MA 75 4, einschließic id A Zustellunasgebuhr. Die Einrückungsgebühr fur die Agespaltene Garmondzeile oder deren Raum beträgt bei Inseraten aus der Pfalz 10 —, bei außerpfälzischen und solchen auf welche die Expedition Auskunft ertheilt, I5 A. Meclamen 30 4. Bei 4maliger Einrückung wird nur dreimalige berechnei. WV 93. die Parteien im Reichstag und das Sozialistengesetz. Die Verlängerung des Sozialistengesetzes bis um 30. September 1886 ist beschlossen. Die Mehrheit, welche der Regierungsvorlage zustimmte, st der Zahl nach derjenigen ziemlich gleich, mit velcher die Verlängerung vor vier Jahren durch— zesetzt werden konnte. Ihrem Charakter nach ist je aber ungleich weniger werth, als die vorletzte. sticht mehr wie damals sind es einzelne geschlossene parteien, aus welchen sich die Mehrheit zusammen— eßt. Ohne die Ueberläufer vom Centrum und der reutsch freisinnigen Partei wäre die Vorlage dies— nal abgelehnt werden. Auch die Debatte, welche er Beschlußfassung vorausging, blieb an politischem gehalte hinter den Reden der Jahre 1878 und 880 zurück. Es war kein Streit smehr zwischen jen Anschauungen der Monarchisten und der Re— nolutionäre; nicht einmal mehr ein Streit zwischen „en grundsätzlichen Gegnern aller Ausnahmegesetze ind denjenigen Parteien, welche solchen Gesetzen nicht wiederstreben wollen, sobald die ordentliche Staatsgewalt gegen außerordentliche Umtriebe nicht mehr ausreicht. Es war ein Streit um den Erfolg ichlechthin, insbesondere um den Sieg bei den zächsten allgemeinen Reichstagswahlen. Und so yerbittert wurde er schließlich geführt, daß man die Sozialisten beinahe vollständig vergaß, was nirgends größere Genugthuung hervorgerufen haben mag, als auf den Bänken der Sozialdemokraten selbst. Der Eindruck, den die dreitägige Verhandlung des Reichstages weit und breit im Lande gemacht zaben muß, ist als ein ungünstiger zu bezeichnen. das Volk liebt seine eigene Logik. Es hat aus )en Reden der radikalen Wortführer die Behanptung entnommen, daß die sozialdemokratische Gefahr in den letzten Jahren an Tiefe zugenommen habe, ind findet nun keine Antwort auf die Frage, varum dann das Gesetz nicht erst recht verlängert werden solle. Hat die Regierung mit dieser außer— ordentlichen Handhabe thatsächlich einen Zustand chaffen können, der die sozialdemokratische Gefahr nicht mehr in die Oberfläche kommen, also nicht nehr in die Breite gehen läßt, warum soll die— elbe Handhabe nicht noch 2 Jahre behalten, um r drohenden Gefahr nun auch in der vertiefenden fichtung beizukommen? Ja, wenn die Regierung ne Verlängerung des Gesetzes nicht weiter ver— angt hätte, so wäre es Sache der Volksvertretung ewesenn, diese Verlängerung ihr aufzunöthigen. denn das geht nicht an, auf der Obeifläche eine cheinbare Ruhe bewirkt zu haben, während vielleicht m Geheimen die Wühlerei schlimmer geworden ist ils früher, aber dieser letzteren gegenüber die Hände et in den Schooß zu legen? So wie gesagt, nütte auf der äußersten Linken die Schlußfolgerung uusfallen müssen, wenn der schlichten Denkweise der ꝛreiten staatstreuen Volksmassen Rechnung getragen rerden wollte. Statt dessen verschanzt man sich nr eine grundsätzliche Gegnerschaft wider alle ahmegeseßgebung und, statt wenigstens jede uttigung der sozialdemokratischen Agitation Tan zu vermeiden, also unter möglichst kurzer onung des Grundsatzes ein vornehmes Nein zu —9 stürzt sich der eine wie der andere radikale net mit fletschenden Zähnen über alle und alles — diesem Falle dem Verlangen der Re— 3 ng förderlich sein will. Der Sozialdemokrat 9 in's Fäustchen dabei lachen. Der mora⸗ indruck soscher Reden wie Herr von Stanf— Dieustag, 13. Mai 1884. fenberg und Herr Richter sie halten, wird bei den sozialdemokratisch angehauchten Arbeitermassen ein nußerordentlich erweckender und nachhaltiger sein. Heute bereits darf ausgesprochen werden, daß die verführende Kraft der revolutionären Idee bei ur— cheilsbeschränkten, im Kampfe ums Dasein vielfach bedrängten Massen weniger veranwortlich sein wird, als die in den Reden des Herrn von Stauffenberg und des Herrn Richter enthaltende Aufmunterung zu fortgesetzter Propaganda, — wenn die Regierung inn der Handhabung des Gesetzes demnächst größeren Schwierigkeiten und gefährlicheren Erscheinungen begegnet, als je zuvor. Die einzige Partei im Reichstage, welche von der Sozialdemokratie noch gleichermaßen gefaßt wie zefürchtet wird ist die nationalliberale. Ihrem ruhigen geschlossenen Auftreten im Jahre 1878 war s zu verdanken, daß die Sozialdemokratie vor den taatserhaltenden Kräften, wir möchten fast sagen, inen gewissen Respekt bekam. Gerade nach den Berhaudlungen über die erste Vorlage im Mai 1878 nochte die Sozialdemokratie alles eher erwartet hjaben, als eine so imponirende Sammlung des nonarchischen Elementes, wie sie damals unmittel⸗ har nach den Neuwahlen zu Tage trat. Das Jahr 1884 fand zwar die nationalliberale Partei als olche wesentlich verkleinert vor; aber die im Jahre 1880 ausgeschiedenen Genossen in der Sezession sielten in diesem Punkte wenigstens die Ueberliefe— rung noch aufrecht. Noch waren sie der Ansicht, »aß den Ausschreitungen der Sozialdemokratie —VV etzt werde, wenn eine geschlossene große Mehrheit m Reichstage sich stets bereit zeigen würde, die Regierung hier ganz energisch zu unterstützen. Die National-Zeitung hat diesen Standpunkt auch heute nioch nicht verlassen. Inzwischen aber war die Sezession zum Fortschritt gegangen und, was die Blätter damals spöttelud vorher sagten, ist leider nur zu rasch eingetreten: Herr Richter hat auf die naßvolleren liberalen Elemente abgefärbt, oder um nuch den drastischeren Vergleich wieder aufzufrischen: Der kleine Cohn hat in der Dorfschule kein gutes Deutsch gelernt, sondern die ganze Dorfschule hat ich das Mauscheln angewöhnt. Denn was soll uns das Ja der 25 Sezessionisten bedeuten, wenn iie heute schon sagen, daß sie „unwiderruflich zum etzten Male“ Ja gesagt haben wollten. Mit Ver— aub das ist einfach politisches Versteckenspiel und tindlich thöricht. Wissen die Herren bereits, daß aach 2 Jahren die Voraussetzungen erfüllt sind, velche wir uns in Uebereinstimmung mit der Kegierung und ihnen, den Sezessionisten von ehedem, ils maßgebend und unerläßlich bezeichnet haben für die Rückkehyr vom Ausnahmezustand zum ge— meinen Recht? Oder glauben sie, das letztere so ausgiebig ergänzen zu können, um den Staat gegen cevolutionäre Umtriebe genügend zu bevollmächtigen, nachdem Herr Hänel sowohl als Herr Windthorst im gleichen Bemühen sich „fürchterlich blamirt“ haben? Sie können das Eine nicht wissen und dürfen das Andere nicht glauben. Somit hat ihre inwiderruflich letzte Gastvorstellung nur den einen Sinn: es soll das erste und letzte Mal gewesen ein, daß sie