Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. der „St. Ingberter Anzeiger“ erscheint wöͤchentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2 mal wöchentlich mit Unterhaltungß glati und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteljährlich 1A 60 einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezegen 1M. 75 A, einschließlich 0 BZustellungsgebühr. Die Einrückungsgebühr fur die 4espaltene Garmondzeile oder deren Raum beträgt bei Inseraten aus der Bfalz 10 —, bei außerpfälzischen und solchen auf welche die Expedition Auskunft ertheilt, I8 H, Reklamen 80 8. Bei 4maliger Einruckung wird nur dreimalige berechnet. 22. Jahrg. M 33. Montag, 14. Februar 1887. — Politischt Ueberütht. Zwischen Bayern und Württemberg ist in Staatsvertrag über den Bau der Eisen⸗ vahnlinien Leutkirch · Nemmingen und Hergaß— Wangen, sowie über den Wegfall der Eigenschaft als Wechseistationen für die Bahnhöfe Ulm, Nord- lingen und Crailsheim unterzeichnet worden. Das hekannte Wort „Jeden Mann und seden Groschen““ sucht die „Nordd. Allgem. Ztg.“ folgendermaßken zu widerlegen: Die Regierung mußte, wollte sie nicht hinter den Kriegsvorbereitungen der in Betracht kommen⸗ den Nachbarstaalen — in erster Linie Frankreichs — geradezu sträflicherweise zurückbleiben, unter jeder Bedingung eine Vergrößerung der Armee an⸗ bahnen. Das war zu erreichen, wenn sie umgeh⸗ end so und so viel neue, taktisch gegliederte, größere Formationen — vielleicht 2 bis 3 Armeelkorps — schuf, oder aber eine Anzahl neuer Bataillone errichtete, eine Anzahl vorhandener verstärkte, um um so gradatim im Frieden so viel wehrfähige Männer zu Soldaten zu machen, daß im Kriege genügendes Material zu Neufoxmationen vorhanden war. Daß wir im Falle eines Feldzuges zu Neu⸗ formationen schreiten werden und müssen, das lehrt hdoch zur Genüge die Geschichte der kriegerischen Er⸗ eignisse der Jahre 1866 und 187071, ja die criegsgeschichte überhaupt. Die Kriegsverwaltung hatte in verhältnißmäßig ehr bescheidenem Maßstabe ein Mittel vorgeschlagen, durch welches Beides zu erreichen war: sofortige und kräftige Verstärkung. Sie verlangt zunächst eine Erhöhung der Prä— enzziffer um 41,000 Mann, d. h. eine fortlaufende Erhöhung der Aushebungsquote von 13-14000 Mann, deren Durchschnitt für 3 Jahre eben jene erstgenannte Ziffer ergibt. Die Konsequenz dieser Maßregel würde die dauernde Vergrößerung der Armee innerhalb des von dem Wehrpflichtigen ab⸗ zuleistenden Duodezenniums (Linie, Reserve und dandwehr) um 12 mal 183 bis 14000 gleich 156 bis 16800, im Durchschnitt also um 162000 Mann gewesen sein. Da die Regierung nun aber von einer dauern⸗ den Fixirung der Präsenzstärke (Aeternat) Abstand nahm und sich auf den Standpunkt des s. Z. ge⸗ ichlossenen Kompromisses (Septennat) stellte, so kam dem entsprechend auch die dauernde Bewilligung in Fortfall. An deren Stelle sollte wieder die bis⸗ herige, auf sieben Jahre beschränkte treten, d. h. ilso die Armee sicher vergrößert werden zunächst um: 7 183 bis 14000 91 bis 88000, d. h. im Durchschnitt um 945800 Mann. Die Opposition nun entsprach diesem Vorschlage nicht, sondern bewilligte nach dem bekannten Hin und Her und nachdem alle Mittel, die verbündeten Regierungen unter ihren Willen zu beugen, frucht⸗ los —3 waren, die Mittel für die beantragte PräsenzsArke auf — drei Jahre, d. h. also für 32 13 bis 14000 — 309000 bis 42000 oder im Durchschnitt für 41,000 Mann! Mit anderen Worten, sie bewilligte nicht „jjeden Mann und jeden Groschen“, sondern .