— Trulben, 29. Juni. In hiesiger Bür⸗ germeisterei kam am 26. ds. der erste Todesfall für 1886 vor. Seit dem 11. November v. Is. sind keine Sterbefälle zu verzeichnen gewesen und betreffen die Einträge in dieser Zeit lediglich Todtgeburten. Dabei zählt unsere Bürgermeisterei (bestehend aus den Gemeinden Trulben und Kröppen) 1198 Seelen. Eine gesunde Gegend muß das sein! — Die Gemeinde Winzingen hat gegen die Stadt Neustadt einen Prozeß anhängig gemacht, weil Neustadt als eine Art Strafe für die Nicht- yerschmelzung der beiden Gemeinden Winzingen die Mitbenutzung des Neustadter Waldgebiets unter⸗ sagt hau. — Frankenthal, 80. Juni. Gestern feierten die noch hier lebenden Mitglieder, welche der 1849er Freischaarenarmee angehörten, das Ge⸗ »zächtniß an die Gernsbacher Schlacht. Der Tag wurde wie üblich mit einem Katzenkopfschuß ange⸗ kündigt und Abends fand in der Restauration Berke zu Ehren des Tages ein Festessen statt. — Spey er, 30. Juni. Es wird darauf aufmerksam gemacht, daß Gesnche um Zulassung zu der in diesem Spätjahr abzuhaltenden Prüfung für den Einjährig⸗Freiwilligendienst spätestens bis ‚zum 1. August bei der kgl. Prüfungskommission dahier einzureichen sind. Vermischtes. F St. Johann, 1. Juli. Eine arge Schlägere zwischen zwei Soldaten und zwei Meß— zergesellen fand vorgestern Abend in einer hiesigen Wirthschaft statt. Wie wir hören, wurden die Sol—⸗ daten, als sie sich aus der Wirthschaft entfernen wollten, von den Gesellen plötzlich ohne jeden Grund überfallen, und erhielt auch einer der Angegriffenen einen Stich in den Hals. Die Soldaten sahen ich genöthigt, von ihrer Waffe Gebrauch zu machen, ñe drängten die Angreifer zurück und gaben ihnen eine derartige Lektion, daß ihnen wohl eine Zeit lang die Lust vergehen wird, preußische Dragoner anzugreifen. Eine Untersuchung ist sofort eingeleitet. FMainz, 28. Juni. Die Maler, Tüncher und Lackirer beabsichtigten, am Montag Abend eine ‚„llgemeine Versammlung“ zur Gründung eines „Fachvereins“ abzuhalten, in welcher gleichzeitig ein Vortrag über „die Ziele der Gewerkschaftsbe— vegung“ gehalten werden sollte. Die Polizei ver⸗ ʒot die Versammlung aufgrund des Sozialistengesetzes. FHeidelberg, 1. Juli. Universitäts- Jubiläum. Der von Herrn Maler Karl Hoff, Professor an der Kunstschule zu Karlsruhe ent⸗ worfene und unter seiner persönlichen Leitung aus— zearbeitete historische Festzug wird laut Programm Freitag, 6. August morgens 9 Uhr statifinden. Der Zug, an dem sich über 900 Personen mit 300 Pferden und 14 Prachtwagen betheiligen, bringt die fünf Jahrhunderte seit der Gründung der Universität zur Darstellung und zerfällt in folgende Gruppen: A. Gründung der Üniversität durch Kurfürst Ruprecht J. 13886. B. Einzug Friedrich des Siegreichen nach der Schlacht von Seckenheim 1462. 0. Pflege der Kunst und Wissenschaft durch Kurfürst Otto Heinrich 1556 — 15359. D. Volksleben der fröhlichen Pfalz zu Ende des 16. Jahrhunderts, Winzerzug. E Ein⸗ zug des Kurfürsten Friedrich V. mit seiner Ge⸗ mahlin Elisabeth von England 17. Juni 16183. b. Böhmische Gesandtschaft 1619. 