ʒt. Jugherter Amzeiger. Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. er ‚St. Ingberter Anzeiger“ erscheint wochentlich füufmal: Am Montag, Dieustag, Donnerstag, Samstag und Sountag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltung— latt und Sonntags mit Sfeitiger illustrirter Beilage. Das Blatt koftet vierteljahrlich A 60 S einschließlich Tragerlohn; durch die Post bezogen 14 75 , einschließlich JA Zustellunasgebuhr. Die Einrückungsgebühr fur die 4gespaltene Garmondzeile oder deren Raum betraͤgt bei Inseraten aus der Pfalz 10 —, bei außerpfalzischen und solchen auf welche die Expedition Auskunft ertheilt, I35 4, Neclamen 30 B. Bei 4maliger Einrückung wird nur dreimalige herechnet. —F 160. Dienstag 19. August 1884. 19. Jahrg. Zur Wahlschlacht. ps. I.C. Aus der Vorderpfalz, im August 1884. Vor einigen Jahren brachten die „Fliegenden glätter“ ein köstliches Bild, über dem geschrieben and: „Die Kaffeeschlacht“. Wir brauchen kaum u sagen, daß es ganz nach der Natur gezeichnet var. Zu allem Ueberflusse waren zur Erläuterung nten noch die Worte beigefügt: „Die Kaffeeschlacht ꝛeginnt. Alles, was der Herr erschuf, erzittre für en guten Ruf.“ Auch das ist nur allzuwahr. ber was ist eine Kaffeeschlacht gegen eine Wahl⸗ glacht? Es ist gar kein Vergleich. Nur insofern, — — innten: „Der Wahlkampf jetzt beginnt! Alles, as der Herr erschuf, erzitire für den guten Ruf.“ in ganzer Haufen von Blättern liegt vor uns 'ortschrittliche, demokratische, ultramontane, na⸗ auch auch nationalliberale! Welch ein Sturm ist nentfesselt! Kaum ist irgendwo eine Versamm- ag gewesen, so fällt Alles drüber her! Wehe m Unvorsichtigen, der gewagt hat, sich aus dem hutze des Privatlebens ein bischen in die Oeffent⸗ hteit zu wagen! Wehe ihm! Mit allen möglichen urfgeschossen wird er angegriffen. Dreifach Wehe emjenigen, der sich um ein Reichstagsmandat wirbht! Er erzittre für den guten Ruf! Tausend⸗ al besser wäre ihm, Tag fuͤr Tag ganz mutter⸗ alenallein, ohne alle Wehr und Waffen in eine mfeeschlacht zu gerathen. Tausendmal lieber in eHände des schönen Geschlechts fallen als in hände des starken. Bis jetzt haben wir stets maubt, wir wären ein Volk von Denkern! Weit fehlt! Wenn gewisse Zeitungen Recht hätten, be— inde das deutsche Volk aus Dummköpfen, Schwach⸗ dfen, Schafsköpfen, aus Heuchlern, Strebern, ddientenseelen, aus Lügnern, Windfahnen! — R wir uns wundern, daß unter diesen Um⸗ uden Fälle von Fahnenflucht vorlommen? Daß —I— sagen: Wir thun nicht mehr t! Daß es sogar da oder dort schwierig wird, un Reichstagskandidaten zu finden? Vas soll r Ehre sein? fragen Die, welchen ein Mandat eboten wird. Wir sollen unfer Geschäft, unsere milie zurücklassen? Wir sollen Monate lang in ertin weilen, aus unserer Tasche zehren und uns n Dank für all die gebrachlen Opfer, taäglich in . Zeitungen mit Schmugtz bewerfen lassen Wirt len unsere Unabhängigkeil aufgeben und Tag für wischen den verschiedenen Krintern Spieß— then laufen ? Wen aber die leidenschafiliche niache der verschiedenen Parteiblätter irritirt, der doch ja nicht glauben, daß unser gutes pfal— vs Volk viel Theil an dieser Erregung habe. itgend einem Blaite lesen wir: „Bei uns redet don Nichts als von der Ernte und den — Bei uns ist es umgekehrt! Bei uns man von der Ernte und aliem Möglichen, icht von den Wahlen. Wir gingen diefe r jeden Abend aus und jeden Abend in ein Iiühtnt. Absichtlich redeten wir nichts von * ahlen, lesen wir