st. Jugherter Amzeiger. Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. * St. Ingberter Anzeiger⸗ erscheint wochentlich fünfmalz: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltui gs⸗ zlatt und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt koftet vierteljährlich 1 60 ⸗ einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen LM 75 A, einschließlia —4 Zuflellungsgebuhr. Die Einrüuckungsgebühr sar die 4gespaltene Garmondzeile oder deren Raum beträgt bei Inseraten aus der Pfalz 10 —, bei außerpfalzischen und solche auf welche die Erpedition Auskunft ertheilt, 13 5, NReclamen 30 —. Bei 4maliger Einruckung wird nur dreimalige berechnet. 95. J Die obligatorische Sonntagsruhe. Der Reichstag hat sich neulich mit einem An⸗ rage auf Einführung obligatorischer Sonntagsruhe ar die Arbeiter beschäftigt, ohne daß die betreffende debatte zu irgend einem endgültigen Resultate uͤhrte. Die Ängelegenheit ist sozialpolitisch, aber a wichtig, um sie auf sich beruhen zu lassen, auch nat sie offenbar im ganzen Lande Aufsehen erregt, mal der Fall eintrat, daß sich der Reichskanzler zürst Bismarck diesmal sehr entschieden gegen die intragsteller wandte und auf Seiten der Linken tand. Vetrachtet man die obligatorische Sonntagsruhe „om religiösen und humanen Standpunkte, so wird aan sie gewiß für Jedermann, zumal für die in er Wocht hart arbeitenden Arbeiter wünschen, ꝛeurtheili man die obligatorische Sonntagsruhe adessen vom praktischen Standpunkte, so wird man icht umhin können, dieselbe doch nur mit einigen zinschränkungen für gut zu finden. Das Gesetz agt ja auch bereits, der Sonntag ist ein Ruhetag, m Feiertag, ader einige Ausnahmen sind gestattet ind man kann hinzufügen, geradezu nothwendig. gon Unglücksfallen. die an Sonntagen zur Arbeit wingen. sehen wir ganz ab und bleiben lediglich ei den praktischen Rothwendigkeiten des Lebens. 50 ist z. B. bei allen landwirthschaftlichen Betrieben oegen der Versorgung des Viehes und der Arbeits- iberhaufung in der Erntezeit vollstandig unmöglich, mn Sonnlagen gar nicht zu arbeiten. Ganz ähn⸗ ich ist es im Verkehrswesen. Posten, Telegraphen, tisenbahnen und Schiffe an Sonn und Festtagen uhen zu lassen, ist gerade zu unmöglich, wenn nan nicht die schlimmsten Verkehrsstokungen her⸗ eiführen will. Im Uedrigen erinnern wir daran, aß selbst ganz harmlose Erholungen, die man an Sonn- und Festiagen genießt, für andere Menschen Urbeit mit sich dringen. denn seldst die Ausführung ines geistlichen Concerts an Sonntagen, wogegen vohl soleicht Niemand etwas einzuwenden haben vird, verursacht für die Mitwirkenden Arbeit. Nun könnie Jemand darauf erwidern: Ja, da⸗ n war in der betreffenden Reichstagsverhandlung iber die Sonntagsruhe auch gar keine Rede, es andelie sich vielmehr um die Sonntagsruhe für en schwergeplagten Arbeiter. Dabei muß man ber sich doch zunächs vergegenwärtigen. daß erstens ie große Mehrheit der Arbeiter bereits die Sonn⸗ agsruhe besitzt, zweitens die Minderheit nicht ge⸗ wungen werden kann, an Sonntagen zu arbeiten, esp. dei Arbeitgebern in Arbeit zu reten, die Zonntags arbeiten lassen, drittens muß man bei er Frage der Sonntagsruhe doch auch bedenken, aß fich viele gewerbliche Unternehmungen oft an onntagen in derselben oder doch ahnlichen Zwangs · age befinden wie die landwirthschaftlichen Betriebe ind Verkehrsanstalten, sie müssen eben, der Noth xhorchend und nicht. dem