Full text: St. Ingberter Anzeiger

.Dad hättest Du gethan, Du böse, böse 
Zephyr rief er im Tone gewinnender Zaͤrt⸗ 
sckeit, „welich hübsche Grille der Eisfersucht! 
Glaubtest Du denn, ich ginge der Tochter 
wegen zun Banquier d Ich kann Dir beweisen, 
daß ich sie dori nur ein einziges Mal ge— 
sehen, daß sie die ganze Zeit über abwesend 
war und es noch ist. Meine Einziggeliebte, 
laubtest Du, daß irgend wer Dich aus meinem 
Herzen verdrängen könne? Packe die Koffer 
umerhin, ich tam, Dir zu sagen, daß ich 
bereit sei, mit Dir nach Jialien zurüchzu⸗ 
lehren.“ 
Langsam erhob sie das Auge und blickte 
ihn ernst an. Es lag etwas Drohendetß in 
ihrem Wesen, er aber zog vor, es nicht zu 
beachten. 
„Komm her, Liebchen,“ schmeichelte er, 
die Sammtkissen des Divans zurüchchiebend, 
und beide Hände nach ihr ausstreckend. 
Troz Jons abwehreuder Geberde erhob 
sie sich und näherte sich langsam. Er schloß 
sie in die Arme und küßte sie. Widerstandslos 
ließ sie es geschehen. 9— 
„Du liebst mich, Rina, nicht wahr, Du 
ebst mich?“ 
Ja. Goti weiß, daß ich Dich selbst jetzt 
noch nede,“ entgegnete sie heiser. 
Er bededte die kalten Hände mit Küssen 
and rief sie mit tausend Schmeichelworten. 
Wie schauerlich ihr das klang in all der 
schreclichen Ahnuug, daß etwas Fürchterliches 
ich ereignen müsse!? 
Wir gehen nach Jtalien, Liebchen, wir 
werden Macht und Reichthum besitzen und vor 
Allem glüchlich sein in unserer Liebe, nicht 
wahr, meine süße Rina 7 
Dann beugte er sich zuͤ ihr nieder und 
flusterte: .—, Schicke den Knaben fott, mein 
Fngel, er braucht eines Bräautigans süßze 
Thoͤrheiten nicht zu hören. 
Lege die Juwelen in den Koffer, Jon,“ 
sagte Zephyr noch immer mit kalter, unnatür⸗- 
licher Suimme, und schließe ab.“ 
.Jon gehorchte, als es geschehen, blidte er 
traurig zu ihr auf. 
Stocke den Salüssel in die Tosche, eßs 
gehört ja Alle, Alles Dir. Komm, küsse mich, 
Jon.“ 
Der Knabe sprang in ihre Arme, einen 
Augenblick hielt sie ihn fest umschlungen in 
trampf hafter Umarmung. 
Geh nun zu Florine; lebe wohl, Jen.“ 
Lebe wohl d Was willst Du sagen, Ninad“ 
fraßte er weinend. 
„Nichts, ich bedachte nicht, was ich sagte, 
geh, mein Herz!“ 
Sie schickte ihn sfort und kehrte zurück zu 
dem Manne, den sie haßte und verabscheute 
und doch so wahnsinnig hebte, zu dem Manne, 
der sie so graufam getäuscht, überzeugt, daß 
ich etwas tragisches, etwas Schrecliches er⸗ 
eignen werde. 
Der Graf hatte die Zeitungen sorglosß 
auf den Tisch geworfen. Auf einem Kästchen 
ttand ein silderner Präsentirteller mit einer 
Weinflasche und Krystalgläsern. Troz seiner 
Mordgedanken plauderte er fröhlich und mit 
all dem ihm eigenen Zauber. Ernst und schweig⸗ 
am lauschte Nua, da er ihr von dem rei⸗ 
jenden Leben unter Blumen und Vögeln sagte, 
bon der prächtigen Villa, in der sich ihres 
Daseins goldene Tage gleich Perlen aneinander 
reihen sollten. 
„Hälist Du solches Glüd für moglich * 
fragte sie endlich. 
Warum deunn nicht, meine süße Braut? 
Nomm, laß uns die Schwüre ewiger Treue 
erneuern, laß uns Euglands kalten Ufern ein 
Zdebewobl trinken, einen Gruß der sonnigen 
deimath!“ 
Er erhob sich, die silberne Platte zu holen. 
Finen Augenblick hatte er beim Einschenken 
gezögert, sie sah nichis, aber sie wußte so ge 
nau, als od sie es gesehen, was ihn zurüd⸗ 
gehalten. 
Gerade bevor er sich ihr näherte, nahm 
er eines der Gläser von der Platte und bot 
— 
derlussend, das andere. 
Sie nahm es und hielt es unb rührt, bis 
sie angestoßen. In diesem Augenblick fuhr sie 
auf und rief: „Horch, da kommt der Friseur, 
ich bestellte ihn auf diese Stunde, da ich nicht 
vissen konnte, daß Du kainst. Ich höre seine 
Schritte, willst Du ihm sagen, er möge ein 
wenig warien 77 
In wohlbegründeter Besorgniß ob eines 
Zeugen, eilte der Graf an die Thüre und 
dab den betrefsenden Besehl. Als er zurld⸗