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Dezember 1888. 2121.7 Jahrg. Deutsches Reich. Karlsruhe, 12. Dez. Die in der zwei— ten Kammer gestellten Interpellationen wegen der Zulassung der Orden und der Hand⸗ habung des Sozialistengesetzes werden nach Weibnachten beantworiet. Coblenz, 12. Dez. Eine von 600 Ber g⸗ leuten besuchte Versammlung in Püttlingen im Saarrevier hat gestern beschlossen, heute die Arbeit niederzulegen. Oberpräsident Frhr. v. Ber⸗ iepsch hat zugesagt, morgen eine Ahordnung dieser Arbeiter zu empfangen, um ihre Beschwerden anzu⸗ sören und eine Ausgleichung zu versuchen. Gelsenkirchen, 12. Dez. Der Landrat er⸗ läßt eine Bekanntmachung, worin er sich bereit erklärt, arbeitslosen Bergleuten sofort Arbeit auf den Zechen des Kreises zu der— chaffen. Berlin, 11. Dez. Die „Post“ erklärt heute, soviel scheine ganz klar, daß vor der zweiten Lesung des Sozialistengesetzes eine feste Verein⸗ harung zwischen den Kartellparteien her— beizuführen und daß dabei einerseits die unbefristete Ausweisungsbefugniß fallen zu lassen, andererseits dem Standpunkt der Deutsch-Konservativen ent⸗ prechend Rechnung zu tragen sei Dem „Deutschen Tageblatt“ zufolge sind von Professsfr Schweinfurth neuerdings Briefe nach Deutschland gelangt, welche einen Zwiespalt zwischen Emin Pascha und Stanley be—⸗ stätigen. Schweinfurth hat von Emin Briefe er⸗ halten, aus denen hervorgeht, daß die Ankunft der Stanley'schen Expedition in Wadelai und nament⸗ lich die politischen Aspirationen dieser Expedition die Stellung Emins erschütterten. Das Emin Pascha⸗Komité hat von Clemens Denhardt einen aus Sensibar vom 13. Nov. datierten Brief erhalten, der jedoch nichts wesentlich Neues enthält. Denhardt zeigt an, daß er nach Lamu gehen würde, um weiter über Dr. Peters zu berichten. Dies hat er bekanntlich auch gethan. Die letzte seiner Nachrichtn war vom 23. Nov., wonach Borchert aus Pokomi meldete, daß Peters und seine Genossen am Kenia wohlauf wären. Berlin, 12. Dez. (Reichstag.) Der Seniorenkonvent beschloß, morgen (Freitag) die letzte Sitzung vor den Weihnachtsferien zu halten. Auf der Tagesordnung stehen die Anträge des Zentrums und der Deutschkonservativen auf Ein- führung des Befähigungsnachweises (zweite Lesung). Die nächste Sitzung soll am 8. Januar 1890 stati⸗ finden. Heute Beratung Antrag v. Huene, betriffend Webrpflicht der Geistlichen. Frhr. v. hduene (Zentrum, Major a. D.) führt aus, die Einziehung der Theologen in den Militärdienst schädige den Studiengang und die Seelsorge. Eine Zurücksetzung könne in der Befreiung von der Wehrpflicht nicht liegen. Sein Antrag bedeute leineswegs einen Durchbruch der allgemeinen Wehr pflicht. v. Kleist spricht gegen den Antrag. Den Bedürfnissen des geistlichen Standes und der Seel⸗ sorge trage das Reichsmilitärgesetz hinr ichend Sorge. Reichensperger für den Antrag, welcher nur ein altes Herkommen wieder einführen wolle. Delbrück writt für die Bewilligung des verlongten Privilegiums für die katholischen Geistlichen ein, während er sie für evangelische als un— angezeigt bezeichnet, auch verde das Privileg von ꝛwangelischer Seite gar nicht verlangt. Kuele« mann spricht gegen, Myciel