Full text: St. Ingberter Anzeiger

faden Schmeicheleien und galauten Artigkeiten. 
Ernst und in den Schranken gemessener Hoͤf⸗ 
lichkeit blieb er stets ihr gegenüber, während 
er in Gesellschaft Bölling's oft bis zur Aus— 
gelassenheit lustig und mitunter frivol sein 
konnte. — Er veischob endlich den Ankauf 
des Gutes, auf welches er sein Augenmerk 
gerichtet hielt, bis zur Rückkehr aus O, wo⸗ 
hin er Bölling begleiten wollte. — Das Gut 
besaß einige noch gut erhaltene Wirthschafts 
gebäude, das Wohnhaus dagegen mußte neu 
aufgeführt werden, und da die nächste Stadt, 
in welcher der Baron seinen Wohnsitz nehmen 
wollte, sehr weit entfernt lag, so bot Bölling 
ihm bis zur Fertigstellnug des Neubaues eine 
Wohnung in seinem Hause an. u 
Der Baron wies im ersten Augenblick 
dieses Anerbieter zurück, als aber Bölling 
jmmer und immer wieder auf dasselbe zurück⸗ 
kam, stellte er die Entscheidung der Hausfrau 
anheim. J 
Helene erschrach, als sie den Vorschlag 
des Gatten erfuhr, sie rieth ab, bat, unter 
irgend einem schicklichen Vorwande das An— 
erbieten zurückzuxehmen und schilderte mit den 
lebhastesten Farben die Unannehmlichkeiten, 
welche aus einem längeren Beisammenleben 
mit dem Gaste, eutspringen könnten. 
Boͤlling hatte einen solchen Widerspiuch 
nicht erwartet, er beharrte sest bei seinem 
Willen, um so fester. als ja Helene für ihre 
Abneigung gegen den Gast keine Gründe an⸗ 
geben konnte. 
Das eheliche Glück der beiden Gatten 
trübte zum ersten Male eine Wolke. So viele 
Gründe auch Helene entnegensetzen mochte, 
Bolling bleb fest, wideistrebend mußte die 
junge Frau sich fügen. .— 
Unm allen ferneren Bitten und Vorstellungen 
seiner Frau aus uw ichen, bat Bölling am 
UAbend, im Beisein Helenen's, seinen Gast, 
sich zu entschlietßen. 
Der Baron sah Helene forschend an. 
‚Wie ich Ihnen dereits bemerlte, mache 
ich die Annahme ihres guten Vorschlags ganz 
von Ihrer Frau Gemahlin abhärigig,“ erwi 
derte er, Ich weiß die Damen leeben solche 
Finquartierung nicht, deßhalb ist es wohl 
das beste, ich bleibe in der Stadt und koinme 
dann und wann auf ein Stündchen zum Be⸗ 
such herüber.“ 
Der jungen Frau schwebte die Bemerkung 
auf den Lippen, daß das wohl das Beste ist, 
ein Blick Bölling's drängte sie zurück. 
„Inwiefern könnte ihr Verweilen meiner 
Frau lästig sein!“ fragte er zuvorkommend. 
„Das Hauswesen wird von unseren Dienst⸗ 
boten besorzt, somit entbehrt Ihre Befürchtung 
jedes Grundes. Sie wissen, wir sehen Sie 
als einen Freund nuseres Hauses an und soll 
ich es offen gestehen, Sie würden uns durch 
Annahme meines Vorschlages um so mehr 
verbinden, weil wir an Ihre Gesellschaft 
dereits gewöhnt sind und dieselbe ungern ent⸗ 
behren mö bten.“ 
Wieder traf ein Blick des Barons Helene 
„Und was sagen Sie dazu, gnädige Frau 7 
fragte er. „Rden Sie offen, ich bn überzeugt, 
—AI 
nicht.“ 
WMeine Wünsche sind stets denen meines 
Gatten untergeordnet,“ entgegnete Helene. 
„Und nun, da Sie selbst die Eutscheidung 
meiner Frau auheimgestellt haben, würden Sie 
diese veleidigen, wenn Sie jetzt noch meinen 
Vorschlag zurückweisen wollten,“ versehzte Böl⸗ 
lina hastia, als befürchte er, Helene könne 
durch rinige unbedachte Worte ihre Ahneigung 
dem Gast verrathen. 
Der Baron reichte dem Gutsherrn die 
Hand. „Angenommen,“ erwiderte er, „ich 
werde mich später, wenn mein Haus einmal 
fertig ist. zu revanchiren suchen.“ 
An demselben Abend hatte der Baron 
eine sehr lange Unterredung mit seinem 
Diener. Er zeigte ihm an, daß er morgen in 
Gesellschaft des Gutsbefizers nach O. abzu⸗ 
reisen gedenke, bis zu seiner Rückkehr solle er 
ein wachsames Auge auf Alles haben, was 
sich im Hause ereigne, besonders aber die 
Gelegenheinbenutzen, mit dem Verwalter Freund⸗ 
chaft zu schließen. 
hochchung folge.h.— 
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Drud und Verlag von F. X. Denetz in St. Inabert.