ot. Iugherter Amzeiger. Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. a ‚St. Ingberter Anzeiger“ erscheint wbchentlich fünfmalz Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltungs alt und Sonntags mit Sfeitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteljährlich 1.4 60 — einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 10 75 —, einschließlich Z Zuftellungßgebüuhr. Die Einrückungsgebühr fur die 4gespaltene Garmondzeile oder deren Raum beträgt bei Inseraten aus der Pfalz 10 Z, bei außerpfälzischen und solchen auf welche die Expedition Auskunft ertheilt. 15 4. Neclamen 30 4. Bei 4maliger Einrückung wird nur dreimalige berechnet. M 153. der Verfall der Handwerks-⸗ geschicklichkeit. Zeit Jahren hört man Sozial-Politiker und dustrielle darüber klagen, daß die Arbeitsgeschick⸗ hteit der Handwerker und vieler anderer zu ge—⸗ issen selbstständigen Werken berufenen Arbeiter im nellen Verfall begriffen sei. Und sie sind mit rer Klage völlig im Rechte, — der Verfall der theitsgeschicklichkeit ist eine immer offenkundiger erdende Thatsache. Nur über die Ursachen dieses tiedergangs der Handwerksgeschicklichkeit täuscht jan sich, indem man die Schuld daran den Ar— eitern persönlich beimißt. Die Schuld liegt viel⸗ zehr lediglich in den unglücklichen sozialen und dustriellen Verhältnissen, wie sie durch die Ge— vetbefreiheit und moderne Großindustrie geschaffen vorden sind. In der alten Gewerbeverfassung standen die wieslsen und Lehrlinge zu dem zünftigen Meister emem patriarchalen Dienstverhältniß. Sie hießen Mittelalter durchgehends „Knechte“; — sie uten nur ein Recht auf Arbeit, insofern die deister sie an ihrem „Amt“ oder ihrer „Zunft“ eeilnehmen ließen; — sie waren unter allgemeiner cherwachung der Zunft in ihren einzelnen Lei— ungen dem besondern Meister verpflichtet, dessen tbeitsgehilfen sie waren; — sie wohnten in seinem sause, aßen an seinem Tische, waren der allge— neinen Hausordnung unterworfen; — der Meister bie eine Art väterlicher Gewalt über sie aus. ber der unselbstständige Arbeiter hatte wenigstens in festes Lebensziel vor Augen: er wurde nach stimmten Lehr⸗ und Wanderjahren selbst Meister nd fügte sich deshalb in die Unterordnung und vichränkung seiner persönlichen Freiheit. dieses Verhältniß dauerte, so lange das Ge— etbe wenig ausgebildet war, änderte sich aber, hhald durch die Beschränkung der Zahl der Meister, ellen sich ein besonderer Gesellenstand herausbildete— i nie Aussicht hatte, zur Selbstständigkeit zu ge— »engen, und seine Lage um so bitterer empfand, meht die Arbeitsbedingungen einseitig von den deister· Korporationen festgesetzt wurden. Daraus clärt sich, daß auch das Muͤltelalter seine Streiks ate, jene Kämpfe um die günstigsten Arbeitsbe— ingungen, die damals aus vielen Gründen für ie Arbeitgeber, ja für ganze Städte furchtbarer aren, als heutzutage. Es trat eine entsetzliche tümmerung des Handwerks ein, ganz besonders Deutschland; die Zahl der Gesellen stand bald „einem Verhältniß mehr zu der Zahl der deister; beschränkte Selbstsucht, kleinlicher Formen— m. ein verzopfter Kastengeist machten sich breit. Als die Großindustrie das alte Gebäude über n Haufen warf, verband schon längst kein orga— iher Zusammenhang mehbre die Arheitaeb⸗r und tbeitnehmer. Massen unselbstständiger Arbeiter und Arbei-— Annen, welche niemals Aussicht auf gewerbliche FAhbstständigkeit hatten, sind mit Einführung der twerbefreiheit und dem Ueberwuchern der durch d Zünstigten Großindustrie geschaffen worden, d— sittliche Verhältniß des Berufes, d. h. Gewerhes, mit dem auch moralische Pflichten nupst sind, ist gegen das des lediglich um Geld⸗ es willen betriebenen Geschafts ausgetanscht 8 Und hierin allein liegt die Ursache des 9 2 der Arbeitsgeschicklichkett unserer Hand— er— oder richtiger Fabrikarbeiter. Das persoön— Verhältniß, der Gesessen zum Meister der Samstag, 9. Auqust 1884. 