Full text: St. Ingberter Anzeiger

drod um acht Uhr 3, Wle Sit besehlen. 
Madame!“ F8 7 — 
Der kleine “ Parlsr mit feinem einfachen, 
reinlichen Fußteppich und netten, leinenüber⸗ 
jogenen Vöbeln bot nach der Reise einen 
sihr einladenden Raheplatz. Julie schob den 
Lehnstuhl dicht zum Fenster. machte die weißen 
Mousselinvorhaͤnue zurüch und blicktte hinaus 
in den fillen Abeide 
.Es gibt nichts Besseres in der Welt,“ 
beiertte die enclische Reisebegleileris, indem 
e sich dequem zurechtsetzte, als reichlichste 
Kost und genügende Ruhe. Ich glaube, das 
Fräulein wäre die ganze lange, grausfige Nacht 
gereist. wenn sie aicht Jemand an ihrer Seite 
gehabt hätte, der, älter und weiser als sie, 
jhr sagte, wann es Zeit sei, sich auszuruhen. 
cs ist ganz hdübsch, so sorglos in die Welit 
hineinzuslattern, wenn man achtzehn Jahre 
alt ist, aber wenn man erst achtu:voierzig 
virde nnd hat den fliegenden Rheumatismus 
jn allen Knochen, dann ist die Sache sehr 
anders denle ich?“ Und deßwegen — inein 
Bott, was wakr denn das 5 
Und Juhu sprang emnsezt auf: aus ihrem 
weichen, betquemen Lehuftuhl und wak ganz 
dieselde erschreate Froge ꝛ Stephens. was 
war· dua e ꝛ· 7 
Es war ein Schrei wilde und einschnei⸗ 
dend, wie? der tines armen Thieres, welchel 
leidai, vielleicht wie der eines zum Tode ver⸗ 
wirn deteu, sterbenden“ Rosss aber troßdem 
menschlitheim seinem Ausdruckenr Und im nächsten 
Nugenbnt ftürzte eine jiernchk, werhgelleidete, 
jodesblafse Madchengestalt durch; die offene 
Thüre herein,““ ergriff in unervoser Erregung 
Jutiens· Artaund sarie?Kertet mich? rettei 
mich·! 
Inlle Darley war! wie bereits angedeuteh 
eine starke Naturꝛ Nächdem⸗ dererste Schred 
vorũber war. nahm sie die eing, ziuernde, 
elsenhalte Gestalt in igre Arme: 4] 
0 2 Dich reiten ) Wovon denn, meitz Kind?3 
sagte sie mitz weicher, sy upat aischer, Suimme, 
„Komm' komm' berubige Dich, Zitt re nicht 
so, Nigmand soll Du ciwas zu Vide thun !* 
Dus salt wesetzlose Ding min den großen 
blaueig Augen, den göldenen reichen Locken, 
welche hinten ein Neß nachlässig zusammen- 
hielt, und den flammend rothen, wie Todes⸗ 
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fackeln auf jeder Wange hrermenden Flecken 
hatte eine merkwürdige, fast eiserne Kraft 
in ihren dünnen“ durchsichtigen Händen und 
sie ließ Julie nicht los. 
„Ich bin kein Kind.“ sagte sie indignirt, 
Fich bin einnendzwanzig Jahre alt und werde 
heiralhen. Ja,“ setzte sie lächelnd inzu, „ich 
din verlobt, Du mußt mich nicht mehr, Kind“ 
neunen.“ 
.Arme Kleine,“ rief Frau Stephens, 
indem sie mit einer tiesigen Flasche, Pau- de 
Cologne herbeieilte, „fie ist wirilich krank. 
Riechen Sie daran, Fräulein, theures Fräu⸗ 
leine!“ W 
Aber das parfümirte Wasser wutbe mit 
einer ungeduldigen Handbewegung zurüchge⸗ 
XX 
Geh' fort, Du alte gleißnerische Kahe!“ 
schrie die Neuangelommene. Ich liebe dieses 
Mädchen mit den guten Augen und dem feinen 
Geficht. Sie wird es nicht dulden, daß sie 
mich in's Irrenhaus schaffen, wenn ich nicht 
wahnsinnig hin! — Was, ich verrüdct, und 
in einem Monat soll die Hochzeit sein A Was 
würde er dazu sagen d7 
Julie ahnie jetzt die Wahrheit, als fie 
zineinsaz in die irrlichterjrrenden blauen 
Augen mit dem üönheimlichen“ Glanze — sie 
ahnte, daß der Wahnsinnn seine nächtlichen 
Fittige über dies junge Gehirn gebretinet und 
se schrecklichen Krallen hineingeschlagen batte. 
In diesen Auzenblicke eilte eine sehr achtbar 
zugsehende Matrone in schwarzer Kleidung 
us Zimmer. * J . .. 
„Meta“ Meta, komm'! Du störst diese 
Dame. mein liebes Kind!“ Und sieh' nur 
einmal Dein Haar wie wild und ungeord⸗ 
net es ist; lomn', Dür mußt Dech noch schön 
machen, ehe wir zum Thee gehen“— 
„Mein Hagqr 7“ — Das arme, verstörte 
—XX ihr Net heruntet 
und li⸗ß die reichen goldenen Massen unge⸗ 
hemint auf ihr n Ruͤcken herunterfl etßzen. „Ja,“ 
sagte sie dann leiseich inuß es noch ordnen 
und schön und glänzend machen, ehe er kommt. 
It gehe mit Dir, Tante !“ 
nd wie ein wiliges Kind ließ sie sich 
ortführen. Die alte Dame euitschuldigte sich, 
be sie ging. 
Wir gaben uns alle Mühe, ssu zu be⸗