Full text: St. Ingberter Anzeiger

zlüdt ist. Im“ Namen der Besitzerin des 
bekannten Ephenhauser, dessen Pforten die 
Gastfreundschaft stets offen hält, lud ich hier 
Deinen Bräutigum ein, den heutigen Mittag 
in unserem kleinen Kreise zuzubringen, um 
Dich mit ihm bekannt zu machen. Ihr seid 
mir allerdings in diesem Punkte zuvorgekom⸗ 
men; doch das thut nichts zur Sache. Zu 
diesem Familienfeste — denn ein solches soll 
es werden, denke ich — hatte ich auch unsere 
beiden Freunde geladen, die, wenn mich mein 
Behör nicht ganz und gar täuscht, eben anzu⸗ 
lommen scheinen!“ — 
Die Anwesenden blickten nach der Garten⸗ 
thüre, durch die jetzt die beiden Alten, sich 
verwundert aublickend, Helene an dem Arme 
eines Mannes zu sehen, eintraten. 
Nachdem ihnen der Pastor den Zusammen⸗ 
hang mitgetheilt, nahmen sie willig an dem 
lleinen Feste Theil und stimmten von Herzen 
in die allgemeine Freude mit ein. 
Das kleine Mahl war vorüber, die gegen⸗ 
seitigen Freudenbezeigungen zu Ende, als man 
Bruno drängte, voran Helene, die näheren 
Umstände seiner Rettung mitzutheilen. 
Bruns gab diesem Drängen willig nach. 
Er erzählte nun die einzelnen Momente, die 
wir aus unserer Erzählung bereits kennen und 
fuhr dann, als er bis zu der Stelle gelom⸗ 
men, wo er mit dem Ausrufe: „Lebendig 
begraben!“ zusammengesunlen sei, fort: 
„Nachdem ich aus meiner Ohnmacht wie⸗ 
der erwacht war, quälte mich der Gedanlke, 
lebendig begraben zu sein, noch eine Zeitlang, 
dann ergab ich mich ruhig in das Unver⸗ 
meidliche meines Sschichsals. Da berührte mich 
noch einmal ein fächelnd er Luftzug. Ich tastete 
aund lappte umher und fand endlich in ziem⸗ 
licher Höhe über dem Boden eine halbzer⸗ 
fallene kleine Holzthür, deren breite Spalte 
dem jedenfalls durch die Oeffnung der Stein⸗ 
platte in der Höhe entstandenen Luftzug freien 
Zutritt gestatteten. Mit Hilfe meines Beils 
hatte ich die morsche Holzthüre gesprengt! Ich 
‚og mich in die Höhe und blickte nichts als 
einen dunklen Raum. Ich kroch hindurch, 
xnd befand mich, wie es mir vorkam, in 
einem Verbindungsgang. Stehen konnte Ach 
nicht in demselben, sondern mußte in krie⸗ 
chender Stellung weiter zu kommen suchen. 
Uls ich auf diese Weise eine Strecke weit ge⸗ 
langt war, erblickte ich ein schwaches Licht in 
der Mauer neben mir. Ich griff hin und 
jand' einen Haufen loder zusammengelegter 
Steine. Mit æinem Stoße verschwaͤnden sie 
don der DOeffnung, und flürzten in den wohl⸗ 
bekannten Gaug hinein, der sich meinen 
Blicken bot, als ich durch die Oeffnung in 
denselben hineinblickte. Ohne Zaudern sprang 
ich hinab, warf noch einen Blick guf meine 
Brabesmauern, wie mir dieselben in diesem 
Augenblicke vorlamen und lief dann, so rasch 
mich meine Beine zu tragen vermochten, dem 
Ausgange zu, an dem mich bereits die Strahlen 
der aufgehenden Sonne begrüßten. Eine Zeit⸗ 
sang fiand ich sprachlos da, im Innern meinem 
Schöpfer für die glückliche Rettung dankend, 
ohne zu wissen was ich beginnen sollte. Es 
kam mir alles wie ein schwerer Traum vor, 
und ich hätte wohl auch an denselben geglaubt, 
wenn mich meine Kleidung und die kleine 
Uxt nicht an das wirklich Erlebte erinnert 
hätten. Schnell entledigte ich mich dieser Ge— 
jenstände, rollte dieselbden zu einen unschein« 
daren Bündel zusammen und warf ihn vor 
mich hin. Rathlvs und unschlüssig mochte ich 
rine Weile so dagestanden haben, als mich ein 
greller Pfiff der Lolomotive aus meinen Sinnen 
auffchreckte 
Ich sah mich um und bemerkie, daß ich 
mich in unmittelbarer Nähe des Bahnbofes 
zefand, der sich am gegenüberliegenden Fluß⸗ 
ufer scharf am Morgenhimmel abzeichnete. 
»Halt!“ rief ich aus. „Ein Gedanke! 
Sehen soll sie mich nicht mehr, da sie auch 
ju jener großen Masse von Geschöpfen gehört, 
die den Mann nicht nach dem inneren Kern, 
ondern nach der äußeren mit allen Künsten 
umgemodelten Schale beurtheilen und danach 
ihre Handlungen, einrichten. Verschollen will 
ich sein vergessen will ich sein und sie — 
sie mag, wenn ihr der jaͤhe Fall nicht dasß 
Leben gefährdet, glüclich mit Hofmann sein! 
Ich entfage ihrl“ 
Schnell hatie ich meinen Anzug geordnet, 
an dem nichts fehlte als der Reiseüberzicher 
und die Kopfbededung, die ich auf dem Markt⸗ 
plaße zurückgelassen hatte, dann nahm ich den 
Bündel auf und eilte zum Bahnhofe. Bei 
dem Uebergang über die Vrücke warf ich den