⸗33500 Mann weniger“ 20 Miegierungen verlangt hatten. Die internationale Lage war am Schlusse der Woche noch ebenso unklar, als am Anfang. Von einer Besserung derselben, wie sie jon manchen Seiten konstatirt wird, kann jeden⸗ falls keine Rede sein. Die offizibsen Berliner Blätter werden nicht müde, schlimme Aussichten zu eröffnen und allerhand ungünstige Zeichen zusammen- zutragen. So wissen heute die „Berl. Pol. Nachr.“ zu melden, in Paris sei zwar beschlossen worden, die Verstäkkung der Truppen an der Grenze zu iistiren, jedoch nur bis zum 21. d. M., d. h. bis zum Termin der deutschen Reichstagswahlen, also im die deutschen Wähler in Sicherheit zu wiegen. Dasselbe offiziöse Organ verbreitet einen Artikel des Londoner „Globe“, der von einem hohen fran⸗ zösischen Offizier über die Armee und die Ansichten der militätischen Kreise Informationen erhalten jaben will. Hier einige der prägnantesten Stelle des Globe⸗Artikels: WWenn Sie mich fragen, ob wir kriegsbereit ind, so rauß ich darauf frank und frei mit Ja intworten. So lange Frankreich besteht, ist es niemals besser gerüstet gewesen, als jetzt. Dessen ungeachtet zögern wir, den Kampf zu beginnen. Wir brauchen noch Zeit. Wir müssen noch mehr Vortheile uͤber Deutschland erlangen. Jeder Tag des Friedens ist für uns ein reicher Gewinn. Geueral Boulanger hegt keine Vesorgniß. Aber er ist sich darüber llar, daß. um die Unterstützung der Nation zu erringen, er — und wir — um jeden Preis die erste Schlacht gewinnen müssen. .. Beneral Boulanger kennt die Vortheile seiner gegen⸗ wärtigen Stellung und die Gefahren, die seiner im Falle eines Mißerfolges harren. Daher seine großen und sorglichen Vorbereitungen. Jetzt macht er sich bereit zum Handeln und sammelt an Or und Stelle, wo der Bedarf hervortreten wird, eine solche Masse von Kriegsmaterial, eine solche Anzahl bon Geschützen, Pferden und Mannschaften, daf er im Siande ist, die Deutschen unverzüglich zu überraschen und sie mit überwältigenden Kräften in der ersten Schlacht zu zerschmettern. Diese erste Schlacht müssen wir um gleichviel welchen Preis an Menschenleben gewinnen, und wenn wir wei für eines dahingeben müssen, so werden win wei für eines dahingeben. Sie werden jeden Nerv anspannen, den ersten Sieg davonzutragen Der Korrespondent des „Globe“ spricht seine Schlußmeinung dahin aus, daß. wenn die fran⸗ zösische Mannszucht den Stoß, welchen sie in Mo— bilisirungstagen gewöhnlich zu erleiden pflegt, über⸗ steht, es nicht geleugnet werden könne, daß Gene tal Boulanger mit einiger Hoffnung auf Erfolg in den Kampf ziehen dürfe, „der keinen langen Aufschub mehr erdulden kann wenn Deutschland nicht ganz und gar blind isi gegenüber der Gefahr, die ihm von Tag zu Tag näher rückt.“ Wir denken, daß darüber die deutsche Kriegs verwaltung das zuverlässigste Urtheil haben wird und daß wir mit Vertrauen den desfallsigen Ent⸗ schließungen unserer Staatslenker entgegensehen dürfen. Um noch einen andern deutsch⸗officiösen Wink anzuführen, erwähnen wir eine Bemerkung der „N. A. Z.