Full text: St. Ingberter Anzeiger

sehnliche Summe als Entschädiguug für die 
Uebertragung anbieten ließ. 
Bölliug hatte erklärt, sich an der Actien 
desellsthaft betheiligen zu wollen,“ soweit seine 
stapitalien dies erlaunten, zu einem Darlehen 
aber, welches zur Befriedigung der Gläubiger 
hinreiche, konnte er sich nicht entschließen, 
weil er nicht sein ganzes Vermögen auf eine 
starte setzen dücfe. Sah der Commerzienrath 
auch Ras Begründete dieser Erklärung ein, 
so hinderte ihn das doch nicht, der Engher⸗ 
zigkeit feines Schwiegersohnes allein die Schuld 
an seinein Falle aufzubürden. 
Dem Drängen des Asfsssors, der als 
Syndik des Falliments das Tamoklesschwert 
über dem Haupie des Falliten hieil, mußte er 
endlich nachgeben, er nuterzichnete den Act, 
welcher dem Buchhalter Hetmes die Firma 
nebst den Activen und Passiven übertrug und 
trhielt' dafür die Abstandesumme, welche bei 
eingezogener Lebensweise zur Bestreitung seiner 
Bedürfnisse nur für einige Jahre hinreichten. 
Nachdem der schwere Shritt einmal ge⸗ 
han war, fand der Commerzienrath keine 
Ruhe mehr in seiaem Hause. Helmes, der 
jetzige Inhaber des Bankzeschäfts, hatte ihm 
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so sange zu bewohnen, bis er ein passendes 
Unterkommen gefunden habe, aber Weber 
wollte diesem Menshden, den er in licefster 
Secki haßte, keinen Dank schuldig sein. Er 
würdigie dieses Anerbieten keiner Erwiederung 
und verließ noch an dems lben Tage das 
Haus, um jene bescheidene, einsame Wohnung 
zu beziehen. 
Helene und auch Bölling hatten ihm schon 
einige Mal geschrieben und ihn gebeten, zu 
ihnen zu kommen, aber der al?e Mann be⸗ 
harrte eigensinnig ber sriner Weigerurg. Er 
wutzte daß er im Beisein srines Schwiegrr⸗ 
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neten war und schämte sich als Bettlet wie 
der vor ihm zu erscheinen. Helmes brachte 
schon in den ersten Tagen mit den Gläubi⸗— 
gern der Firma einen Vergleich zu Stande. 
Woh er er die Mittel zur Erfüllung der Ver⸗ 
bindlichkteiten nahnm, welche die Kction weit 
üderstie en, wußte Niemand, seldst dem Ban⸗ 
fier war es ein Räthsel. Zwa: verbreitete 
Heilmes das Gerücht, ein bedeutender Copitalist 
unterstütze ihn, aber Weber glaubte nicht an 
dieses Gerücht. Er verließ die beiden Stuben, 
welche er bewohnte, selten, die Menschen fuch⸗ 
sen ihn nicht, er wollte jede Gemeinschaft mit 
hnen vermeiden. 
Seine einzige Beschäftigung bestand in 
Papparbeiten, zu denen er schon in frühzer 
Jugend Lust und Liebe gezeigt hatse. So saß 
er vom frühen Morgen bis zur Dämmerung 
por seinen Schachteln und Modellen; die 
Wartefrau, welche die Stuben in Ordnung 
hielt, das Essen holte und die nöthigen Aus⸗ 
zänge besorgte, durfte nur dann in das 
Wohnzimmer treten, wenn der Commerzienrath 
iich noch in seiner Schlafstude befand, er wollte 
lein menschlichez Antlitz mehr sehen, keine 
menschliche Stimme mehr hören. Seine Auf⸗ 
träge schrieb er auf eine Tafel, welche im 
Schlafzimmer hing, dort mußte die Wartefrau 
Alles, was sie für ihren Herrn holte, nieder 
legen, wo der alie Mann es später in Em⸗ 
pfang nahm . 
„Die Leute, welche diese Einzelnheiten er⸗ 
fuhren, schüttelsen die Köpie und sprachen 
die Vermuthung aus,. der Verstand des Com⸗ 
merzienraths müsse gelitten haven. Nur We— 
nige erriethen den wahren Grund dieser Ab⸗ 
sonderung, aber unter diesen Wenigen hielt es 
leiner der Mühe werth. den Misantyropen 
mit der Menschheit ausz isöhnen. — — — 
(Forisetung folgt.) 
Die Bevölkerung Berlins hat sich in der 
Woche vom 28. April bis 4. Meai durch 
Biburten um 599 (319 mänpliche, 280 
deitliche.) durch Zusuß um 4413 (63213 
näunliche, 1200 welblicht) Personen vermehrt, 
durch Todes:älle vm 526 (274 mä · niche, 
252 we ibliche) durch Abzug um 1077 
597 männtiche, 480 werbliche) vermindert. 
Der Gesammtzuwadis beteägt daher 8409 
(2661* männliche, 748 weibliche) Personen. 
Mannigfalliges. 
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Dreud an⸗Verlag von J. X. Demeg in St. Jngvert. . 44 de—