sky für den An⸗ zrag. Windthorst meint. der Antrag traqe allen Bekenntnissen gleiche Rechnung. v. Kleist bveantragt zur sofort beginnenden zweiten Lesung, daß diejenigen Einjährigen, welche sich dem Studium der Theologie einer mit Korporationsrechten inner⸗ Jalb Deutschlands bestehenden Kirche oder Religions- zesellschaft widmen, in Friedenszeiten auf ihren Äntrag nach halbjährigem Dienste mit der Waffe hr zweites Halbjahr als Lazarethgehilfen dienen sollen. Rich der steht im ganzen auf dem Stand⸗ hunkt des Antrages Huene. Nach unwesenilicher Debatte wird der Antrag Huene (durch Ham— nelsprung) mit 127 gegen 111 Stimmen ange— rommen. v. Kleist zieht seinen Antrag zurück. Das Haus tritt in die erste bezw. zweite Berathung des Antrages Windthorst auf Aufhebung des Exrpatriirungsgesetzes ein. Or. v. Mar⸗ quardsen namens der nationalliberalen Partei ‚afür, ebenso Rickert namens der Deutsch- reisinnigen. Nachdem noch Fürst Radziwill, Müller, Hahn und Singer für den Antrag ge—⸗ prochen, wird derselbe (Aufhebung der Expatri⸗ rung) fast einstimmig angenommen. dagegen stimmten unter anderen: v. Cuny und doffmann. Folgt Berathung des Antrages Windt jorst bezüglich der Rechtsverhältnisse der zeutschen Schutzgebiete. Hahen gegen den Antrag velcher dem Jslam für deutsche Gebiete ein Privi⸗ eg gewähre. Wörmann gegen den Antrag, da die Kultusfreiheit zu Gunsten des Muhameda—⸗ nismus große Gefahren habe. Frhr. v. O w für den Antrag, hält die Furcht vor Ausdehnung des Islams für ungerechtfertigt. Nobbe gegen der Antrag, dessen Consequenzen unübersehbar seien Windthorst befürwortet warm seinen Antrag Stöcker gegen den Antrag; er beantragt seiner— eits, unter Festhaltung des Grundsatzes der Parität, das gleichzeitige Wirken von Missionaren verschie— dener Konfessionen in denselben Bezirken möglichft zu verhindern. Das Zentrum dürfe sich nicht als nusschließlichen Vertreter der Gewissensfreiheit hin- tellen. Der Antrag Stöcker wird abgelehnt, der der Antrag Wind thorst mit 116 gegen 109 Stimmen angenommen. Naächste Sitzung morgen 12 Uhr; Fortsetzung der heutigen Tages- ordnung. Berlin, 12. Dez. Der Minister des Innern jat alle Polizeibehörden in dem Kohlen revier angewiesen, eine öffenthliche Bekanntmach— ung zu erlassen, in der die Arbeiter darauf hin⸗ jewiesen werden, daß nach dem jüngsten Reichsge— richtserkenntnis die öffentliche Aufforderung zum Vertragsbruch, also zur sofortigen Arbeitniederlegung krafbar ist und in der die Arbeit r ermahnt werden, hre Vertragae pflichten strenastens innezuhalten. Auslanud. Paris, 12. Dez. Die gestrige Sitzung des Bbersten Rats für Handel und Industrie teitete Ministerpräsident Tirard mit einer Rede ein, in der er die Aufstellung eines den Handels— ammern betreffs der Handelsverträge vorzulegenden Fragebogens anregte. Es wurde hierfür ein Aus—⸗ schuß gewählt. Pouyer-Quertier betonte die Vorleile des 8Z 11 des Frankfurter Friedens hon 1871. Derselbe bewahrte Frankreich vor einer Zolleinigung, welche sich im Zentrum Europas ge⸗ dildet haben würde und von der Frankreich ücherlich usgeschlossen wäre. Wien, 12. Dez. Nach einer Meldung der „Presse“ hat die Sendung des japanischen Prinzen