64 ——————— 698 0 Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. der „St. Ingberter Anzeiger“ erscheint wochentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöochentlich mit Unterhaltungs zlait und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteljährlich TA 60 einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 10 75 5, einschließliqh d A Zustellungsgebühr. Die Einrückungsgebühr für die 4gespaltene Garmondzeile oder deren Raum beträgt bei Inseraten aus der Pfalz 10 , bei außerpfälzischen und solchen auf welche die Expedition Auskunft ertheilt, 18 , Neclamen 30 B. Bei 4maliger Einrückung wird nur dreimalige berechnet. Politische Uebersicht. Deutsches Reich. Karlsruhe, 8. Juni. (Landesversammlung cnationalen und liberalen Partei zadens.) Die Festhalle ist von etwa 4000 cheilnehmern gedrängt gefüllt. Lamey wird durch ttlamation zum Präsidenten gewählt. Kiefer egrüßt die Versammlung; er legt die Parteiziele ar und weist die Berechtigung der Nothwendigkeit er Existenz der nationalliberalen Partei nach. Er Jeist auf die günstige Zukunft der Partei hin und idert auf in erster Linie zur sozialen Reformarbeit ne Sinne der kaiserl. Botschaft von 1881 und zu mem festen Ausbau des Reiches, und plaidirt dann ir bedingungslosen Beitritt zu den Heidelberger nd Berliner Resolutionen. — Wiederholter und inutenlanger stürmischer Beifall folgte den Worten 5 Redners. — Eckardt wirft einen Rückblick uf die Parteibildung, sowie die Ausgleichung der olitischen Kontraste zwischen Norden und Süden, reist den Reichskanzler und fordert zur Unterstütz⸗ ag der Politik Bismarks unter Wahrung der zʒelbstständigkeit auf. Sodann bespricht Redner die orliegenden legislatorischen Aufgaben und gibt den hünschen nach Ruhe für Handel und Industrie lusdruck. — Rauschender Beifall wird auch diesem tedner zu Theil. — Oberstlieutenant v. Wolff⸗ ztutigart begrüßt Namens der württembergischen eutschen Partei die Versammlung. Brünings— andau begrüßt Namens der Pfalz die Versamm⸗ ing. Die hiernach einstimmig angenommene Re— Aution spricht die rückhaltlose Zustimmung zu den desolutionen von Heidelberg und Berlin aus. Präsident Lamey schließt hierauf die Landes— ersammlung mit einem Hoch auf den Kaiser, in velches die Versammlung begeistert einstimmt. Berlin, 9. Juni. Die Abreise des Kaisers ach Ems erfolgt nach den bisherigen Dispositionen m Samstag Abend. — Der Reichskanzler empfing eute Vormittag einen längeren Besuch des Prinzen bilhelm. der Kaiser soll sich, wie der „Kuryer Wars⸗ awli“ erfahren haben will, einem ihm nahe— chenden Würdenttäger (Prinz Radiziwill) gegen⸗ ber betreffs des rechtskräftig wegen Landesverraths exurtheilten polnischen Dichters Kraszewski lgendermaßen geäußert haben: „Den Prozeß raszewski bemüht man sich gegenwärtig eifrig zu Nlitischen Zielen auszubeuten. Man vergißt nur, az am Ende die Polen nicht schuld daran sind, ß ihr verherrlichter Dichter Ageni der französischen ichtung war. Man darf doch von der polnischen ation nicht sagen, daß sie insgesammt sich damit eshäftigt hat, Frankreich geheimes Material über nsere Heereseintheilung zu liefern, hierin geht an entschieden zu weit. Während unseres Krieges ut Frankreich haben die polnischen Soldaten und —10 tapfer in den Reihen des deutschen re gegen die Franzosen gekämpft, und wer inde hieraus den Schluß ziehen wollen, daß die anze polnische Nation uns im Kriege gegen Frank⸗ it half? Ebenso verhaͤlt es sich mit Kraszewski, zan auch hinter ihm die Fraktion der polnischen rarten stand. Dieser Mann hatte gewiß nicht othig. Derattiges zu bun Ausland. Wien, 8. Juni. Die offiziöse „Montags- edut. befpricht die Erklärungen Macinis be— aͤdlich der marokkanischen Frage und führt auns: Dienstag, 10. Juni 1884. 