Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. der St. Jugberter Anzeiger“ erscheint wöchentlich fünfmal: Am Montag, Dienstatz, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltur gh⸗ Blatt und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteljährlich 1 AM 60 einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 1) 75 4, einschliesßklia 10 ¶ Zuftellungsgebühr. Die Einrückungsgebühr fur die Agespaltene Garmondzeile oder deren Raum beträgt bei Inseraten aus der Pfalz 10 Z, bei außerpfälzischen und solche⸗ auf welche die Erpedition Auskunft ertheilt, 15 4, Neclamen 30 . Bei 4maliger Einrückung wird nur dreimalige berechnet. — Me 45. Dienstag, 3. März 18885. 20 Jahrg. Poritische Uebersicht. Der Reichstag wird sich voraussichtlich im daufe dieser Woche mit recht interessanten Gegen⸗ tänden zu befassen haben. So steht u. a. der Nachtragsetat für die Kolonialeinrichtungen und die Frage der Dampferunterstützungen auf der Tages— ordnung. Auch über die vielbesprochene Direktor⸗ telle und den Zolltarif wird Beschluß gefaßt wer⸗ den. Sehr wichtig ist der bei der dritten Lesung des Etats in Aussicht stehende Antrag der freien polkswirthschaftlichen Vereinigung auf Herbeiführ— ing der Doppelwährung. Der Antrag will aur den Reichskanzler auffordern, Schritte zu einer Münzkonferenz einzuleiten zum Zweck der Herbei⸗ sührung der Doppelwährung. egeln nicht entschlossen haben, wenn er nicht ge— vichtige Gründe hierzu hätte. Die Arbeiterverhältnisse in Belgien nehmen ine immer drohendere Gestalt an. Der Strile der dohlenarbeiter dehnt sich bereits über das ganze gZassin Borinage aus und erstreckt sich bereits über nehr als 9000 Arbeiter. Hervorgerufen wurde iie Bewegung durch das stetige Sinken der Arbeits⸗ öhne von 2 Fres. 75 Etm. per Tag auf 2 Fres. ind sogar auf eine 1 Fres. 50 CEtm. Natürlich ehlt es dabei auch nicht an der Agitation im Sinne zes Sozialismus und an der Aufhetzung der Ar—⸗ ʒciter gegen die Bergwerkbesitzer, die sich aber in Folge der Krisis in der Kohlenindustrie gleichfalls n keiner beneidenswerthen Lage zu befinden scheinen. Ausland. RNom, 1. März. Die Armeecorpscommandos hon Palermo und Neapel führten versuchsweise zei den Offizieren und Mannschaften arabischen Zprachunterricht ein. — Die Regimenter wurden ingewiesen, je eine Kompagnie bereit zu halten für en sofortigen eventuell telegraphischen Marschbefehl. Konstantinopel, 2. März. Es waltet wischen den Mächten die Absicht ob, für die Zicherung der Schifffahrt im Suezlanal eine Schiff⸗ ahrts Acte ähnlich der Donauschifffahrts⸗Acte zu chaffen, doch wurde von dem Wunsche, daß eine zesondere Commission an Ort und Stelle zusam⸗ nentrete, um ein avant-projet auszuarbeiten, wieder zurückgekommen, und bleiben die bezüglichen Fest⸗ tellungen den von Cabinet zu Cabinet zu führenden Verhandlungen vorbehalten. London, 2. März. Die Regierung ordnete ofortige ärztliche Untersuchung aller in England tationirten Cavallerie- und Infanterie-Regimenter, »er Artillerie und der Genietruppen an, um genau zu ermitteln, welche Anzahl sofort ins Feld gestellt verden kann. London, 2. März. Die Morgenblätter zilligen zumeist den Entschluß der Regierung. im Umte zu verbleiben. Die Lage der Regierung bleibe iber eine gefahrvolle, da bei einer unvermeidlichen Treditforderung jür die Fortsetzung des Feldzuges m Sudan eine