6. Zeit des Z0jährigen (1618 -1648.) und des Orlean'sschen Erbfolgekrieges (1688- 1697) H. Kurfürst Karl dudwig mit Gefolge 1682 bis 1680. J. Zeit des Kurfürsten Kar! Philipp 1716 - 1742 Jagd- zug. K. Kurfürst Karl Theodor 1742- 1799. I. Wiederherstellung der Universität durch Karl Friedrich von Baden 1803. Die Studentenschaft des 19. Jahrhunderts. M. Die Burschenschaften. VJ. Die Korps. O. Das neue deutsche Reich. So— weit die nahezu vollendeten Arbeiten dies erkennen lassen, wird der Zug an Großartigkeit der Aus— tattung und Korrektheit der Kostüme, Waffen ꝛc. nicht nur allen bisherigen Veranstaltungen, würdig ich anreihen, sondern er verspricht sogar an äußerem Blanze und historischer Treue, die bis in die leinsten Details durchgeführt ist, solche zu über⸗ treffen. Der Festzugs.Ausschuß hat zur bequemen Besichtigung des Zuges die Errichtung von Tri⸗ zünen an allen geeigneten Plätzen in die Hand genommen und wird mit dem Verkauf der durch⸗ weg nummerirten Sitze jetz begonnen. Ueber Zugsrichtuna. Lage der Trihünen. Vreise der Plätke owie Wohnungen und sonst Wissenswerthes, gibt in Orientirungsplan Auskunft, der gegen Ein⸗ endung von 20 Pfennig ourch die Koester'sche Huchhandlung in Heidelberg bezogen werden kann. F Der Konkurs der Gebrüder Sachs in Frankfurt, dessen man sich noch erinnern wird, ist am 28. Juni zu Ende gebracht. Die nicht bevorrechtigten Forderungen betragen über 2 Diillionen. Aus dem Gesellschaftskonkurs erhalten sie 1180 M. aus dem Privatkonkurs 40 Pfg. für je 100 Mark. r Aus Frankfurt a. M. kommt die Nach⸗ cicht, daß jetzt in ein nahe bei Kassel gelegenes Dorf ein Mann zurückgekehrt sei, welcher sechszehn Jahre lang in französischer Gefangenschaft gewesen ind kürzlich entsprungen sei. Die Angehörigen jätten ihn längst für verschollen erklärt und seine Frau inzwischen einen Andern geheirathet. Wie »er Mann erzählt habe, sollten sich gegenwärtig ioch eine große Anzahl deutscher Soldaten, darun⸗- er auch zwei Offiziere, in Algier in Gefangen⸗ chaft befinden. Die Angaben erscheinen doch wohl aum glaublich, verdienen aber immerhin, auf ihre Wahrheit geprüft zu werden. FWuürzburg, 30. Juni. Vergangene Nacht gegen 3 Uhr wurde am linksseitigen Main⸗ ifer, nahe dem Bootshaus des Rudervereins, der Zandschöpfer Dürr von Sulzfeld von einem Müller⸗ jesellen, der seine That bereits unumwunden ein⸗ sestanden, erstochen. Dürr, der zu fraglicher Zeit ils Louis“ fungirte, wurde mit einem Taschen⸗ nesser der Bauch aufgeschlitzt, der Thäter erfreut ich, im Gegensatz zu seinem Gegner, des besten deumunds; man verhaftete ihn nur vorläufig. Die in Betracht kommende Frauensperson ist bis jetzt nicht aufzutreiben gewesen. * Würzburg, 1. Juli. Um halb 2 Ahr stieß der Bamberger Postzug, der 15 Minuten Verspätung hatte, zwischen hier und Rottendorf auf den Berliner Schnellzug. Die Situation ist grauenhaft. Bis jetzt sind 11 Todte nund 30 Verwundete aus den Trümmern gezogen. Todt sind Zugführer Oefelein, schwer verletzt st der Postinspektor Wiedemann, leicht verletzt die liberalen Abgeordneten Sauerbrey und Sellner und thahnmeister Wittmann (Oberndorf). Die Schwer⸗ erletzten wurden in's Spital verbracht. Sämmtliche Fivil- und Militär-Aerzte, Professoren und Assi⸗ tenten, die Sanitätskompagnie mit 6 Transport⸗ vagen, sind an der Unglücksstelle. Die Artillerie perrte durch Cordon den Platz abßb. Das Chaos st unbeschreiblich. Im Juliuslpital liegen zwanzig Ichwerverletzte, darunter Seifensieder Schneller⸗ Donauwörth (mehrfacher Beinbruch), Juwelier Veinstein-München (Beinbruch). Daselbst ist soeben estorben Frau Fleischmann⸗-Marktbreit; schwerverletzt jt ein Kind derselben. Abends 9 Uhr. Bis jetzt i3 Todte 37 Verwundete. Beide Lokomotivführer odt. — F In Bezug auf den Ausschluß regierungs⸗ mfähiger Fürsten von der Thronfolge unterscheiden ich die Verfassungen von Württemberg, Sachsen ind Sachsen⸗Koburg vortheilhaft von allen anderen deutschen Versassungen. Dieselben enthalten, wie vir der „Frankf. Ztg.“ entnehmen, eine fast gleich⸗ autende Bestimmung, nach welcher, wenn ein re⸗ jierungsunfähiger Thronfolger vorhanden ist, noch inter der Regierung seines Vorgängers durch ein örmliches Staatsgesetz über den künftigen Eintritt zer gesetzmäßigen Regenischaft zu entscheiden ist: ieselben Versassungen treffen auch genaue Bestim nungen darüber, wer dann, wenn der König bezw. Zerzog selbst unfähig wird oder über die Unfähig⸗ eit des Thronfolgers ein Gesetz nicht erlassen wer⸗ den konnte, zur Entscheidung über die Nothwendig keit der Regentschaft befugt ist. Bemerkenswerth st, daß der zur Regentschaft zunächst berufene Agnat zu dieser Entscheidung nicht zugezogen wer⸗ en darf. FAus Thüringen, 26. Juni. Unter inem eigenthümlichen Zusammentreffen von Um— tänden starb der Todtengräber Johannes Klinge⸗ hiel auf dem Friedhofe zu Gernrode. Am Freitag ‚origer Woche wurde ihm die harte Pflicht, seinem ꝛigenen Bruder das Grab zu graben. Unter sonder⸗ »aren Gefühlen mag er diese Ruhestätte bereitet aben, als er plötzlich unwohl wurde. Nach einigen Zekunden sank er in dem eben aufgeworfenen ßrabe leblos zusammen. Ein Schlagfluß hatte einem Lehen ein Ende horoifot— XXX Weimar. Die, unter dem Pr torate Seiner Königlichen Hoheit des Ge von Sachsen stehende, Staͤndige Ausstellun zen Kunst und Kunstgewerbe hierselbsttritt in di su Jahre mit einem ganz neuen, ebenso groß din züglich angelegten Lotterie ⸗Unternebmen in ehenmichte Es kommen in drer achenhe Ziehungen im Juli, September und —E Jahres stattfinden, 13000 Gewinne im ann verthe von 750,000 Mark zur Verloosung kLinzelwerth derseiben steigert sich von dem michri don 10 Mark an bis zu 80,000; —*8G 50,000 Mark. Dagegen beträgt der Preis Loose nur eine Mark für die erste, und fünf m jür alle drei Klassen. Da die Anstalt in —* Zeit mit den Reqhten einer juristischen Personnn Jeftattet ist, und als solche unter der Aufficht d Broßherzoglich Sächsischen Staatsministeriums * ist dem spielenden Publikum Sicherheit geboten daß die Gewinne, welche unter der besonderen Auß sichs eines Großherzoglichen Kommissars angescha werden, gut und den angesetzten Werthen entshrn hend sind; dieselben werden übrigens den Gewn nern kostenlos und portofrei durch die XRX uübersandt. Die Ausführung