doch mehr als genug davon. auch sonst redete kein Mensch dabon. Richt qg— Sogar vom Mond wurde eine halbe Stunde Aen nur nicht von den Wahlen. Uebrigens se nicht allein „bei uns“ so. Zu allem Ueder⸗ waren wir diese Woche in einer anderen * allwo es Nationalliberale und Forischrittler Sα, hat. Aber so viel Besuche wir auch solange wir auch mit guten Freunden bei— n gewesen, Alle schienen sich das Wort go— zeben zu haben, die Wahlen nicht zu erwähnen. durz und gut: Wer aus der leidenschaftlichen Sprache der Presse entnehmen wollte: das ganze Volk sei in Bewegung, der würde sich gewaltig irren. So leidenschaftlich die Presse, so gleichgiltig die große Masse des Volkes. Wer uns dies be— treiten wollte, den bitten wir nur zu warten, bis »ie Wahlen vorüber sind. Dann wollen wir ein⸗ nal sehen, ob die Betheiligung an der Wahl größer st als vor drei Jahren. Wir haben uns zwar est vorgenommen, unsern Prophetenmund nicht nehr aufzuthun, weil wir schon so oft falsch pro— zhezeit haben; aber einmal wollen wir's doch noch iskiren. Von der Wahlagitation gilt es jetzl chon: „Ein groß Getrommel“; bei der Wahl wird s heißen: „E klen Gemarschir“. es ist sich noch nicht klar darüber geworden, ob und in welchem Grade diese Bestrebungen englische Interessen tangiren könnten, und bis zu welchem ßrade man sie hinnehmen muß, selbst wenn schein⸗ zar englische Interessen dadurch berührt würden. So lange eine klare Erkenntniß sich aus dem Hin und Her der Erwägungen und Befürchtungen nicht niederschlägt, tritt immer der Egoismus in den Bordergrund. Und so sehen wir denn die englischen Blätter bald Deutschland angreifen, bald die deutsche Freundschaft preisen und hochschätzen. Der in den⸗ elben zum Ausdruck kommende Zustand der Volks⸗ meinung in den genannten Beziehungen läßt sich mit vollem Recht als der Mangel an Klarheit be— eichnen. Politische Uebersicht. Deutsches Reich. Eine die Organisationen des bayer. Forst⸗ wesens betreffende allerhöchste Verordnung ist so weit fertiggestellt, daß deren Publikation in Bälde bevorsteht. Umfassende Erhebungen über das Brauerge— werbe im Konigreich Bayern läßt gegenwärtig die ZStaatsregierung zu dem Zwecke vornehmen, um das Material für einen eventuell an den nächsten dandtag zu bringenden Gesetzentwurf zu sammeln, velcher die Höhe des Malzaufschlages definitiv zu ꝛegeln bestimmt wäre. Es scheint, daß die Staats- regierung gewillt ist, eventuell an Stelle der bis⸗ ang nur provisorischen Bewilligung des erhöhten Malzaufschlages (zu 6 Mk. pro Hektoliter) einen definitiven, wenn auch für gewisse Quantitäten nied⸗ cigeren Aufschlagssatz schaffen zu helfen. In Berliner Hofkreisen weist man die Möglichkeit einer Zusammenkunft unseres Kaisers mit dem Kaiser von Rußland gelegentlich der in Kussisch-Polen stattfindenden Mandber keineswegs von der Hand, betont jedoch, daß bestimmtes darüber roch nicht festgesetzt, namentlich die Frage noch nicht entschieden sei, ob die immerhin beschwer— iche Reise nach der russisch-deutschen Grenze im dinblick auf die bevorstehenden Manbveranstreng⸗ uingen am Rhein für den greisen deutschen Kaiser athsam sein würde. Der Reichskanzler macht bekannt, daß die Hafen⸗ plätze Norwegens als der Cholera verdächtig anzu⸗ ehen sind. Kassel, 18. Aug. Gerbandstag städtischer Grundbesitzer Deutschlands.) Aus allen Theilen Deutschlands waren Theilnehmer erschienen; ver⸗ treten waren 36 Großstädte mit 9000 Mitgliedern. Verbandsdirektor Dr. Woeniger (Berlin) konstatirt, daß der Jahresbericht die wachsende Gesundung des Brundbesitzes erweise und daß die wucherische Aus— heutung der Zwangsverkäufe vermindert, sowie die Kauflust wieder gesteigert sei. Weniger befriedigend seien die Miethserträgnisse. Es wurde beschlossen, der Vorstand solle die Herausgabe eines billigeren Monatshlattes varbereiten. Ausland. Aus Wien, 17. Aug., wird dem „Deutschen Mont.