Arisugawa Takehito einen handelspolitischen Zweck. Die japanische Regietung zeasichtige, den fremden Staaten sämtliche Landes⸗ jäfen zu öffnen, den Einfuhrzoll auf 12 Prozent zu erhöhen und Vorschläge für die Austragung von Streitigkeiten zwischen Japanern und Ausländern zu machen. Statt des disherigen Konsularamtes oll der oberste Gerichtshof in Japan als zustän⸗ ziges Forum eingesetzt werden; in demselben sollen uropäische Beisitzer die Mehrheit haben. Darüber schweben angeblich Verhandlungen mit den einzelnen S„taaten. Sossia, 11. Dez. Die Sobranje votirte das Besetz, daß der Klerus in Vertretungskörper nicht weählbar sein kann. Belgrad, 11. Dez. Die serbische Regierung beantwortete die Anfrage der Pforte betreffs Er⸗ nennung des derzeitigen Gesandtschäaftssekretärs Mahmud Bey zum Gesandten in Belgrad umgehend zustimmend. Kairo, 12. Dez. Die ägyptische Regierung hat beschlossen, in ganz Aegypten die Frohnar- heitabzuschaffen und die Kosten der bis— jer durch Frohndienste geleisteten Arbeit durch eine Bruudsteuer zu dicken. Trotzdem hat die Regierung das französische Kabinet davon verständigt, daß, wenn dasselbe in die Umwandlung der ägyptischen privilegirten Schuld einwillige, sie die Adschaffung der Frohnarbeiten ohne Erhöhung der Giundsteuer hornehmen wolle, da die Kosten der Abschaffung —XVVV Umwandlung zu erzielen wären. Die Abschaffung der Frohndienste wird der Bevölk rung große Er⸗ leichterungen gewähren. Man hofft daher, daß Frankreich in die Umwandlung einwillige und da⸗ durch die Notwendigkeit einer Erböhung der Grund⸗ steuer befeitigen werde. Lokale und pfaäͤlzische Nachrichten. * St. Ingbert, 183. Dez. Eine Ver⸗ sammlungpreußischer Bergleute auf zayerischem Gebiete soll nun doch stattfinden. Wie hier verlautet, beabsichtigen dieselben, am nächsten Sonntag Nachmittag in St. Ingbert zu gleicher Zeit in vier verschiedenen Wirthschaften zusammen⸗ zutreten. Fast alle Belegschaften des Saarreviers sollen beteiligt sein. *— Die schon mehrerwaͤhnte Versammlung der pfälzischen Jagd- und Forstschu zbedienst e⸗ ten, welche behufs Gründung eines Sterbekassen⸗ vereins auf nächsten Sonntag nach Neustadt einbe⸗ rufen ist, findet neuerlicher Anordnung zufolge Vormittags 10 Uhr statt. — Blieskastel. Infolge des Schnee⸗ abganges unter starkem Regen ist in der vor⸗ verwichenen Nacht die Blies aus ibren Ufern getreten. — EinéenamentlichfürLandwirthe interessante gerichtliche Entscheidung vir dem „P. A.“ von der Sickinger Höhe berichtes. Im vorigen Jahre verlauste der Gutsbesitzer Valen⸗ in Briegel Jvon Zeselberg einem Makler von Zarsberg eine Parthie Kohl für einen gewissen steumond in Kaiserslautern. Dabei wurde die Be— ingung gestellt, daß der Kauf aufgehoben sei, wenn der Kohl nicht innerhalb 8 Tagen geliefert sei. Diese Frist verstrich, ohne daß der Kobl verabfolgt verden konnte, und Briegel ließ dem Käufer sofort zurch eine Zustellung mittheilen, daß das Kaufge⸗ chaft erloschen sei. Neumond klagte nun beim kgl. Amtsgericht auf Entschädigung und Briegel wurde juch zu einer solchen verurtheilt, weil betreffs der Zustellung die Zeit von 48 Stunden nicht abge— vdartet worden war. Der Verurtheilte appellirte