in der Partei des Herrn Eugen Richter den Luxus einer abweichenden Meinung sich ge— statteten. Das Weitere werden ihre Wähler ihnen slar machen und wenn wir gut unterrichtet sind, io stehen die Aklien der ehemaligen Sezessionisten nsgesammt unter pari. auch dieienigen der Jasager vom Samstoe 18 Jahrg Was soll man nun von Herrn Windthorst jagen? „Große Bewegung“ hat weder sein Eiertanz noch sein schließlicher Rückzug im Lande hervorge— rufen, wohl aber unendliche Heiterkeit. Er läßt den Kampfplatz mit zahllosen Wunden, die sich aber änmtlich nicht auf derjenigen Stelle des Körpers hefinden, auf welcher die alten Römer ihre Narben mit Stolz zur Schau trugen. Konservativen endlich stellten zwar ihren Mann, vie es die Regierung erwarten durfte. Ihre Stimme aber fällt gerade dort wenig ins Gewicht, wo sie Wirkung thun soll; bei den Massen nämlich, die wir von der revolutionären Gefahr befreien wollen; noch viel weniger natürlich bei den Führern der Sozialdemokratie, welche ihren Stöcker schon zu gut kennen gelernt haben. Unerschöpflich beinahe ist dann das Material, welches zu Wahlzwecken zu Tage gefördert worden ist. Da die Auflösung des Reichstags umgangen werden sonnte, wird noch Zeit genug übrig sein, sich mit enem Material zu beschäftigen. (Pf. L. C.) Politische Uebersicht. Deutsches Reich. München, 11. Mai. Der König hat den neuernannten russischen Gesandten am hiesigen Hofe, den Geheimen Rath Grafen dv. d. Osten Sacken, heute Abend in feierlicher Audienz empfangen. Nach derselben wird Sr. Majestät der erste Legations— rekretär der russischen Gesandtschaft, Fürst Baratow, vorgestellt. — Der König begibt sich heute Abend rach Schloß Berg, wohin auch das kgl. Hoflager derlegt wird. — Die Sozialdemokraten in Nürnberg entwickeln, Angesichts der bevorstehenden Wahlkam⸗ bdagne einen außerordentlichen Eifer, Wahlvereine werden dort und in den benachbarten Landgemeinden Jegründet und viele Versammlungen abgehalten. Während der Anwesenheit Grillenbergers in Berlin tritt in den hiesigen Versammlungen der ozialdemokratische Agitator Wimmer, welcher in einer früheren Reichstagssession einen sächsischen Wahlkreis vertrat, als Redner auf. Karlsruhe, 12. Mai. Der Landtag ge⸗ nehmigte das Gesetz, betreffend die Erbauung der Fisendahn Seckach-Buchen-Walldürn. Berlin, 12. Mai. Die Commission zur Vorberathung des Antrags, betreffend die Entschä— chädigung der unschuldig in Haft Genommenen hat beschlessen, einen Gesetzentwurf auszuarbeiten, hetreffend die Entschädigung derjenigen, welche un— schuldig eine Strafhaft verbüßt haben, aber die Entschuͤdigung der Untersachungshaft vorläufig fallen zu lassen. Berlin, 12. Mai. Der französische Journalist Boetze, hier seit Jahren Correspondent französischer, usbesondere royalistischer Revancheblätter, wurde heute ausgewiesen. Derselbe erregte seit Langem chon Aergerniß in Folge grober Entstellungen deutscher Politik und falscher Schilderung hiesiger Verhältnisse. Berlin, 12. Mai. Das Sozialistengesetz wurde in dritter Lesung nach kurzer Diskussion ohne namentliche Abstimmung definitiv angenommen. Ausland. London, 12. Mai. Ein Telegramm der „Times“ aus Shanghai von gestern meldet die Unterzeichnung eines Vertrags zwischen Frankreich und Ehina. China erkennt darnach das französische Protektorat über Tonting und Annam mit den be— dehenden Grenzen an. Die Grenzpolizei und die