19. Jahrg. Arbeitnehmer zum Arbeitgeber hat aufgehört, der Urbeiter hat kein festes Lebensziel und damit auch einen Ehrgeiz mehr, sondern ist allein darauf an⸗ zewiesen, seine Arbeitskraft zum höchstmöglichen Preise als „Waare“ zu verkaufen, und er thut ies um so theurer und rücksichtsloser, d. h. durch Pfuscharbeit, als diese Waare ja von Tag zu Tag in Werth verliert und das Schwinden seiner Ar—⸗ zeitskraft für ihn gleichbedeutend mit Noth und flend ist. Seit der Arbeiter eben eine „Sache“ jeworden ist, kann man schlechterdings keine ethisch⸗ oziale Auffassung seiner Arbeitsthätigkeit von ihm erlangen — Pflicht des Staates ist es, durch ine verständige Organisation den Arbeiter wieder zem Berufe und damit auch der Berufsgeschicklich— teit zuzuführen. blätter Leitartikel über die heutige Kaiser⸗Entrevue in Ischl und feiern dieselbe in schwungvollen Worten als erneuten Beweis für die ungetrübte Dauer des isterreichisch· deutschen Bundes und als Unterpfand des Friedens. Ueberaus warme Huldigungen brin⸗ zen die liberalen Blätter dem Kaiser Wilhelm dar, velcher, nachdem er das deutsche Reich geschaffen ind ungeahnt Großes gethan, die erste und mäch— igste Stütze des Friedens geblieben und als treuer Freund Oesterreichs und dessen Herrschers sich er⸗ viesen. Mehrere Blätter heben auch als bedeutsam jervor, daß der jetzigen Entrevue die Minister Kal— noky und Tisza beiwohnen, was in den letzten Jahren nicht geschah. Der ungarische Ministerprä⸗ ident Herr Tisza soll angeblich auf speziellen Wunsch Kaiser Wilhelms nach Jschl berufen wor—⸗ den sein. Das „Frankf. Journ.“ schreibt: Die Nordsee vird im englischen Sprachgebrauch bekanntlich Ger- nan Ocean — Deutsches Meer — genannt. Es cheint jedoch eine bloße fkagon de parler zu sein, »enn immer wieder werden Fälle von Frei— heuterei englischer Fischerfahrzeuge zegen deutsche bekannt, welche nicht anders, denn als Kundgebungen systentatischer Böswilligkeit be— rachtet werden können. Als neuestes Opfer eng— ischer Seeräuberei ist der einer Geestemünder Firma zehörige Handelskutter „Diedrich“‘“ zu bezeichnen, der am vorigen Dienstag unweit der Insel Borkum von vier englischen Fischerkuttern mit bewaffneter Macht angefallen und ausgeplündert wurde. Auf erstattete Anzeige der Beraubten ist die Verfolgung der Raubgesellen durch das Kanonenboot „Cyclop“ ringeleitet worden; die Hoffnung aber, daß es ge— ingen werde, die Plünderer dingfest zu machen, cheint sich nicht bestätigen zu sollen, da sonst gewiß nzwischen schon eine diesbezügliche Nachricht ver—⸗ autbart wäre. Es ließe sich indessen wohl die Frage aufwerfen, ob nicht auch der englischen Regie— rung eine gewisse Verantwortlichkeit beizumessen väre, wenn sie fortfährt, sich an dem Jahr aus Jahr ein auf der Nordsee gegen deutsche Fischer von ihren Nationalen getriebenen Unwesen so gänz— ich zu desinteressiren, daß letztere daraus allenfalls ogar schließen könnten, man sehe es höheren Orts jar nicht so ungern, daß dem Erstarken der deut⸗ chen Hochseefischerei durch systematische Chikanen nöglich viel Schwierigkeiten