Coalition der Conservativen und Radicalen zu erwarten sei. — „Dailh Telegraph“ erwartet, die Regierung werde ernstlich erwägen, ob nicht durch gegenseitige Zugeständnisse eine Be— eitigung der Differenzen zwischen Deutschland und England herbeizuführen wäre. Shanghai, 2. März. Nach einer Mel— ung der „Agence Havas“ ist der Ympfluß, welcher nach Ningpo führt, blockirt worden. Admiral Fourbet bombardirt Chinhae, welches den Eingang es Flusses beherrscht. Gegenüber den verschiedenartigsten Muthmaß— ungen, welchen man noch immer in der Tagespresse über die neuen Personalverhältnisse im Auswärtigen Amt und die bekannte dritte Direktor⸗ ttelle begegnet, hört das „Berl. Tgbl.“, daß die definitive Entscheidung bereits getroffen ist. Auf dem neu zu schaffenden Posten eines dritten Direk⸗ sors, d. h. als zweiter Direktor in der handels⸗ politischen Abtheilung fungirt bereits der frühere General⸗Konsul in Budapest Graf Berchem. Als erster Direktor in derselben Abtheilung ist Geh. deg.Rath Hellwig thätig. Diese Anordnung ürfte selbst durch ein ablehnendes Votum des Reichstages keine Aenderung erfahren. Deutsches Reich. Berlin, 1. März. Der Kaiser besuchte gestern Ubend das Schauspielhaus. Heute Vormittag rledigte der Kaiser Regierungsgeschäfte und nahm ann militärische Meldungen entgegen. Nachmittags Uhr empfing der Kaiser den Reichskanzler Fürsten gismarck zu längerem Vortrage und ertheilte dem zaron Carl Mayer v. Rothschild aus Frankfurt a. M. Audienz. Vor dem Diner war noch der hier ingetroffene Domprobst Dr. Holzer aus Trier vom daiser empfangen worden. Berlin, 1. März. Der Kaiser empfing heute Nachmittag um 4 Uhr den Reichskanzler Fürsten Bismarch zu einem längeren Vortrag. Berlin, 1. März. Die „Nordd. Allg. Ztg.“ zringt einen Artikel, der die allarmirende Sprache uglischer Blätter bezüglich Afghanistans als auf er fingirten Voraussetzung beruhend bezeichnet, daß ie Westgrenze von Afghanistan bei den russisch— nglischen Verhandlungen im Jahre 1872 festgestellt vorden sei, während die dem Parlament seit 10 jahren vorliegenden Aktenstücke das Gegentheil be— hiesen, und daß die Russen Herat beanspruchten, pährend die russischerseits vorgeschlagene Grenzlinie 30 englische Meilen nördlich von Herat laufe. Als inziges wirkliches Streitobjekt sei die im vorigen zommer von den Afghanen besetzte Oase Pendjeb mnzusehen, worüber sich aber leicht eine Lösung inden lassen werde; kein englischer oder russischer ztaatsmann werde daraus einen Kriegsfall machen. Leipzig, 2. März. Heute Vormittag 9 Uhr »egann vor den vereinigten zweiten und dritten Ztrafsenaten des Reichsgerichts unter dem Vorsitze »es Präsidenten Drenkmann des Landesverraths⸗ drozeß gegen den Kaufmann Gustav Janssens aus rüttich und den Geschäftsmann Adolf Knipper aus zirkenfeld. Die Staatsanwaltschaft ist vertreten urch den Oberreichsanwalt Frhrn. v. Seckendorff ind den Ersten Staatsanwalt Treplin. Der An⸗ eeklagte Janssens wird von dem Justizrath Lüntzel, dnipper von dem Justizrath Stegemann vertheidigt. zwölf Zeugen sind vorgeladen, darunter wegen esselben Verbrechens der bereits militärgerichtlich bgeurtheilte, aus dem Zuchthause vorgeführte rühere Sergeant Schneider aus Münster. Aus Zerlin sind als Zeugen anwesend der Major im kriegsministerium, Frhr. v. Gemmingen, Haupt⸗ nann im Kriegsministerium, Jordan, und Polizei⸗ ath