19. Jahrg Bisher habe Frankreich keiner Regierung Aufklär— ingen über seine Absichten bezüglich Marokkos jegeben. Von Seiten Englands würde im Hinblicke auf die prekären Momente in der egyptischen Situ— aition die Reihe der streitigen Punkte wohl nicht purch einen vermehrt werden. Die Position Eng— ands in Gibraltar könne jedoch nicht umgangen verden, und so würde sich England jedenfalls zur Diskussion dieser Angelegenheit in einem gewissen Uugenblick gedrängt sehen. Vorläufig habe Ferry iur dem Madrider Kabinet eröffnet, daß es ledig— ich civilisatorische und kulturelle Interessen seien, velche die Haltung Frankreichs in Marokko be— timmen. Frankreich betrachte Marokko keineswegs ils ein Theilungsobjekt zwischen den rivalisirenden Mächten. Frankreich wollte nur Marokko in den Stand setzen, die mit den europäischen Mächten ingegangenen Verpflichtungen zu erfüllen. Ob S„panien, welches Marokko als seine Domäne und ils natürlichen Angelpunkt seiner neuen Groß— nachts⸗Strebungen betrachte, sich bei diesen Ver— icherungen beruhe, bleibe dahingestellt. Das tune⸗ ische Beispiel könne für die spanische Regierung inmöglich beruhigend erscheinen. Sollte demnach vas nicht ausgeschlossen scheine, die marokkanische Frage von Italien diplomatisch aufgegriffen werden, jo könnte dies immerhin zu politischen Kombinationen ühren, welche Frankreich gegenüber den Beweis jerstellen würden, daß dessen Aktion in jenen Ge— zieten ganz ebenso innerhalb gewisser von den neistbetheiligten Mächten gezogener Schranken sich ewegen müsse, wie die Aktion Englands in Egypten. London, 9. Juni. In Newry GErland) and gestern anläßlich einer von den Nationalisten bgehaltenen Versammlung ein Zusammenstoß der dationalisten mit Orangisten statt. Die Ersteren ogen nach dem Schlusse der Versammlung vor den Zaal, wo die Orangisten versammelt waren, warfen nit Steinen und zertrümmerten die Fenster; einige MNale wurde auch geschossen. Mehrere Personen vurden durch Steinwürfe verletzt. Polizei und Truppen stellten die Ruhe wieder her, wobei von neiden Parteien Mehrere verhaftet wurden. Wie der Petersburger Berichterstatter der „Times“ meldet, ist in den höheren Gesellschafts— treisen der russischen Hauptstadt das Gerücht von der bevorstehenden Verlobung des Großfürsten— Thronfolgers mit einer Tochter des deutschen sronprinzen verbreitet. Massenverhaftungen. Die Krakauer Re⸗ iorma berichtet: In Kischeney haben die Polizei uind die Gendarmen Hausdurchsuchungen vorgenom⸗ nen, und wurden 32 Personen wegen nihilistischer Umtriebe verhaftet, darunter 1 Polizist, 20 Schüler ind Schülerinnen der höheren Classen. Bei dem Sohne eines Advokaten wurden aufrührerische Pro⸗ lamationen gefunden. In Kiew wurden 100 Per⸗ onen verhaftet, darunter 40 Offiziere. Auch in Fharkow hat eine Hausdurchsuchung bei vielen Zürgern stattgefunden; es wurden daselbst eine Zuchhandlung gesperrt, eine Geheimdruckerei ensdeck ind 200 Wersonen verbaft⸗ wird, da auf den zuerst bestimmten Tag mehrere ähnliche Feste in der nächsten Umgebung fallen, was für mehrere Vereine ein Verhinderungsgrund ist. Als Festplatz ist der Wald beim Schloß élster— ttein gewählt und die Bergkapelle der Grube Altenwald als Festmusik engagirt. 