eigenen Triebe, an donntagen arbeiten lassen. Schließlich wäre auch czüglich der betreffenden Arheitet, die an Sonm⸗ agen arbeiten und dafür Lohn bekommen. in Er⸗ agung zu ziehen. ob ihnen an der Aufhebung der Sonntagsarbeit und der damit verbundenen Ver⸗ e ihrer Einnahme etwas gelegen ist. — e vertennen wir aber nicht, daß diese Frage 8 ethische ideale Seite hat und es in dieser n J nühlich wäre, die Sonntagsruhe für Indeiee schärferen Bestimmungen * erwerfen, damit mit der Sonntagsarbeit von den Arbeitgebern noch Arbeitnehmern Saummstag, 16. Mai 1885. 20. Jahrg. Mißbrauch getrieben wird. Aber die Einführung iner bedingungslosen, obligatorischen Sonntagsruhe ür die Arbeiter, die gar keine Ausnahme kennt, zlauben wir aus den erwähnten Gründen ablehnen u müssen. — Zu dem Bericht über den Frühschoppen heim Reichskanzler bringt das „Fr. J.“ noch Folgendes nach: Der große Saal, in dem das reiche Buffet aufgestellt, war so gefüllt, daß nan sich nur schwer darin bewegen konnte, und voch erging sich ein Theil der Gäste noch in den ahlreichen geräumigen Nebensälen, unter denen amentlich ein Zimmer die Aufmerksamkeit erregte, n welchem die Bilder der drei Kaiser von Deuisch⸗ and, Oesterreich und Rußland hingen und ein vunderbar geschnitztes Füllhorn aus Elfenbein, ein veschenk des Kaisers von China, ein Hauptschau⸗ tück bildete. Von den Parteien des Hauses waren deursch-⸗ und Freikonservative, Zentrum und El⸗ üsser, Deutsche-Freisinnige und Nationalliberale ertreten, so daß nur Welfen, Polen und Sozial- »emokraten der Theilnahme sich enthalten hatten. dem Berichte der „Post“ entnehmen wir noch olgende kleine Episode: „Der Reichskanzler hatte einen Platz in einer Gruppe von Nationalliheralen ind Reichsparteilern genommen; da gesellte sich Windthorst dazu und wurde sofort mit der Fcage empfangen, ob er der nationalliberalen oder der Reichspartei beitreten wolle. „Vorläufig keins von beiden“, antwortete er. Und als Windthorst zu bemerken schien, sein Glas sei nicht ganz voll jegossen, erhielt er den Bescheid, daß er bis zu em erhofften Parteiübertritt überhaupt mit dem Wein knapp gehalten werden solle. In diese cherzhafte Unterhaltung fiel die Musik mit einer auschenden Passage ein, so daß einige Worte ver⸗ oren gingen. Ein Mitglied der Reichspartei, der Ibg. Gehlert, warf die Frage in dieses Intermezzo, b es nicht gut sei, die Musik in den Reichstag uu dritten Lesungen zu schicken, nur dürfte Herr Bindthorst dabei nicht Tambourmajor sein. „Ich yürde mir auch lieber“, erwiderte der Reichskanzler. den Präsidenten für diesen Posten vorziehen.“ „Und ich den Reichskanzler“, erwiderte ichlagfertig Jdemand aus der Korona.“ Politische Uebersicht. *Bezüglich der Frühjahrsreise Dis— »ofsitionen des Kaisers sollen jetzt wieder indere Bestimmungen getroffen worden sein. —XDD nal von einem Aufenthalte in Wiesbaden absehen ind fich dirett nach Ems begeben, versichert man etzt von unterrichteter Seite von Berlin aus, daß er greise Monarch sich nun doch entschlossen habe, uersi die gewohnte Wiesbadener Kur durchzumachen. die Abreise des Kaisers von Berlin nach Wiesbaden rfolgt voraussichtlich am dritten Pfingstfeiertage, voran sich etwa Milte Juni der Beginn der Kur n Ems anschließt. * Der für Mittwoch beabsichtigt gewesene Schluß ves Reichstages hat sich nicht ermöglichen assen, da das Haus an diesem Tage nicht einmal ie dritte Lesung