St. Ingherter Amzeiger. Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. der St. Ingberter Aunzeiger“ erscheint wbchentlich fuufmalr Am ontag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wochentlich mit Unterhaltungs⸗ zlati und Sonntags mit Sseitiger illuftrirter Beilatge. Das Blau koftet vierteljährlich 1A 60 4 einschließlich Tragerlohn; durch die Post bezogen 14 75 4, einschließlich —T Zustellungsgebahr. Die Einrückunugsgebühr far die Agespaltene Garmondzeile oder deren Raum beträgt bei Inseraten aus der Pfalz 10 ⸗, bei außerpfalzischen und solche auf welche die Expedition Auskunft ertheilt, 13 4. Neclamen 80 —. Bei 4maliger Einrückung wird nur dreimalige berechnet. F 100. Politische Uebersicht. Von den konservativen Freunden des Hand⸗ verls ist für Mitte Juni ein deutscherzn nung s⸗ ag nach Berlin berufen, der sich u. A. auch mit den neuen Anträgen Ackermann und —A Finführung des Befähigungsnachweises der Hand⸗ verker und der weiteren Schritte zur allmäligen herbeiführung von Zwangsinnungen beschäftigen oᷣll. Angesichts dieses neuesten Versuchs, die Hand⸗ derker zu konservativen Wahlzwecken zu mißbrauchen, fues von Interesse, daß die konservative „Schles. Jeitung“ den Muth hat, gegen den Innungs⸗ swang offen Front zu machen. Zur Er— eichung der eigentlichen Zwecke der Innungen sei ʒer Zwang nicht erforderlich; für die Erreichung der rein wirthschaftlichen Zwecke sei derselbe ein inderniß. Mit dem Worte „obligatorische Innungen“, agt die „Schlesische Ztg.“, wird überhaupt, be⸗ onders dem minder einsichtigen Theile des Hand⸗ verkerstandes gegenüber, großer Mißbrauch ge⸗ trieben. Man erweckt — nicht sehlten zu Wahlzwecken —- mittels desselben Illusionen, die nur das trostlose Ergebniß haben, daß die mit ihrer Lage unzufriedenen Handwerker alles von der Zukunft erhoffen und die Hand nicht rühren, um dasjenige energisch auszunutzen, was hnen die Gesetzgebung heute schon bietet. Wie nan den Innungszwang verwirklichen will, ist denen, die dies Wort zu allermeist im Munde jühren, am allerwenigsten klar. Wie soll eine scharfe Grenze zwischen Großbetrieb und Klein⸗ belrieb gezogen werden? Und wer will es an⸗ gesichts des sich zu unserer Freude und zu un⸗ erem Stolze täglich höher aufschwingenden Kunst⸗ gewerbes unternehmen, die Grenze zwischen dem nnungspflichtigen Handwerker und dem freien ünstler zu ziehen? Man gehe in unser Mu⸗ eum, schaue sich die Wand⸗ und Deckenmalereien in und versuche dann zu entscheiden, was die Künstler und was der Kunsthandwerker geschaffen hat. Wo hört der Steinhauer auf und wo be⸗ zinnt der Bildhauer? In den alten Bauhütten und in den Malerzünften des Mittelalters fanden dünstler und Handwerker neben einander ihren Platz, heute aher kann doch Niemand daran denken, im Wege des Gesetzes Aehnliches wieder⸗ jerzustellen. Wir behaupten — und sprechen es vei unserer Vorliebe für berufsgenossenschaftliche Bestaltungen keineswegs leichten Herzens aus — daß heute der Innungszwang eine Unmöglichkeit f. Wir haben mit den gegebenen Verhäitnissen —V der blauen Blume die Hände müßia in den „chooß legen. Was die „Schlesische Zeitung“, die sich rühmt, ußerhalb der parlamentarischen Parteien zu stehen, ind deßhalb auch frei sagen kann, was sie denkt, diesem Artikel sagt, entspricht der Ueberzeugung —* die Lage des Handwerks vorurtheilsfrei brü⸗ * Männer. Auch die Konservativen würden n anders sprechen, wenn sie es nicht bequemer an zu Wahlzweden in dem minder einsichtigen des Handwerkerstondes Hoffnungen zu nähren, An Erfüllung sie selbst nicht aglauben:, denen We re schmeicheln, um die Getaͤuschten zu ihrem — zu können. Es ist hart für die ene hen, daß es getade ein konservatives Blati se Wor ihnen die handwerkerfreundliche Maske onungsloser Meise herunterreikt Samstag, 6. Juni 18883. Die „Hamb. Nachr.