“ über einen Artikel des Pariser Figaro“, welcher konstatirt, daß das in der fran⸗ zösischen Armee eingefühcte Grasgewehr, obgleich nach jedem Schuß von neuem geladen, es bis aul 21, 22, ja auf 28 Schuß in der Minute bringt während das schnellste der Mehrladersysteme nicht äber 13, 14 oder 15 Schuß hinauskommt. Der lügenhaften Behauptung ge— visser Agitatoren. daß die Annahme des Septen⸗ aats die Herbeiführung einer siebenjährigen aktiven Dienstzeit der Militärdienstpflichtigen bedeute, wird im Großherzogthum Weim ar durch An- schlag regierungsseitig entgegengetreten. Da diese Lüge sehr verbreitet worden zu sein scheint, so dürfte sich auch in anderen Bundesstaat en ein amt. liches Vorgehen hiergegen empfehlen. Inbezug auf den Wahlkampf wird' der „Neuen Mülh. Ztig.“ geschrieben: „Ich möchte an den Spruch erinnern: „Willst Du wissen, was ich hin für ein Mann — So sieh' nur meine Kameraden ain.“ Nämlich die Polen, Dänen, Welfen, So⸗ zialisten und Partikularisten. Man kann von dem⸗ elben Bund sagen, wie von den Füchsen Simsons: „Mit den Köpfen gehen sie weit auseinander, aber mit den Schwänzen sind sie zusammengebunden und tragen Feuerbrände in die Ernte des Landes.“ Die Polizei hat in Paris eine anarchistische Antipatriotenliga mit angeblich 2000 Mitgliedern entdectt, welche an die Rekruten gedruckte Auftufe vertheilt, in denen ihnen die Ermordung ihrer Offi— iere empfohlen wird. Muͤnchen. Lebhaft wird hier die Frage er⸗ zrtert, ob Freiherr v. Franckenstein in seiner leiten⸗ den Stellung bei der bayerischen Reichsrathskammer helassen werden könne, da es ihm ja bei seiner ungemeinen Vergeßlichkeit passiren köͤnne, daß er etwo ein für die Mitglieder der Reichsrathskammer bestimmtes Schreiben des Staatsoberhauptes eben⸗ falls — milde ausgedrückt — in der Tasche be— hielte. Diese Frage ist um so schwieriger, da es bei dem während der Königskatastrophe und auch jetzt wieder bethätigten Taktgefühl des Freiherrn nicht zu erwarten steht, daß er seiner Stellung frei⸗ willig entsage. Offenbach, 13. Febr. Der Erste, welcher bon hier ausgewiesen worden, ist der bisherige Reichstagsabgeordnete Liebknecht. Derselbe war heute Morgen mit dem Schnellzuge von Sachsen ingekommen, und um 11 Uhr wurde ihm der Aus- weisungabefehl zugestellt mit der Bemerkung, daß er Offenbach bis 1 Uhr verlassen müsse. Lieb⸗ tnecht fuhr, begleitet von mehreren Parteigenossen, u Wagen nach dem Kreise Dieburg. Berlin, 11. Februar. Bis zum 21. Febr. find seitens des franzöfischen Kriegsministers Bou⸗ langer alle Truppensendungen nach der Ostgrenze thatsächlich eingestellt. Deutsches Reich. Ausland. Paris, 12. Februar. Der Temps heweist, daß in kritischen Zeitläufen die Heztzereien seit 15 Jahren immer von den deutschen Blättern ausge⸗ jangen seien. Der Temps fügt die Versicherung hinzu, Frankreichs Wunsch, daß der Friede erhalten bleibe, sei nicht nur aufrichtig, sonde rn auch selbst⸗ verständlich, und es gebe für Frankreich eine Pflicht ind eine Haltung, die ihm mindestens ebenso sehr zurch seine Lage wie durch seine Neigungen auf⸗ erlegt würden. — Der Monde meldet aus Rom: „Der deutsche Botschafter v. Keudell ist, angeblich in Familien-Angelegenheiten, nach Berlin abgereist. Ueber seine Abwesenheit wird viel geredet.“ Paris, 12. Februar. Nach dem „Jonrnal des Debats“ soll auf der Insel Korsika eine bona⸗ partistische Rebolution ausgebrochen sein. (Da diese Deimathinsel der Napoleoniden zum großen Theil Joch immer bonapartistisch ist, so dürfte diese Meldung nicht ganz ohne Unterlage sein.)