der Lotterie ist keinem Unter nehmer übertragen, sondern wird von der Standigen Ausstellung selbst bewirkt, sodaß der Reingewin nur den Spielern, durch letztere aber wiederum den dunstgewerbe zu Gute kommt. Unter diesen Un ständen ist der Ankauf der „Weimarischen Aus stellungs⸗Loose“ ebenso zu empfehlen, wie dem en— porstrebenden Kunstinstitut ein recht guter Erfole zu wünschen. — Wie schlesische Provinzialblätter melden, sinl auf der Bahnstrecke Habelschwerdt⸗-Milteß walde seit einiger Zeit weibliche Bahnwärter au zestellt. Die Bahnverwaltung hat die einzelnen Revisionsstrecken verlängert und macht dadurch ein Ersparniß. Das Amt der Bahnwärterinnen, selbs verständlich nur ein Nebenamt, besteht im Schließen der Barriéͤren und im Signalisiren mit dem Sig⸗ nalhorn, während den Bahnwärtern die Revisior der Bahnstrecken obliegt. Die tägliche Diensize dauert ungefähr 16 Stunden, nämlich oon frül 6 Uhr bis Abends 10 Uhr. Der Tagelohn eine Bahnwärterin beträgt — 35 Pfg., sage und schreib— ünfunddreißig Pfennige, für sechszehnstündige Ar— heit. das macht pro Stunde 2 Pfennig!! F Ein eigenthümlicher Patient“ befindet sich zegenwärtig in der Berliner Charite. Es is rin junger Berliner, dem hier das Glück nicht be— onders hold war und der deshalb sein Heil jen⸗ jeits des Ozeans suchen wollte. Er war deshalb auch bereits nach Hamburg gereist, dort wurde ihm aber so übel mitgespielt, daß er die Auswanderung zufgegeben hat. Er war in Hamburg in ein⸗ dneipe gerathen, in welcher er sich einer Gesellschaf Matrosen anschloß,* die ihm recht wacker zutranken Unser Landsmann trank den Seeleuten so tapfer Bescheid, daß er sehr bald berauscht war und in ꝛinen tiefen Schlaf fiel. Diesen Zustand miß⸗ zrauchend, tätowirten ihm die Matrosen den Unter⸗ irm, ließen es aber damit nicht bewenden, sondern itzten dem Berauschten auch noch einen Küäfer auf — die Nase. Der Schreck des in dieser infamen Weise Gekennzeichneten, als er am nächsten Morgen seine verunstaltete Nase im Spiegel sah, läßt sich leicht denken. Der Aermste hatte genug von der Auswanderung, er kehrte nach Berlin zurück und befindet sich jetzt, wie gesagt, in der Charite, wo elbst man Versuche unternimmt, das bunte Unge⸗ hüm von der Nasenspitze zu entfernen. F GMilitärmusikkorps.) Den Berliner Militärmusikkorps ist bekanntlich die Mitwirkung bei Sommerfesten freisinniger Vereine untersagt. Dagegen ist der deutsche Antisemitenbund in der dage, für sein demnächstiges „antisemitisches Fa⸗ milien⸗ und Volksfest“ die Nitwirkung von Mililär⸗ musikkapellen anzukündigen. f(Selbstmord im Irrenhause. Auf eine entsetzliche Art machte am vergangenen Zamstag ein Paralytiker auf der Irren⸗Abtheilung der Charité in Berlin seinem Dasein ein Ende, welcher dem Wartepersonal bis dahin keine Ver⸗ anlafsung bot, gewaltsame Akte zu befürchten. In der Küche erfaßie er unvermutheier Weise mehrere Nägel und versuchte sie zu verschlucken, was von einem Wärter verhindert wurde. Bald darauf machte der Kranke den Versuch, sich mit Gabeln zu verletzen. Auch dies wurde noch rechtzeitis Taewendet. Hiernach erschien der Vätient wieder