«“Bl“ mitgetheilt: Die Zusammenkunft des Zaren mit dem Kaiser von Oesterreich eventuell mit dem Kaiser von Deutschland ist in nächster Zeit unbedingt zu erwarten, doch können im vor⸗ hinein alle eventuellen Mittheilungen über Ort und Datum als falsch erklärt werden, diese Details werden erst im letzten Momente bekannt werden. Die Schweiz ist das theuerst regierte Land der Welt, schreibt ein Korrespondent des „Flf. J.“, meil sie 1u hiese Pofginfen haft denn jeder der fünf Die Beziehungen zwische England und Deutschland haben in der letzten Zeit die Auf— nerkiamkeit in erhöhtem Grade auf sich gelenkt. Es interliegt nach den bekannten Aeußerungen der „Nordd. Allg. Ztg.“ keinem Zweifel mehr, daß eine Berstimmung zwischen diesen beiden Reichen einge— reten ist, oder, um den Thatbestand genauer zu ezeichnen, daß Deutschland durch Englands Vor—⸗ jehen in der südafrikanischen Kolonialfrage tief erstimmt wurde. Ohne England den mindesten Unlaß zu Beschwerden gegeben zu haben, sieht sich Heutschland in Vertretung seiner berechtigsten und abei keineswegs gegen die Interessen irgend einer inderen Macht verstoßenden Nationalinteressen augen— heinlich von England benachtheiligt. Tie von der Nordd. Allg. Zig.“ konstatirte Verschleppung der Ungra Pequenafrage, welche England acht Monate ung in der Schwebe hielt, die Annexion der im storden von Angra Pequena gelegenen Walfischbai ind des angrenzenden Gebietes durch die Kapregie— rung, welche von der englischen Regierung abhängig st, wodurch Angra Pequena zwischen zwei englische zesitzungen eingezwängt wird, das Vorgehen der iustralischen Kolonien, welche in ängstlicher Weise »emüht find, jeden fremden Einfluß von der ihrer Meinung nach ihrem Machtkreise unterworfenen Ge⸗ zieten fernzuhalten, sind die sichtbarsten Zeichen der n England erwachten Eifersucht gegen den Eintritt Deutschlands in die Reihe der Kolonialmächte. Doch vürde es keineswegs genügen, diese Haltung Eng— lands durch dieses egoistische Gefühl allein zu er—⸗ lären. Ein geistreicher englischer Schriftsteller be⸗ eichnete als einen der Hauptmängel seines Volkes en Mangel an Klarbeit. Wenn diese Charakteri⸗ jrung zutrifft, so kommt die erwähnte National⸗ igenthümlichkeit der Engländer bei der jetzigen iberalen Regierung in ganz besonders starkem Grade um Ausdruck. Mag es nun die egyptische oder ie deutsche Kolonialfrage betreffen, mag es sich um den Congo oder um Mittel-Asien handeln, überall äßt die Unsicherheit des Handelns, das stete SZchwanken in den Entschlüssen auf diesen Mangel in Klarheit schließen. Von diesem Standpunkte ius ist die Haltung der englischen Regierung der »eutschen Kolonialpolitik gegenüber zu beurtheilen, vobei gleich hinzuzufügen wäre, daß die englischen dolonialregierungen, welche durch die deutsche Ko— onialpolitik viel unmittelbarer berührt werden, eineswegs auch an diesem Fehlen an Klarheit eiden. England hat sich offenbar zu einer festen, ꝛestimmten Haltung den deutschen kolonialpolitischen Nistrehungen gegenüher noch nicht durchgerungen