8. Homburg, 9. Juni. Die heute dahier zusammengetritene Diöcesansynod'e wurde nach GBesang und Gebet durch eine kurze begrüßende Ansprache des kgl. Dekan's eröffnet. Der Jahres- dericht konnte neben manchem wunden Fleck auch auf viele erfreuliche Erscheinungen im religiös— kirchlichen Leben unsrer Diöcese hinweisen. AÄuch auf dem Gebiete der gemischien Ehen, wo das hiesige Dekanat bisher die größten Verluste zu berzeichnen hatte, scheint ein Umschwung eingetreten zu sein. Im verflossenen Jahre wurden von 157 dZindern aus gemischten Ehen 80 in den prot. Kirchen getauft, von 88 gemischten Brauipaaren 21 evangelisch getraut. Was aber unsre Diöcese mit ihren vielen Gustav⸗Adolfsgemeinden vor allen, auch den allerwohlhabendsten der Vorderpfalz, aus- zeichnet, ist ihre Opferwilligkeit. Sämmtliche Col— lecten ertrugen M. 5118, wovon auf den Gustab⸗ Adolf⸗Verein M. 20 40 entfallen. Die Klingel- beuteleinlagen betragen M. 83388; auf den Kopf der Bevölkerung treffen von Collecien und Almosen pro Jahr 20 Pf. Hinsichtlich der Revision des Gesangbuches, faßte die Versammlung die einstimmige Resolution: Man nüsse dem Consistorium dankbar sein für die vor— ichtige und zwedmäßige Weise, in der es diese An⸗ Angelegenheit aufgegriffen habe; die Herausgabe eines Anhang's von etwa 60 Liedern werde in den Bemeinden keinem Widerstand begegnen, und es eien auch für ihre Person alle Mitglieder mit der zeplanten Revissi o neinverstanden; nur könnten Meh⸗ cere sich der Befürchtungen nicht verschließen, daß hie ind da sich eine Mißstimmung geltend machen werde, von der es dahinstehe, ob sie durch Belehrung und Aufklärung sich werde beseitigen lassen. Nachdem schließlich der Vorsitzende seinen in hohem Maße fesselnden Vortrag über die Bedeutung Luther's für daschristliche Haus gehalten hatte, wurde die Sitzung nach fast fünfflündiger Dauer um 2154 Uhr geschlossen. Bei einer späteren Besprechung wurden für das am 22. d. Mis. zu feiernde Jahresfest des Gustab— Adolf · Zweigvereins als Festort St. Ingbert und us Festredner die Pfrarre Jung und Leonhard dezeichnet. — Die am Sonntag Nachmittag im Café Kraämer in Kaiserslautern stattgehabte Versammlungider Po st do ten, welche 55 Theilnehmern aus allen Gegenden der Pfalz besucht war, beschloß die Gründung einer Wittwenkasse. Das Eintrittsgeld wird sich nach dem Beschluß auf 2 Mt. und der monatliche Bei⸗— ktrag auf 25 Pfg. normieren, dem gegenüber die Wittwe eines Postboten eine Unterstützung von vor— läufig monatlich 10 Mk. erhält, die sich später je nach dem Bestand der Kasse entsprechend erhöhen wird. Die Kasse wird mit dem 1J. Juli in's Leben treten. Der Vorstand besteht aus den Herrn Butter⸗ 'aß, Grünstadt, Vorsitzender, Lauer, Dürkheim, dassier und Schriftführer, Westrich, Landstuhl und Bensinger, Edenkoben als Beisitzende. Unterzeichnet wurde für 90 Postboten, denen hoffentlich die üb— rigen folgen werden. — Neustadt, 7. Juni. Das kgl. Bezirks— amt hat die auf morgen anberaumte Volksversamm⸗ ungq. in welcher der sozialdemokratische Abgeordnef⸗ — kokale und pfaälzische Nachrichten. I Si. Ingbert, 10. Juni. Das 10jäh— rige Stiftungsfest unseres Krieger-Vereins, velches auf den 22. ds. Mis. anberaumt war, ist ingetretener Hindernisse wegen, auf Sonntag, den 20. Juli verlegt worden. Bereits haben viele von »en eingeladenen Vereinen zugesagt, deren Zahl her hei der Verleaung sich bedeutend vermehren