in den Weg gelegt verden. Auch muß es auffallen, daß z. B. Nieder⸗ änder und Dänen von den englischen Seeräubern inbehelligt bleiben, und just immer deutsche Objekte s sind, gegen welche sich der britische Uebermuth ind Konkurrenzneid richten. Wäre es zu viel ver— angt, daß die englische Regierung auch ihrerseits zus eigener Initiative für kräftigere Handhabung zer maritimen Sicherheitspolizei Sorge trüge, um »em völkerrechtswidrigen Gebahren ihrer Unterthanen zegen deutsche Nordseefahrer einen Dämvier auf— zusetzen? Politische Uebersicht. Deutiches Reich. Pf. L.C. Von der Mandatsmüudigkeit, »ie sich an vielen Orten des Reiches und so iemlich innerhalb aller Parteien bemerklich macht, ind leider auch in der Pfalz die ersten Symtome vahrzunehmen und die Natur der Sache bringt es nit sich, daß der Nationalliberalismus dadurch vor⸗ rst einen harten Stand bekommt. Wir sind weit ntfernt davon, unseren bewährten bisherigen Ver— retern im Reichstage, aus ihrer Unlust, mit dem ersönlichen Schild fernerhin die der Partei gelten⸗ »en Schmähungen aufzufangen, einen Vorwurf zu nachen, auch wissen wir, daß sich der Gleichmuth echt gut predigen, aber in Wahrheit schwer beschaffen aßt, allein die nationalliberale gute Sache darf as nicht entgelten müssen. Im allgemeinen Interesse chheint es somit zu liegen, daß der Verzicht auf ein Nandat nur da kund gegeben werde, wo ein Anderer um Ersatze bereit steht. Für diesen aber Sorge u tragen, ist ein formelles Recht der engeren oder deiteren Ausschüsse in den verschiedenen Wahlkreisen, delches man den Vertrauensmännern nicht ver—⸗ ümmern möge. Der „Reichs-Anzeiger“ meldet: Der königlich »reußische Minister der Medizinal⸗Angelegenheiten at die betheiligten Regierungen unterm 2. August ). J. angewiesen, die Ein⸗ und Durchfuhr von jebrauchter Leib⸗ und Bettwäsche, gebrauchten Klei⸗ ern, Hadern und Lumpen aller Art aus Frankreich ür ihre Bezirke zu verbieten; ausgeschlossen bleiben Bäsche und Kleidungsstücke der Reisenden. Nach Privatnachrichten aus Berlin ist dem eutschen Botschafter in London Grafen Münster ie Weisung ertheilt worden, bei Lord Granville zrkundigungen einzuziehen, wann endlich die Ent— chädigungen für das Bombardement in Alexandrien ezahlt werden sollen. Frankreich wird die gleiche Unfrage stellen, sodaß auch in diesem Punkte die »eutsche und die französische Regierung England gjegenüber denselben Standpunkt einnehmen werden. Aschieds bewilligung. Dem Regierungs⸗ Rräsidenten v. Bernuth in Köoln, welcher bekanntlich n Folge der Interpellation Richter's im Abgeord⸗ njetenheuse und der sich daran knüpfenden Bemer— ungen des Fürsten Bismarck wiederholt sein Ent— assungsgesuch beim Kaiser einreichte, ist nunmehr er erbetene Abschied mit Pension ertheilt worden. Wie aus Koln geschrieben wird, scheidet Herr v. Bernuth am 1. November aus seiner dortigen Stel⸗ ung, welche er seit 1866 bekleidete. Berlin, 6. Aug. Wie ein Privattelegramm us Wien mittheist, hringen die meisten Morgen— Ausland. Das „Frantf. Journ.“ erfährt halboffiziös aus Wien, 7. Aug., daß die Erneuerung des Allianz— ertrags und der Zweck der Entrevue gelungen sei. Die Bedenken, ob der neue ungarische Reichstag 300,000 Mann zum gemeinsamen Kriegsstand zu— timmen werde, zerstreute Tisza. wenn auch nicht orbehaltlos. Ueber die Erbfolge in Luremburg spricht ich ein holländisches Blatt, das „Allg. Handelsblad“ n Amsterdam, in folgender bemerkenswerther Weise us;: Mir sind der Ansicht. daß im Großen und