Full text: St. Ingberter Anzeiger

Jane, ala fie das Madchen in's Boudoir ge⸗ 
eiteie. 
.Guten Tag, Mademoiselle; ich sagte Elsie 
ich Idnnte mich wohl allein behelfen, aber daß 
kindische Ding wünschte Iht Kommen so leb⸗ 
haft, daß ich endlich einwilligte. Ich werde 
Sie jedoch nicht viel belästigen.“ 
Das zarte Wesen, daßs kaum größer war 
als ein Schulwädchen, verneigte sich mit ge⸗ 
jeukten Blicken. Genevra konnte nicht umhin, 
die kleinen Füßchen, die graziösen Bewegun⸗ 
gen zu bemerken. 
vverch niedliches Geschöpf!“ dachte fie, 
,welch scheues, schüchternes Gebahren!“ 
Kann ich Ihnen irgendwie behülflich 
sein, gnädiges Fräulein,“ fragte die leise 
Stimme dea zierlichen Rammermädchens, „darj 
ich Ihre Haare ordnen oder einen Kopfput 
von Perlen flechten 7“ 
Sie mögen sehen, was Sie aus meinen 
Hhaaren machen konnen, ich denke, ich bin dazu 
am besten aufgelegt.“ 
Sie warf den weißen Frisirmantel um, 
tehnte sich im Sessel zurück und lachte über 
Nina, die auf ein Schemelchen stieg, um deß 
Fräuleins Haupt zu erreichen. Bei der Ge⸗ 
legenheit sah sie auch die weißen, zarten Händ⸗ 
chen der Fremden und wunderte sich, wie sie 
in diese Stellung gerathen sein mochte. Die 
eigenen Sorgen aber lenkten die Gedanken 
vald, wieder von der angeblichen Franzdsin ab. 
Genebdra verlangte nach des Vaters Heim⸗ 
lehr und fürchtete sich davor. Sollte das 
verhaßte Thema wieder berührt, und sie ge⸗ 
zwungen werden des Grafen Besuche zu emp⸗ 
jangen ? 
Sqhweigend flocht Mademoiselle die langen 
zlänzenden Haare, ihre Aufmerksainkeit aber 
richtete sich auf ganz andere Dinge. Sie 
wußte, daß die Gedanken der Dame nicht 
sröhncher glücklicher Natur waren und beob 
achtete die feigen Züge mit fiebertaftem In⸗ 
jerefse. Mit dem vollen Hafse einer füdlichen 
Natur war sie gekoinmen, nun aber schlich 
jariliches Mitleid in ihre Seele, als od sie 
wifse, was momentan Genevra's Glück frübe. 
Er macht auch sie nicht glüchlich,“ 
seuftne fie. 
Genedra blidte schnell auf. — 
Sie sind wohl müde d) Strengen Sie 
sich nicht an, denn egs ist gleichgültig, wie 
mein Haar geordnet ist, da wir heute keine 
Geste bei uns sehen.“ 
Made mois⸗lle lächelle ernst. 
„Sie sind sehr gütig. MRyady, aber ich 
bin nicht mũde.“ 
„Ich bin keine Lady, mein Kind, ich bin 
einfach Miß Lloyd. Wie kommen Sie dazu 
mich so zu nenuen?“ 
„Ihre Ericheinung macht diefen Eindruck 
und dann boöͤrte ich —— 
Wag hoͤrten Sie !“ — 
„Entschuldigen Si⸗, gnädiges Fraäulein, 
aber ich hörte Sie würden sich einem Grufen 
Zdubin vermählen. 
Genevra sprang hastig auf. m 
„Schwatzt man jetzt schon davon? Ich 
jage Ihnen, Mademoiselle, es ist eine gemeine 
Lüge, ich würde tansend Mal lieber des Todes 
Beraut werden.“ J 
In dem flammenden Auge spiegelte sich 
Jern und Haß aber keine Liebe für Graf 
dubin. Nina hätte sich zu Genebras Füßen 
werfen und den Saum ihres Kleides küssen 
nögen. Sie senkte jedoch nur die dunkeln 
Wimpern tiefer und entgegnete heiser: „Ver⸗ 
seihen Sie, gnädiges Fräulein, ich wiederholte 
aur, was mir zu Ohren kam, bitte, nehmen 
Sie mir dirse Freiheit nicht übel.“ 
Ich taole nicht Sie, mein Kind,. sondern 
nur die blinde, herzlose Welt, die sich in 
Alles mischt und den verhaßten Grafen.“ 
Noch während sie sprach. überreichte ihr 
ein Diener ein Billet ihcees Vaters. Sie lat 
und erglühte. 
„Der Gras will den Abend hier verleben,“ 
prach sie. ohne Rina's Gegenwart zu achten, 
„und ich soll ihn dei mir empfan en. Be— 
ginnen diese Verfolgungen wirklich wieder, 
so will ich ihnen muthig entgegentreten, und 
den Grafen ein für allemal abfertigen“ 
Und fie schritt mit dor Würde einer Für⸗ 
stin durchs Zimmer. 
Mademojiselle beobachtele sie mit funkelnden 
Augen. 
Nachdem sich die Dame eiwas beruhigt 
datte, wandte sie fich freundlich zn dem neuen 
Zammermädchen. 
„Wollen Sie mit mir in die Garderobe 
lommen. Mademoisßeke Nina, und dort einen