der Zolltarif⸗Novelle vollständig u Ende führen konnte; auch sollen noch der deutsch⸗ ussische Auslieferungsvertrag und die Novelle zum eutschen spanischen Handelsvertrage, welche der zundesrath bereits in seiner am Montag abgehaltenen Sitzung genehmigt hat erledigt werden. Dagegen arf der Schluß des Reichstages nach den Aeußer⸗ ingen, welche Fürst Bismard gelegentlich des bei hm am Diensiag stattgefundenen parlamentarischen Fruhschoppens? gethan hat, fuür diesen Zonnabend erwartet werden. Der „Frühschoppen“ rug im Uebrigen auch diesmal einen durchaus ingezwungenen Charakter und war von den Mit liedern des Bundesrathes wie des Reichstages ahlreich besucht. Sehr bemerlt wurde die lange Anterredung. welche der Kanzler hierbei mit Herrn dr. Windthorst pflog; der Centrumsführer frug ei dieser Gelegenheit an, ob Fürst Bismarck auf zie Berhandiung des Auslieferungsvertrages mit sußland großen Werih lege. was der Fürst nach⸗ rrücklich heiabte. e Die Ernennung des Grafen Herbert Bismard —XLV kigen Amte ist in den politischen und parla⸗ nentarischen Kreisen der Reichshauptstadt mit Be⸗ riedigungen aufgenommen worden. Graf Herbert gismarck wird zwar in noch verhältnißmäßig jungen Fahren an einen so wichtigen Posten gestellt aber zie wiederholten Beweise von Tüchtigkeit und Fähig⸗ eit, welche er gegeben hat — wir erinnern nur in seine erfolgreiche Londoner Mission — berechtigen u der Hoffnung, daß der älteste Sohn des Reichs⸗ anzlers auch sein neues Amt 'in einer dem Reiche Isprießlichen Weise ausfüllen werde. Das scharfe Hereinfahren des Kanzlers in die Zonntagsfeier ⸗ Debatten des Reichstags hat zur Folge gehabt, daß die Mehrheit, aus dem Jentrum ind den Konservativen bestehend, den Antrag Zuhl abgelehnt hat, welcher heute die vom Kanz er befürwortete Enquete auf dem Gebiete der Ar⸗ eiterverhaltnisse zur Berathung gestellt sehen wollte. Nit tausend Masten ist man losgesegelt, ein halbes dutzend Anträge konkurrirten imAnfange der Seffion. um den Arbeitern Schutz zu gewähren nun ist nicht einmal das Boot gereitet, selbst ie Einhoiung von Information ist von den ehe⸗ nals Schutzbereiten nicht unterstützt worden. ö——— Das „Berl. Tagbl.“ schreibt: In Bayern st man mit der jetzt dort erhobenen Malzsteuer nicht zufrieden; man wünscht ihre Herabsetzung, esonders im Interesse der kleineren Brauereien, velche angeblich die seit einigen Jahren erhöhte Zteuer nicht ertrragen köͤnnen. Das hat nun eigent⸗ ich das bayerische Volt mit seinem Landtag und einer Regierung auszumachen; vielleicht läßt fich zie Sache auch arrangiren, nachdem die mit Hilfe er bayerischen Abgeordneten zu Stande gekomme⸗ nen Zoslerhöhungen die Einnahmen des Reiches ins Nnendliche gesteigert haben, die Frage gewinnt aber ür uns an Interesse. indem man in Bayern die Abhilfe in der Herabsetzung der Uebergangsabgabe zuf Bier, welches aus Bayern nach Norddeutschland reht, sucht. Diese Uebergangasabgaabe beträgt iekt Die TIX. Kommission des Reichstags. welcher ʒer Antrag Lenzmann⸗Kayser wegen Entschadi g⸗ rug unschuldig verhafteter Personen ur Vorberathung üderwiesen worden, hat beschlossen, em Plenum eine Resolution vorzuschlagen, wodurch zie verbündeten Regierungen um möͤglichst baldige AIusarbeitung und Vorlegung eines Gesetzentwurfes begen Entschädigung für unschuldig erlittene Haft nuf Grund der vom Abg. Dr. Hartmann aufge⸗ lellten prinzipiellen Fragen ersucht werden.