Full text: St. Ingberter Anzeiger

Anterhaltungsblatt 
St. Ingberter Anzeiger. 
—V— 
Donnerstag, den 11. X 
— 
DdDie Brüder.. 
DriginalRovelle von Ewald August König. 
Die Stirn des Commerzienraths legte sich 
in Falten. „Ich habe mit Ihnen nichts zu 
ichaffen,“ entgegnete er rauh, „unter allen 
neinen Bekannten sind Sie derjenige, dem 
ich am wenigsten etwas verdanken möchte.“ 
Waldau verbeugte sich, ein ironisches 
dächeln spielte um seine dünnen Lippen. 
„Der Stolz kleidet den Beitler schlecht,“ 
ders tzte er in einem Tone, der dem ehemali⸗ 
zeü Bankier die Galle iuns Blut trieb. Erinnern 
Sie sich des Tages, an welchem Ihre Tochter 
den Gutsdesitzer Böling heirathete ? Damals 
agten Sie mir, ich sri ein Mensch ohne 
Ramen, ohne Vermögen, und nur aus diesem 
Brunde hätten Sie mir die Hand Heleuen's 
verweigert. Ich frage Sie nun, was sind 
Sie? Freilich, Comenerzienrauhe'e Aber ein 
Fommerzienrath ohne Kapital, ohne Credit ist 
irmer als ein Bettler.“ — 
„Junger Measch, Respect“ vor meinen 
grauen Haaren?“ fuhr der Bankier auf. 
„Vergessen Sie nicht. daß Sie mir Ihre 
Tarriere zu verdaulen haben, hätte ich damals 
nicht Ihnen meine Börse geöffnet. säßen Sie 
ztzi als Canzleischreiber bescheiden huuter Ihcem 
Palter. 
.Eben diese Wohlthat, obschon lich fie 
lieber eine Paahlerer nennen möchte, bewegt 
nich, Ihnen, so viel dies in meinen Kräften 
stoht, die Last zu erle:chtern. Ich redete da⸗ 
rüber mit dem jehzigen Inhaber ber Firna— 
er hat fich beren erklärt, Ihnen den Posten 
des ersten Buchhalters in seinem Göschäfte 
anzuvertrauen, Tausend Thaler Gbatt“ und 
tine Grat-fication, welche sich nach dem Gewinn 
bes laufenden Jahres richten, fud Ihuen zu · 
—— — * 
(gportsetzung.— 
An dem Tage, an welchem Bölling und 
dessen Begleiter am Ziele ihrer Reise an angten, 
saß dier Commetziéeurath vor dem Modell 
eines Haufes, welches er mit besonderer 
Sorgfatt aus zuführen gedachte. Er träumte 
ich zurück in die Zeit, in der er alles no b 
sein nannte, in der Helene noch indiesen 
Räumen speelte, in der er ei⸗it so glüdlich 
gewesen war! Ein sch verer Sufzer entrangd 
ich seiner Brust. —“ was war von j nem 
Blück ihm gebtiebend 
Eine qultende Erln⸗erung und die Er 
fadung, daß auf Gluck und Freundschaft nicht 
zu bauen ist. — Aus jeinen Träumenshreckte 
ihn prötztich ein leises Pochen auf. Seitdem 
er hier wohnte, hatte er noch Memanden in 
seiner Wohnung gesehen, er zweifelte auch 
—I 
wüufcht Jemand Auskuuft, oder war es am 
Eide ei er seiner Bekannten, den die Neuget 
hierherfüyrte?— 
Der Commerzienrath erhob sich⸗ um die 
Thüre zu verschlußen. ader noch ehe er di sen 
Eutf salußk au⸗führen konnte, stand der Ass ssor 
Waldau vor ihm. — 
Sie werden entschuldigen, wenn ich Sie 
so früg schan stöse,“ hub der Aff ssor an, 
nacndeim er, ohne eine Nuffardernag dazu 
erhatten zu haden, P'atz enommen hitte. 
„Der Wunsch, Ihre Lage zu verbessern, führt 
naich nur hiesher