“ erhalten von hier eine Mitiheilung über den Stand des Nordostsee⸗ Fanalprojekts, welche die „Nordd. Allg. Ztg.“ reproducirt. Danach haben die Vorarbeiten zu dem auf Reichskoften auszuführenden Projekt bereits vor drei Jahreu auf Anregung des Reichskanzlers be⸗ jonnen und find auf Grund des von Dahlström Jesammelten und bearbeiteten Materials, welches bou der preußischen Regierung für 30,000 Mt. erworben worden ist, bedeutend gefordert worden. Das Projelt ist auf eine viel breitere, allen Interessen des Handels- und der Kriegs⸗ narine entsprechende Grundlage, als diejenige der Dahlström'schen Arbeiten war, gestellt worden. Als der Reichskanzler vor Kurzem auf den Nord⸗ stsee⸗ Canal zurückkam, war das Material bereits oweit vorbereitet, daß alle Details, Baupläne, Zostenanschlage u. s. w. zur Verfügung gefstellt verden konnten. Im Augenblicke dürfte die Sache roch den Kanzler beschäftigen. Ehe sie in den gundesrath gelangt, muß indeß das preußische Ziaatsministerim darüber Beschluß fafsen, und es st nicht zu zweifeln, daß es zustimmend votiren wird. Man glaubt, die Angelegenheit werde noch jor der Abreise des Kanzlers nach Kissingen zur Entscheidung im Staatsministerium kommen. Nach den „Pol. Rachr.“, welche gleichfalls die Bestätigung von einer demnächstigen Einbringung einer Nord⸗ stsee ⸗ Canalvorlage im Bundesrath erhalten, oslen sich die Kosten des Unternehmens auf 156,000,000 Mk. belaufen, wovon etwa 30,000,000 Mk. als Präcipualbeitrag Preußens vorweg geleistet, die übrigen etwa 106.000,000 Mt. vom Reiche getragen werden sollen. Die Fehden zwischen den Führern der deut⸗ chen Socialdemokratie dauern fort. Augen ⸗ lictlich liegen sich die Herren Bebel und Frohme n den Haaren. Jedenfalls hat die Partei in neuerer Zeit intensiv Einbuße erlitten, die in den dintergrund getretenen Talente Bebel und Liebknecht ind auch nicht annäherend durch Hasenclever und XELXX In Chemniß wird nun auch der große „5ozialisenprozeß zur Verhandlung kommen. nachdem derselbe während der Dauer der Reichs⸗ agsseffion fistirt worden war, da der größere Theil zer Angeklagten aus Reichstagsabgeordneten besteht. Die Anklage war erhoben worden, weil die Theil⸗ aehmer an dem Sozialistenkongreß in Kopenhagen ich der Betheiligung an einer geheimen Verbindung zu gesetzwidrigen Zwecen verdächtigt haben sollen. Fẽc war den Angeklagten aufgegeben, eine Klage⸗ eantwortung zu den Akten gelangen zu lassen. Acht derselben, die Reichstagsabgeordneten Auer, Bebel, Dietz, Frohme. v. Vollmac und die Herren Ulrich, Müller Darmstadt und Heinzel⸗Kiel, haben dieser Aufforderung nicht Folge geleistet, nur der Abgeordneie Vierec hat derselben jetzt entsprochen. In dem Schrifistück, das von demselben eingereicht worden, wird bestritten, daß die Organisation der ozialdemokratischen Partei den Charakter einer ge⸗ heimen Verbindung trage, und zum Beweis die eugeneidliche Vernehmung der Minister v. Putt⸗ amer, v. Boeiticher, v. Feilitzsch, v. Nostiz-Wallwitz owie eine Reihe jetziger und früherer