Krüger. Der Oberreichsanwalt beantragt Ausschluß der Oeffentlichkeit, welchem Antrage der zerichtshof mit der Motivirung stattgab, daß die Deffentlichket der Verhandlung die öffentliche Adnung gefährden könnte. Gleichwie in Deutschland die Arbeiter— schutz Gesetzgebung mit im Vordergrunde der parlamentarischen Ber athungen steht, so geht auch Regierung und Volksbertretung in Oest er⸗ reich in gleicher Weise vor. Bereits ist dort der elfstündige Normalarbeitstag, das Verbot der Frauen- und Kinder⸗Arbeit und die Sonntagsfeier in beiden Häusern des Parlaments angenommen vworden. — B Lokale und prulzische Nachrichten. *St. Ingbert, 3. März. In der am erflossenen Sonntag in Kaiserslautern stattgehab⸗ en Generalversammlung des Pfalzischen Dampf- esselrevisionsvereins wurden wieder eine Anzahl Naschinisten und Heizer prämiirt. Zu den Prämi⸗ cten gehört u. A. auch der Maschinist und Heizer Vilhelm Schmidt, seit 9 Jahren bei Herren gebr. Martin dahier in Dienst. * St. Ingbert, 3. März. Wie bereits in ziesem Blatte bekannt gegeben, hält der „Garten⸗ ind Obstbau⸗Verein“ heute Abend um 8 Uhr im Baumann'schen Lokale eine Generalversammlung ib, an welche wir die Vereinsmitglieder und Freunde der Sache hiermit nochmals erinnert haben wollen. Die Tagesordnung umfaßt: 1. Jahresbericht und Ablage der Rechnung, 2. Neuwahl des Ausschusses, 3. Verloosung von Obstbäumen an die Mitglieder. * — Durch die neue Forstorganisation wird die Bfalz in 61 Forstbezirke mit einem Forstmeister ils Vorstand eingetheilt. Das bisherige Revier St. Ingbert wurde mit dem Kommunalforstamt Bhieskastel vereinigt. Der neue Forstbezirk erhält als Vorstand einen Kommunalforstmeister nit dem Sitze in Blieskastel und daneben einen lerarialforstamtsassesssr mit dem Sitze in St. Ingbert. — EGEine wichtige Enischeidung) Das Oberlandesgericht in München hat am 23. zanuar ds. Is. ein Urtheil gesprochen, welches nuch für die Bäcker unserer Gegend von Interesse In der Schweiz geht man den Anacrchisten wetzt mit aller Entschiedenheit zu Leibe. Am ver⸗ dlossenen Freitag wurden Morgens in Bern 28 nach andern Meldungen 25) Personen verhaftet, welche sich wegen anarchistischer Umtiriebe und eines auf das Bundesrathshaus beabsichtigten Attentats dor den Assissen zu verantworten haben werden. Auch in anderen Städten, wie in Zürich, in St. —AI Verhaftungen vorgenommen; eben⸗ jalls wurden in Biel 83 Verdächtige verhaftet. Theils durch die in der Voruntersuchung gewonnenen Anhaltspunkte, theils durch die stattgehabten Haus⸗ uchungen soll die Behörde in den Besitz von Pa— pieren gekommen sein, durch welche die Anarchisten schwer kompromittirt werden. So. u. A. in den Besitz des eigentlichen Attentatsplanes. Nach dem⸗ selben war beabsichtigt, in der Lorraine Häuser in Brand zu setzen und dann hätte, wenn die allge- meine Aufmerkfamkeit dorthin gelenkt gewesen wäre, ꝛin Attentat gegen das Bundesrathshaus mittelst iner Höllenmaschine (Dynamitladung. mit Uhrwerk) durchgeführt werden sollen. Man hätte es aller⸗ dings kaum für möglich halten sollen, daß die Anarchisten die Frechheit besäßen, das Asylrecht in »erart schändlicher Weise zu mißbrauchen, weßhalb nan Anfangs wohl berechtigt war, die Attentats⸗ iachricht mit leisem Zweifel aufzunehmen. Jetzt cheint dieser Zweifel kaum noch am Platze zu sein; zer Bundesrach würde sich zu so ernsten Maß—