Full text: St. Ingberter Anzeiger

Anterhaltungsblatt 
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— St. Ingberter Anzeiger. 
—— 
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A 
— 35. 
Dieustag, den 21. März 
1871. 
Das Wort des Vaters. 
Erzuhlung von Wilhehm Müller.“ 
Ich verstaud ihre Worte nicht, denn meine 
Angst steigerte sich von Stunde zu Zune 
‚on Augenblick zu Augeublid. Da trat Peler 
n's Zimmer; er war abwesend gewesen und 
bein erst zuruͤdgekehrt. Seine Kleider trieften 
don Regen und Schneeschlossen, seine Haare 
Jingen wild um die bleichen Wangen; au ihm 
er“ nur in der Ebiene gewesen, sah ich, was 
dich dedrohte. Als er vernahm, was geichehea, 
var er sogleich bereit, dich aufzusuch n. Ohre 
Rast, ohne Erholung in der finstern Nacht 
wouite er sogleich in die Berge. Alle fuchten 
ihm zurüchzuhalten; mehrere riefen im zu: 
Es ist zu spaͤl, du wags vergebens dein Le⸗ 
den, Aulon ist doch nich: mehr zu retten. O 
rinmer und nimmer werde ich diesen Ausruf, 
Fer mir mehr als das schredlichste Todetur⸗ 
heil war, vergessen. Es wäre wohl verzeihlich 
Jewesen, wenn Peter durch. solche Warnung 
ich hätte abhalten lofsen von der gefahrvollen 
Wanderung. Aber er that es nicht; ich steh' 
Allein auf der Welt, sprach er, habe Niemand 
ils diesen Freund, und will nicht, daß Jene 
einst ihten Mann, bdas Kind in der Wiege 
inst seinen Vater von mir fordere. Mit Gott 
vill ich es wagen. Und der Biedere schütielte 
nir die Hand, küße den Knaben und ging 
don dannen. Niemand begleitete ihn, als sein 
reuer Hund. Die Nacht verging, der Morgen 
zrach an; als die Sonne höher stieg, legie 
in des Swurmes Wüthen; mir oab der wie 
de gelehrte Frieden der Natur keine Berudi⸗ 
zung. Es ist zu spät. rief es in mir, Anton 
Adi nicht mehr und auch sein Freuud kehrt 
zicht wieder. De Nachbarn und Freunde 
zingen an die Arbeit, um das wiederhet zu⸗ 
cC(gyorisezung.. . 
„O, wie konnte ich jemals vergessen,“* rief 
die Frau eifrig, „daß Peter es war. dem ich 
din Leben danke. Es war die furchtbar ste 
Prüfung. welche Gott mir auferleget; — 
Tancml in bösen Träumen kehrt mit jene 
Angstzeit zurück und quält und foltert mich 
wie damais. Es war ein kühler, freundlicher 
herbstiag. der Mo gen war licht und hell, du 
darst in die Berge gestiegen und hattest mir 
versprochen, noch vor Abend zurückzukehren; 
aber nach wenigen Minuten bewölkte sich der 
dimmel und der jurchterlichste Sturm brach 
de von den Bergen stäudien die Schnee⸗ 
nassen nieder; der Tag ward zur Nacht; 
Menschen und Vich kehrten heim, denn Nie⸗ 
nand vermochte in dem Wetter auszudaueru. 
Da kam die Angst über mich, bei jedem 
Schrillen des Sturmes rief es in mir, es 
ind die Todesseufzer deines Anton, die jene 
daute überschreien. Ich lag vor dem Gnaden⸗ 
id und betete zu Gon für dein Leven. 
Martin's Wimmern schreckte mich von m iner 
Undacht auf; ich trat zu der Wiege, das 
ind weinte schmerzliche Thränen im Schlafe, 
ind wieder rief es in mir: die Waise weint 
im ihren Vater, der in diesem Augenblicke 
das Leben endet. Es wurde Abend, es wurde 
Nacht; draußen stürmte es fort und fort wie 
Wellen Untergang; die Nachdarn die Freunde 
samen zu mir; sie? wollten mich troͤsten mit 
Hoffnungen, an welche sie selbst nicht glaubten. 
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