Full text: St. Ingberter Anzeiger

Michtse ries er. Westehen Gie selbst, 
Herr Commerzienrdrh, es ist absolut unmöglich, 
daß Sie etwas gehört haben. Was die Thür 
anbelangt, so begreife ich allerdings nicht. 
Sie müssen fich sonderbar augeftellt baben. 
nehmen Sie min'a nicht übel..“ 
Hert Emmerling ward sahl wie eint 
deiche. Schwankeuden Schrittes eiste er ins 
Eidgeschoß und warf sich in frinen Lehnsessel. 
Er bededte das Gesicht mit beiden Händen 
and südhnte so kläglich, daßz Klaprood unter 
ven Tisch kroch. F 
XXä 
Wie aller Stralsunderinnen neigte sie zum 
Gespensterglauben, und überdieß hegte sie von 
jhrem Herrn eine so gewaltig hohe Meipung. 
daß sie einen Jerthum gerade für undenkbar 
dielt. Sie ttug sich mit den düstersten Vor⸗ 
flellungen und schüttelte ein über's andere 
Mal das sorgenvolle, graue Haupt. — 
Der Commerzienrath aß keinen Bissen. 
Beate brachte nur zwei Loͤffel Suppe hinunter. 
Nur Franz verzehrte vier Flundern und rin 
albscottlet. 
Nach Tische erbat sich Herr Emmerling 
eine Tasse Kaff⸗e. „Recht starb!“ sagte: er zu 
Beate. Haftig ichlürfte er den Labetrunk, aber 
die gehoffte Wirkung blieb aus. Es ward dem 
armen Herrn immer äagstlicher und dänglicher. 
Sein Kinn schlotterte. Eislalt Lief ea ihm 
über die Wirbelsäule. 
.Der Hert Commerzienraih ist kraut,“ 
sprach der Bediente; „ich werde den Deltor 
holen.“ 
„Ach ja,“ versetzte Beate, ‚auch mir wird't 
gut ihun, wenn ich ein Bischen medicinire . 
Ich habr Herzschlagen zum Zerspringen 5.* 
Franz ging. Der Doltor Lacht erschien mach 
Verlauf einer Suunde. 
.Nun, wo fehlrs d9“ tragte der Jünger 
Aeskulaps, indem er den Patienten durch's 
Lorgnan musterte.,Eine kleine Unserdaulichkeit! 
Wie? Was Werde Ihnen zum Abführen 
eingeben ...“ *l 
Der Comm tzienrath erst utre Bericht. 
Doklor Vachs wurde ernstetc. 
„Wo waren Sie heme Vormittag de 
„Am Brunnen, wie gewöhnlich.“ 
„Was haben Sie da zu fich genummen ** 
Nichta. I * 
WGar nichta J— Besiauen Sie sich·“· 
„Gar vichta, Doclor, ich versichere Sie. 
Der Arzt schüttelte den Ropf. 
„Ihn Ihnen jemals ia Ihrem Leben ein 
ahmlich er Fall passirt, wie der heulige 
„Nie, Doltor ··.. 
Der Arzt überlegte dann einige Sekunden 
EXXX 
Er verschrieb dem Petienten ein harmloseß 
Pulver uud verordnete einte gelinde Blutent⸗ 
XXE 
Heute Abend gehea Sie hübsch zeitig 
zu Beta und lassen das Bier sein. Ihre 
Nerven sind etwag augegriffen; Si e bedürfen 
vor aslen Dingen der Ruhe 
Er wollte gehen. Beate vertrat ihm 
den Weg. 4 
„Hier ist noch ein Patient,“ sagte sie 
mit schlecht ertüusteltem Lächeen. J 
„J, Zräulein Beate!“ entgeqnete der 
Doltor, „Sie, die Gesundheit selber! Was 
ift Ihnen denn in die Krone gefahren Aber 
wahrhaftig, Sie sind ganz blaß... Wo 
fehlts denn ? Eme kleine Unverdeulichkeit 
Wie? Was? Ich werde Ihnen zum Abführen 
eingeben..* 
Beate errothete. Sie erzüblte, wie auch 
ihr der Schreden inm die Glieder gefahren 
sei. Sie bat um etwas Niederschlagendes. Der 
Arn willfahrte ihe und verabschiedete sich. 
Es dauerie füuf, fechts Tage, bis Herr 
Emmerling und seine Hausgenossen sich wieder 
jo deidlich erholt hatten. Ulleißs mit ihrem 
törpecichen Wohlbefinden war die alte Ge⸗ 
můthsruhe nicht wieder zurüdgelehrt. Der 
Sonmemqien vath blieb düster und nachdenklich 
Er ging nicht mehr, wie sonst, allabendlich 
ia die Ressourcez er besuchte nur noch selten 
den Brunnen; ja er las kaum mehr die 
Stralsunder Zeuung.7. Brütend brachte er 
die Rängite Jeit des Tages. auf deinem Lehn⸗ 
jefset zu, die Hände über einander geschlagen, 
den Kapf rüdwärts gebogen, die Augen 
geschoffen. Beate hatie ihre ganze frühere 
Elast auu perslecen. Sie schien ihre häuslichen 
Arbeiten. mure; noch mechanisch, zu be⸗ 
sorgen. Stundenlaug kam kein Wort über ihre 
Lippen. —EDE — — — — 
bor dent BRauen Zimmer vine unerklärliche