Abgeordneter »arunter die Abgeordneten Windthorst, Stöcker, owie die Herren v. Bennigsen und Sonnemann »orgeschlagen. Als Vertheidiger wird der Leipziger —echtsanwalt Oito Frehytaa auftreten 20. Jahrg. Die Pariser Abendbläiter veröffentlichen ein Schreiben des Kardinal Guibert an den Kultus— minister, in welchem er gegen das Detret betreffend die Entkirchlichung des Pantheon protestirt. — Beneral Courcy ist in Tonkin gelandet und wird ich demnächst nach Hue begeben, dessen Garnison »erstärkt werden soll. — Die Kaiserin von China hat ein neues Dekret erlassen, in welchem sie den Abmarsch der Führer der schwarzen Flaggen und zie Räumung von Tonkin innerhalb der festgesetzten Frist anordnet. — Bei dem großartigen Leichen⸗ zuge Viktor Hugo's ist die Grenze des Erhabenen zum Lächerlichen vielfach überschritten. So wurde ein schöner Kranz von weißen Rosen getragen von wei Damen in großem Trauerschleier. die neben sich zwei kleine Madchen in Weiß hatten; dieser dranz trug die Inschrift: „Die Frau und Mutter Frankreich an Viktor Hugo.“ Eine recht geschmack⸗ ose Allegorie! Der „Intransigeant“ schließt seinen überschwenglichen Aufruf so: „Nunmehr darf man agen, daß das Jahrhundert zu Ende ist. Viktor Zugo nimmt es mit sich ins Grab; er nimmt die dunst mit (il importe Part); die ganze Bahn ist zurchlaufen und am Ziel steigt sein Werk empor — ein unübersteigbarer Berg: Neece plus ultra. Mit diesem Tode schließt eine Weltjahr ab. Fortan zibt es nur noch Denker, die auf die Kunst ver⸗ ichten, die er erschöpft hat. und die sich in die WBissenschaft flüchten und die mit ihr ein neues Weltjahr eröffnen.“ Dagegen sagt der „Gaulois“ n seinem „La seête des fous“ überschriebenen Artikel: „Victor Hugo geht aus, wie sein bewundertes „Notre⸗Dame de Paris“ anfängt: mit einem Feste der Narten.“. In Rom wollten sich vorgestern mehrere hundert Mitglieder demokratischer Vereine im geordneten Zuge mit Fahnen nach dem Capitol begeben, um den Todestag Garibaldi's zu begehen. Auf dem Wege nach dem Capitol wurde. indessen der Zug vegen aufrührerischer Rufe polizeilich aufgelöst und nur ein Theil der Demonstranten gelangie auf das Capitol und legte dort Kränze nieder. In der Deputirtenlammer wurden wegen der Aufloösung des Zuges verschiedene Interpellationen eingebrachi. In einer Unterredung mit dem „Times“ Korre⸗ pondenten in Konstantinopel erklärte der aus Af⸗ shanistan heimkehrende Führer der englischen Grenz⸗ ommission, Sir Peter Lumsden, daß die Russen, wenn sie auf die Wüstenzone beschränkt vorden wären, keinen scheinbar triftigen Vorwand zefunden hätten, sich auszudehnen oder weitere lebergriffe zu begehen. Sobald diese Grenze aber iberschritten ist, wird die Angelegenheit verwickelt yurch Fragen in Betreff der Versorgung mit Wasser, »er Weiden und anderer Elemente russischer Chi⸗ anen. Aus diesem Grunde glaubt Lumsden, daß die Schwierigkeit nur zeitweilig beigelegt sei. Die Russen hätten offenbar die Absicht, die Frage in ꝛinigen Monaten oder Wochen wieder zu eröffnen, dumsden ist ferer der Ansicht, daß Rußland den Zweck verfolgt, dadurch, daß es Indien direkt be⸗ droht, die ganze Aufmerksamkeit Englands dorthin zu lenken, um so Rusland freieren Spielraum in der Richtung auf das türlische Gebiet zu verschaffen. Deutsches Reich. Regensburg, 2. Juni. Der Fürst von Thurn und Taxis ist heute Abend gestotben. Mit dem erst 24 Jabre alten Fürsten erlischt di—